Editorial

Zentrallager für
Gehirndaten

(17.01.2024) Mit ausgefeilten Techniken können Forschende Gehirne digital rekonstruieren. Die Brain Image Library soll helfen, in dem Datenwust nicht den Überblick zu verlieren.
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Das Gehirn jedes Menschen ist einzigartig. Vom allgemeingültigen Aufbau abgesehen hat jedes Exemplar Unmengen Spezifika, die lebenslang bestehen, sich erst mit dem Alter bilden oder während einer Erkrankung auftreten. Nur ein kleiner Bruchteil menschlicher Hirne wird jedoch näher untersucht – etwa durch molekularbiologische Analysen bestimmter Hirnregionen oder mikroskopische Untersuchungen von chirurgisch gewonnenem Tumormaterial. Dennoch sind die von Gehirnen gesammelten Datenmengen gigantisch groß. Um sicherzugehen, dass sie nicht in den Datenbanken einzelner Forschungslabore verstauben, sondern der ganzen Forschungsgemeinde zur Verfügung stehen, ist es sinnvoll, sie an gemeinsamen Orten zu bündeln und für alle Forschenden frei zugänglich zu machen.

Eine dieser Sammelstellen ist am Pittsburgh Supercomputing Center der Carnegie Mellon University in den USA untergebracht. Alexander Ropelewskis Team koordiniert hier die frei zugängliche Plattform Brain Image Library (BIL), die Mikroskopiebilder von Gehirnen für Neuroforscher und -forscherinnen bereitstellt, die sie für systematische Analysen nutzen wollen. In einem bioRxiv-Manuskript erklärt die Gruppe die neuen Features der BIL-Datenbank und erläutert, was Forschende mit den darin gespeicherten Datensätze alles anstellen können (Link unten).

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Abrufen, hochladen, visualisieren

Im Archiv der Brain Image Library findet man neben Gehirn-Datensätzen von Homo sapiens auch solche von der Maus, von Primaten (Makaken, Marmosetten), Fruchtfliegen sowie Ameisen. Die Mikroskopiebilder entstanden unter anderem mit der seriellen Zwei-Photonen-Tomografie (STPT), der fluoreszenzvermittelten Tomografie (fluorescence Micro-Optical Sectioning Tomography, fMOST), der Lichtscheiben-Fluoreszenzmikroskopie (LFSM) sowie der Konfokalmikroskopie. Inhalt, Konzept und Möglichkeiten der BIL-Plattform entsprechen in etwa der National-Center-for-Biotechnology-Information (NCBI)-Plattform. Statt Daten zu Nukleotid- oder Aminosäure-Sequenzen enthält sie jedoch Bilddaten von Gehirnen. Forschende können die Daten abrufen, ihre eigenen Daten auf die Plattform hochladen, vergleichende Analysen durchführen sowie Analyseergebnisse visualisieren.

Die Datensätze der Mikroskopiebilder kann man gezielt durchsuchen, beispielsweise durch Eingabe von Begriffen wie „Parkinson“ oder „Alzheimer“. Ein Klick in die Trefferliste informiert darüber, woher (Autor, Spezies, Details zur Behandlung, Probenvorbereitung und Mikroskopmodell) die Daten stammen. Für Analysen müssen die ausgewählten Datensätze nicht heruntergeladen werden. Dank einer spezifisch vergebenen DOI bleiben sie als Internet-Link abrufbar. Ausgewählte Daten-Sammlungen lassen sich im Nachhinein gruppieren und sind als großer Datensatz über einen eigenen DOI-Link zugänglich. Wer will, kann sie aber auch downloaden.

Effiziente Nutzung

Für die Nutzer-definierte Prozessierung der BIL-Daten, inklusive der Visualisierung, muss keine eigene Software heruntergeladen werden. Die Bearbeitung der Daten übernimmt das interne BIL Analysis Ecosystem. Was sich hinter diesem Netzwerksystem verbirgt und wie es funktioniert, erklärt die Gruppe in ihrem Manuskript. Für anwendungsorientierte Forschende dürfte dies aber eher nebensächlich sein.

Die von BIL bereitgestellten Open-Source-Softwarepakete enthalten unter anderem Programme zur Bildanalyse sowie diverse Tools zur Daten(typ)konvertierung. Letztere sollen insbesondere zu einer möglichst effizienten Nutzung der Datenbank beitragen. BIL stellt zwar Unmengen Daten bereit, versucht aber Redundanzen zu vermeiden. Um Rechenleistung und Platz zu sparen, speichert es zum Beispiel die Daten nicht in allen erdenklichen Formaten, sondern generiert die Formate unmittelbar auf Wunsch der Nutzerinnen und Nutzer. Besonderes Anwendungspotenzial sehen die Entwickler von BIL im Verknüpfen der Mikroskopiedaten mit anderen biologischen Daten und dem Aufspüren von Zusammenhängen und Mustern durch künstliche Intelligenz.

Gegenwärtig hält die BIL-Plattform, die Teil der BRAIN-Initiative der National Institutes of Health (NIH) ist, rund 7.000 Datensätze bereit, die von 45 Forschungsinstituten aus sechs Ländern stammen. Regelmäßige Trainings und ein Support sollen die Arbeit mit der Plattform erleichtern. Einfach mal ausprobieren.

Andrea Pitzschke

Kenney M. et al. (2024): The Brain Image Library: A community-contributed microscopy resource for neuroscientists. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.12.22.573024.

Bild: Pixabay/geralt





Letzte Änderungen: 17.01.2024