Editorial

Studierende als
Datenquellen

(10.01.2024) In Praktika produzieren Studentinnen und Studenten einen riesigen Datenfundus, der viel zu schade ist, um in vielen einzelnen China-Kladden zu verstauben.
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Der Aufwand, den umfangreiche Experimente mit sich bringen, relativiert sich schnell, wenn man die Versuchsdaten so effektiv wie möglich auswertet und nutzt. Joachim Goedhart, der mit seiner Gruppe an der Universität Amsterdam die Signaltransduktion von G-Protein gekoppelten Rezeptoren erforscht, versucht insbesondere die Visualisierung der Daten zu optimieren. 2019 stellte er ein einfaches Tool für die Datenvisualisierungen in Form von Dot-Plots vor (siehe dazu „Datenvisualisierung für alle“ auf LJ online), zwei Jahre später präsentierte er ein Upgrade, das die Auswertung von Reportergen-Assays mit multiplen Konstrukten erleichtert (siehe dazu „Transparente Datenvisualisierung“ auf LJ online). Mittlerweile hat er ein ganzes Kompendium von Protokollen zur Datenvisualisierung zusammengestellt (siehe Goedharts DataViz Protocols auf GitHub).

Editorial

Praktische Daten

Neben seiner Forschungsarbeit an den GPC-Rezeptoren betreut Goedhart auch ein Mikroskopie-Praktikum mit etwa hundert Studentinnen und Studenten, das auch die Aufarbeitung und Analyse der Bilder mit entsprechenden Imaging-Programmen beinhaltet. In dem Praktikum fallen Jahr für Jahr haufenweise Daten an, die die Studierenden brav in ihre Protokollhefte eintragen und dann vermutlich nie wieder anschauen. Dazu sind die Daten aber viel zu schade, dachte sich Goedhart und beschloss, sie auf einem zentralen Rechner zu speichern. Seine Idee: Die Daten sind nicht nur für eine statistische Auswertung interessant. Mit ihnen könnte man auch veranschaulichen, wie sich die Ausführung der Experimente und die Datenanalyse auf die statistische Auswertung und Interpretation der Ergebnisse auswirken. Wie er die Praktikumsdaten sammelt, aufarbeitet und visualisiert, hat der Molekularbiologe kürzlich in einem bioRxiv-Manuskript beschrieben (Link unten).

In dem Mikroskopie-Praktikum mussten die Studierenden unter anderem die mit Methylenblau gefärbten Zellen eines Mundabstrichs in einem Durchlichtmikroskop vermessen. Die Daten aus je zehn Messungen trug jede Praktikumsgruppe in ein Google-Dokument ein, das aus einer Tabelle mit vier Spalten bestand, in die Zeitpunkt, Nummer der Praktikumsgruppe, Zellgröße sowie Zellkerngröße eingetragen wurden. Der komplette Datensatz lässt sich herunterladen und mit der Programmiersprache R als CSV-Datei lesen. Er liefert die Grundlage für die Visualisierung der Daten auf einem Dashboard (siehe github.com/JoachimGoedhart/CellSizeR). Anhand verschiedener Grafiken des interaktiven Dashboards erhalten die Studierenden eine unmittelbare Rückmeldung, wie ihre eigenen Ergebnisse zu denen ihrer Vorgängergruppen passen.

Biologische und technische Varianz

Nach demselben Prinzip lassen sich auch Daten anderer Praktikumsexperimente sammeln und aufbereiten. Die Studentinnen und Studenten färbten beispielsweise HeLa-Zellen zunächst mit dem Thymidin-Analog 5-Ethynyl-2‘-deoxyuridin (5-EdU) und anschließend mit DAPI, um den Anteil der Zellen zu bestimmen, die sich in der S-Phase befanden. Dazu zählten sie die gefärbten Zellkerne entweder manuell oder mit einem Bildanalyse-Programm. Da einige der Praktikumsgruppen für diesen Versuch Zellen färbten, die von der selben Zellpassage stammten und zur gleichen Zeit behandelt wurden, andere Gruppen aber auch Zellen benutzten, die zu unterschiedlichen Zeiten passagiert wurden, lässt sich damit zum Beispiel der Unterschied zwischen biologischer und technischer Varianz verdeutlichen.

Goedharts Datenanalyse-Methode könnte über Praktika hinaus aber auch für Kollaborationsprojekte interessant sein, in denen die Daten verschiedener Gruppen gesammelt und analysiert werden.

Andrea Pitzschke

Goedhart J. (2023): Studentsourcing – aggregating and re-using data from a practical cell biology course. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.10.09.561479.

Bild: AdobeStock/sean (KI-generiert)





Letzte Änderungen: 10.01.2024