Editorial

Ruckzuck extrahierte
Proteine

(13.12.2023) Ein simples Einschritt-Protokoll liefert saubere Proteine für die Analyse des Proteoms mit Massenspektrometrie und 2D-Gelelektrophorese.
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Der Erkenntnisgewinn, den Wissenschaftler und Forscherinnen aus Analysen des Proteoms erhalten, steht und fällt mit der Qualität des von ihnen eingesetzten Ausgangsmaterials. Der verwendete Protein­extrakt sollte daher möglichst sauber sein, bevor er 2D-Gel­elektrophorese oder massenspektrometrische Analysen durchläuft. Spätestens zu diesem Zeitpunkt fliegen verunreinigte Proben auf.

Im schlimmsten Fall können diese zu Problemen in den Analyse­instru­menten führen, die letztlich die Detektion und die Identifikation der enthaltenen Proteine beeinträchtigen. Zell-, Gewebe- oder Organproben bestehen aber nun mal nicht nur aus Proteinen. Wie lassen sich also Nukleinsäuren, Lipide, Kohlenhydrate und all die anderen störenden Spielverderber am effektivsten loswerden?

Editorial

Schmerzhafte Verluste

Nach wie vor verwenden Forschende dazu Verfahren, die auf der Proteinfällung mit organischen Lösungsmitteln, etwa Trichlor­essigsäure-Aceton, Isopropanol und Phenol-Methanol, basieren oder auf dem Aussalzen mit Ammoniumsulfat. Welches Lösungsmittel am aussichtsreichsten ist, hängt von der konkreten Probe ab – in den seltensten Fällen taugen die individuell zusammengestellten Mischungsverhältnisse als Blaupausen für andere Proben. Mehrstufige Fällungen mit variablen Lösungsmittel-Konzentrationen erhöhen zwar die Reinheit, die Proteine dazu aber immer wieder zu solubilisieren, ist nicht trivial. Die Verluste während der einzelnen Schritte schmerzen, insbesondere wenn das biologische Material knapp, teuer oder schwer zu reproduzieren ist.

Srikanth Rapoles Gruppe am National Centre for Cell Science in Pune, Indien, entwickelte ein simples Protokoll, mit dem man Proteine aus Säugerzellen und -geweben in einem einzigen Schritt ohne Präzipitation extrahieren kann. Das Team testete die Technik an MDA-MB-231-Zellen, die als Modell-Zelllinie für Brustkrebs dienen. Die Forschenden trennten die kultivierten Zellen per Zentrifugation ab und wuschen sie dreimal in eiskaltem PBS-Puffer. Zum Zellpellet gaben sie einen Lysepuffer aus 7 M Harnstoff, 2 M Thioharnstoff und 10 mM Tris-Cl (pH 8,5) hinzu und mischten das Ganze durch sanftes Auf-und-ab-Pipettieren. Plante das Team mit den Proteinen Gel-basierte Analysen, ergänzte es den Puffer mit zwei Prozent des nicht-denaturierenden Detergens CHAPS, das die Solubilisierung von Membran­proteinen unterstützt.

Schlierenfreie Überstände

Nach einer dreißigminütigen Inkubation auf Eis zentrifugierten die Inder den Extrakt zwanzig Minuten mit 16.000 g. Danach sollten sich die Zelltrümmer im Pellet niedergeschlagen haben, während die Proteine im Überstand gelöst sind. In Letzterem traten jedoch horizontale Schlieren auf und er hatte eine gelartige Konsistenz. Hieran änderte auch eine längere Inkubation im Lysepuffer nichts. Das Team feilte an dem Protokoll und fügte dem Lysepuffer schließlich Protease-Inhibitoren sowie einen Nuklease-Mix hinzu. Nach Inkubation und Zentrifugation erhielten sie mit dieser Mischung schlierenfreie wässrige Überstände.

Genügte dieses einfache Protokoll bereits, um saubere Proteinproben für die Analyse mit 2D-Gel­elektrophorese und Massenspektrometrie (MS) zu erhalten? Rapoles Mannschaft trennte die Proteine in den Proben zunächst mit der 2D-Gel­elektrophorese. Dazu verdünnte sie 750 Mikrogramm der Proteinprobe in einem kommerziellen Puffer inklusive Dithiotreitol (DTT) und rehydrierte sie zwölf Stunden bei Raumtemperatur unter Luftabschluss. Der isoelektrischen Fokussierung schloss sich eine SDS-PAGE an. Einige der Coomassie-gefärbten Proteinspots schnitten die Forschenden aus und bereiteten sie für die Analyse mit der MALDI-TOF-Massenspektrometrie vor. Hierzu rehydrierten und dehydrierten sie die Gel­schnipsel zunächst abwechselnd in einem Wechselbad aus 25 mM Ammonium­bicarbonat sowie einem 2:1-Gemisch aus Acetonitril und 50 mM Ammonium­bicarbonat. Nach der Reduktion der Disulfidbrücken mit DTT folgte der Verdau mit Trypsin über Nacht. Die entstandenen Peptide konzentrierte das Team mit einer Speedvac und löste sie in 0,1 Prozent Trifluor­essigsäure (TFA). Damit waren sie bereit für die MS-Analyse (MALDI-TOF/TOF).

Mehr nukleäre Proteine

Alternativ verdaute die Gruppe die Proteine direkt in dem ursprünglichen Extrakt mit Trypsin. Hierzu verdünnte sie 50 Mikrogramm Protein mit einer 100 mM Ammonium­bicarbonat-Lösung, gab 2,5 Mikroliter Trifluor­ethanol sowie 0,5 Mikroliter DTT zu und inkubierte die Mischung 45 Minuten bei Raumtemperatur, um Disulfidbrücken zu reduzieren. Die Alkylierung der gespaltenen Disulfidgruppenreste bewerkstelligten die Forschenden mit Iod­acetamid. Nach der Aufkonzentrierung mit der Speedvac entsalzten sie die Proben mit C-18-Säulen und analysierten die erhaltenen Peptide mit der Flüssig­chromatographie-gekoppelten Massenspektrometrie (LC-MS/MS).

Im Vergleich zu einer konventionell aufbereiteten Probe erzielten die Forschenden mit dem neuen Protokoll eine bis zu 40 Prozent höhere Proteinausbeute. In der MS-Analyse identifizierten sie damit fast doppelt so viele Proteine wie mit der Vergleichsprobe. Die Probe bestand zu etwa zwei Dritteln aus zytoplasmatischen Proteinen und ungefähr zu einem Fünfzigstel aus extrazellulären Proteinen. Gegenüber der konventionellen Methode liefert das Protokoll der indischen Gruppe mehr nukleäre und weniger Plasmamembranproteine. Die Zahl der insgesamt identifizierten Proteine ist aber deutlich höher. Das zeigte sich auch in der 2DE-Elektrophorese. Mit dem neuen Protokoll konnten die Forschenden 2.670 Spots auf den Gelen identifizieren, mit dem traditionellen nur 1.354.

Das Extraktions-Verfahren eignet sich auch für Gewebeproben. Nach dem Aufschluss in flüssigem Stickstoff durchlaufen diese das gleiche Protokoll wie die Zellextrakte.

Andrea Pitzschke

Taunk K. et al. (2023): A single step and rapid protein extraction protocol developed for cell lines and tissues: Compatible for gel based and gel free proteomic approaches. Methods, 220: 29-37.

Bild: Masaru Kawakamia (Rev Sci Instrum, 83(8):084303)



Letzte Änderungen: 13.12.2023