Editorial

Vielseitiges „Fachwerk“-Mikroskop

(14.06.2023) Fachwerkhäuser baut man aus Holzrahmen. Benedict Diederich nutzt diese Bauweise für das Gerüst eines automatischen Fluoreszenzmikroskops.
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Fachwerkhäuser vs. Fachwerk-Mikroskop

Schenken lassen, schnorren oder verzichten – das sind die Optionen für all jene Dinge, die man sich im normalen Leben oder im Labor nicht leisten kann oder will. Do it yourself (DIY) als vierte und eleganteste Möglichkeit bleibt geschickten Bastlern und Konstrukteuren vorbehalten. Zu diesen zählt Benedict Diederich, der in Rainer Heintzmanns Gruppe am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT) in Jena eine Doktorarbeit anfertigt. Diederichs Steckenpferd sind selbst gebaute optische Geräte, insbesondere Mikroskope. Schon 2018 stellte er in einem Interview mit Laborjournal ein „Smartphone-Mikroskop“ vor. Zwei Jahre später präsentierte er mit seinen Kollegen vom IPHT die UC2 (You.See.Too)-Toolbox, mit der sich ein modulares Mikroskop aus 3D-gedruckten Teilen, optischen Komponenten und einigen elektronischen Bauteilen aufbauen lässt (Nat Commun, 11(1):5979).

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Würfel-Stockwerke

Untergebracht sind die einzelnen Komponenten des UC2-Mikroskops in kleinen würfelförmigen Rahmen, die an die Balken­konstruktion eines Fachwerk­hauses erinnern. Die einzelnen Würfel mit einer Kantenlänge von fünf Zentimetern werden in mehreren „Stockwerken“ zu einem stabilen dreidimen­sionalen Gerüst zusammen­gesetzt, in dem die verschiedenen Komponenten des Mikroskops Platz finden, etwa Objektive oder Laser. Die modulare Bauweise erlaubt es je nach gewünschtem Einsatz, Komponenten auszutauschen oder zu ergänzen.

Die aktuelle Evolutionsstufe von Diederichs UC2-Mikroskop ist ein automatisches Fluoreszenz­mikroskop, das auf der UC2-Konstruktion basiert, durch einige raffinierte Modifikationen aber auch für anspruchsvolle Imaging-Aufgaben in biowissen­schaftlichen Laboren geeignet ist. Konstruiert hat er es zusammen mit Ando Zehrer und Helge Ewers von der Freien Universität Berlin sowie Ana Martin-Villalba vom Deutschen Krebs­forschungs­zentrum in Heidelberg. Die kubusförmigen Rahmen fertigte das Team nicht mit dem 3D-Drucker, wie bei dem bisherigen UC2-Mikroskop, sondern per Spritz­guss­technik (Injection Molding). Der etwas höhere Aufwand zahlt sich aus, denn Spritzguss-Frabrikate sind stabiler, präziser und reproduzierbarer als Teile aus dem 3D-Drucker.

Für Moleküle und Zellen

Der Gruppe schwebte ein Fluoreszenz­mikroskop vor, das sowohl für die Lokalisierung von Einzelmolekülen geeignet ist als auch für Aufnahmen von lebenden Zellen über einen längeren Zeitraum – und das darüber hinaus auch noch leicht nachzubauen und bezahlbar ist. Um diese Anforderungen zu erfüllen, benötigte es einen starken Anregungs­laser sowie einen sensitiven Detektor und musste klein genug sein, um in einen Inkubator zu passen. Auch am Objektiv wollte die Gruppe nicht sparen und wählte daher ein Öl-Objektiv.

Das Instrument ist als inverses Mikroskop konzipiert, im untersten Stockwerk der Rahmen­konstruktion sind ein 635-Nanometer-Diodenlaser, eine Linse sowie ein Filter eingebaut. In der mittleren Ebene sorgen eine Linse und eine Kamera für die Detektion der Lichtsignale – via USB-Anschluss lässt sich die Kamera mit einem Computer verbinden. Der Probentisch ist auf der dritten und damit obersten Rahmen­ebene platziert (siehe Bild). Er wird mit dem 3D-Drucker hergestellt und lässt sich dadurch an verschiedene Probenformate anpassen. Mit zwei Drehknöpfen, die eine Steuerkette bewegen, wird die Position der Proben eingestellt. Dank der eingebauten Open-Source-Software ImSwitch (JOSS, 6(64), 3394) funktioniert das Ganze vollautomatisch. Das Programm arbeitet eine entsprechende Befehlsliste ab und steuert die Positionierungs-, Belichtungs- und Detektions­einheiten des Mikroskops. Der neu in das Programm integrierte Algorithmus microEye ermöglicht die eigenständige Justierung der Probenpostion sowie eine Autofokussierung.

93 Nanometer Auflösung

Das Team testete das DIY-Fluoreszenz­mikroskop zunächst an fixierten Säugerzellen, die Fluoreszenz-markiertes Tubulin enthielten. Anschließend nahm es Bilder von lebenden Zellen auf, deren Aktin-Proteine mit dem Farbstoff Silicium-Rhodamin gelabelt waren. Die Zellen verkrafteten die mehrere Stunden dauernden Aufnahmen unbeschadet. Auch in einem Inkubator funktionierten Lebendzell-Aufnahmen problemlos. Die Gruppe beobachtete zum Beispiel T98G-Krebszellen, die in feuchter Umgebung auf einem Deckgläschen wuchsen, eineinhalb Tage lang. Das DIY-Mikroskop war dabei mit einem USB-Kabel verbunden, das die Daten auf einen angeschlossenen Rechner übertrug.

Diederichs automatisches Fluoreszenz­mikroskop erreicht eine Auflösung von bis zu 93 Nanometern und ist auch für das Verfolgen einzelner Partikel (Single Particle Tracking) geeignet. Die Forscher und Forscherinnen demonstrierten dies anhand von transgenen Meerkatzen­zellen (CV-1), die auf der Membran-Oberfläche GPI-GFP-Moleküle (Glycosyl­phosphatidyl­inositol-Grün­fluores­zierendes Protein) exprimierten. Inkubierten sie die Zellen mit Streptavidin-Quantum-Dots, die mit Biotin-konjugierten Nanobodies gegen GFP gekoppelt waren, konnten sie die Quantenpunkte mit dem DIY-Mikroskop detektieren. Anhand der aufgezeichneten Fluoreszenz­signale gelang es der Gruppe, die Bewegungs­bahnen (Trajectories) einzelner GPI-GFP-Moleküle zu verschiedenen Zeitpunkten aufzuzeichnen.

Andrea Pitzschke

Zehrer A. et al. (2023): An open-source, high resolution, automated fluorescence microscope. bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.05.31.542706

Bild: Zehrer et al. & Pixabay/Taken




Letzte Änderungen: 14.06.2023