Editorial

Blätter produzieren
Bakterienkiller

(24.05.2023) Antimikrobielle Peptide könnten gegen multiresistente Keime helfen. Mit einigen Tricks lassen sie sich in Pflanzen im großen Maßstab produzieren.
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Die durch resistente Keime verursachte „stille Pandemie“ schreitet nach Angaben der OECD beharrlich voran. Manchem Pathogen ringen konventionelle Antibiotika kaum mehr ein müdes Lächeln ab. Um resistenten Pathogenen Einhalt zu gebieten, sind Wirkstoffe nötig, die genauso kreativ sind wie die Resistenzmechanismen der mikrobiellen Angreifer.

Von der belebten Natur kann man hier einiges abkupfern, denn schließlich kämpft sie schon seit ewigen Zeiten mit fiesen Keimen und hat entsprechende Abwehrmechanismen entwickelt. Zu diesen zählen zum Beispiel antimikrobielle Peptide (AMPs), die als vielversprechende Antibiotika der nächsten Generation gelten. Anders als konventionelle Antibiotika greifen AMPs nicht an einer biochemischen Reaktion beziehungsweise einem Enzym der Mikro­organismen an, sondern attackieren sie oft von verschiedenen Seiten aus. Ihre stärkste Waffe ist aber die Destabilisierung der Bakterien­membran. Wie hierfür geeignete, bis zu fünfzig Aminosäure lange AMPs aussehen müssten, ist in den über 3.500 Einträgen der APD3-Antimicrobial-Peptide-Database beschrieben. AMPs direkt aus dem Original­organismus zu isolieren, käme aber dem Melken von Mäusen oder Fröschen gleich und auch die Herstellung mit der Festphasen-Peptidsynthese im größeren Maßstab ist viel zu teuer.

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Spielverderber Proteasen

Günstiger und sauberer ist die heterologe Expression der AMPs in Bakterien- oder Hefezellen, die ebenfalls biologisch aktive AMPs liefert. Nochmal deutlich billiger wäre es aber, wenn man AMPs in transgenen Pflanzen wie zum Beispiel Tabak (Nicotiana benthamiana) exprimieren könnte. Bisher leidet die Produktion kürzerer Peptide in Pflanzen aber noch unter einer sehr mickrigen Ausbeute, für die vermutlich pflanzliche Proteasen verantwortlich sind. Proteasen kommen aber auch dem eigentlichen Einsatz der AMPs in die Quere – ein antimikrobielles Peptid, das von menschlichen Proteasen zerhäckselt wird, bevor es seine Wirkung entfalten kann, müsste man sehr hoch dosieren, was den Spielraum zwischen therapeutischem Effekt und Nebenwirkungen arg schmälern würde.

Peptidbasierte Hormone, etwa das Wehen-auslösende Oxytocin, wehren den Angriff von Proteasen durch alpha-Amidierung ab. Diesen Trick übernahm Magdy Mahfouz’ Gruppe an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien, um AMPs in N. benthamiana zu exprimieren. Das Team konzentrierte sich auf kationische AMPs, die mit ihren positiv geladenen Aminosäuren (Arg oder Lys) an die negativ geladenen Bakterien­membranen binden und sie danach mithilfe ihrer amphipathischen Helices und hydrophoben Reste destabilisieren.

Lieber ohne Signalpeptid

Die Gruppe startete mit dem 13 Aminosäuren langen Peptid VRLIVAVRIWRRG und zwei sehr ähnlichen AMPs, die jeweils einen für die Amidierung notwendigen C-terminalen Glycin-Rest enthielten. Für die transiente Expression in Agrobakterium-infiltrierten Blättern von N. benthamiana verzichtete das Team bewusst auf ein Signalpeptid für ein bestimmtes Organell. Ein solches würde die Isolierung unter Umständen zwar vereinfachen und vor cytosolischen Proteasen schützen, das Anhängsel könnte aber auch die Funktion des exprimierten AMPs stören.

Die drei Peptide fusionierte die Gruppe jeweils mit einem Strep-II-Tag sowie einer SUMO-Domäne und erhielt hierdurch das Konstrukt Strep-II-HA-Linker-bdSUMOEU1-AMP mit einem Glycin-Rest am C-Terminus. Der StrepII-Tag dient der Aufreinigung, doch welchen Zweck erfüllen die anderen Komponenten? Die AMPs sind sehr kurz und enthalten mehrere Leucin- und Arginin-Reste. Damit wären sie anfällig für den Abbau durch Proteasen im N-Endrule-Pathway und könnten von der exprimierenden Pflanzenzelle als „Signalpeptid“ miss­inter­pretiert und abgespalten werden. Strep-II- und HA-Tag verlängern die AMPs, der Linker verbessert ihre Bewegungs­freiheit bei der Aufreinigung. Die SUMO-Domäne SUMOEU1 aus dem Gras Brachypodium distachyon sorgt schließlich dafür, dass die dazugehörige SUMO-Protease die Fusions­peptide an der passenden Stelle schneidet. Außerdem sind in der SUMO-Domäne drei Aminosäuren ausgetauscht, damit sie nur von der Protease SENP/EuH erkannt wird.

Ernte nach sechs Tagen

Die Gruppe transformierte Agrobacterium tumefaciens mit Plasmiden, die die Fusions­konstrukte beherbergten, und infiltrierte mit diesem schließlich Tabakpflanzen. Sechs Tage nach der Infiltration erntete die Gruppe die Tabakblätter und extrahierte daraus die exprimierten AMP-Fusions­proteine. Nach einer Größen­ausschluss-Chromato­graphie poolte sie die AMP-haltigen Fraktionen und reinigte die AMPs danach mit einer RP-HPLC.

Für die Amidierung der AMPs nutzten die Forscher das bifunktionale Enzym PAM (Peptidylglycin-alpha-amidierende Monooxygenase). Im ersten Schritt oxidiert dieses den endständigen Glycin-Rest. Die hierdurch entstandene Hydroxyl­gruppe spaltet das Enzym Peptidyl-alpha-Hydroxy­glycin-alpha amidierende Lyase ab, wodurch das alpha-amidierte Produkt entsteht. Damit die Amidierung in transgenem Pflanzen­gewebe stattfindet, könnte man die AMP-Konstrukte zusammen mit Konstrukten zur Überexpression der beiden Enzyme transient exprimieren und die Blätter einfach mit zwei Agrobakterium-Kulturen gleichzeitig infiltrieren. Es erwies sich aber als einfacher und effizienter, transgene N.-benthamiana-Pflanzen zu generieren, die die Gene der Amidierungs­enzyme stabil im Genom trugen. Auf die Entwicklung der Pflanzen hatte dies keinen Einfluss, die transgenen Pflanzen sahen auch in der F4-Generation normal aus.

Um die amidierten AMPs in den transgenen Tabakpflanzen zu exprimieren, infiltrierte das Team die Pflanzen mit transformierten Agrobakterien. Anschließend extrahierte es die amidierten AMPs aus den Blättern. RP-HPLC-Analysen ergaben, dass etwa 80 Prozent der AMPs in amidierter Form vorlagen. Die Strategie funktionierte auch mit sieben weiteren AMPs beziehungsweise Peptiden, darunter auch ein amidiertes grün fluoreszierendes Protein.

ESKAPE-Pathogene ausgebremst

Die saudi­arabische Gruppe testete die in Pflanzen exprimierten amidierten AMPs zunächst in HEK293-Zellen. Bei einer Konzentration von 50 Mikrogramm pro Milliliter zeigten die Zellen keine Symptome, erst ab einer Konzentration von 100 µg/ml wirkten die AMPs schwach toxisch. Das Wachstum der sechs sogenannten ESKAPE-Pathogene Entero­coccus faecium, Staphylo­coccus aureus, Klebsiella pneumoniae, Acineto­bacter baumannii, Pseudo­monas aeruginosa und Entero­bacter-Arten bremsten sie dafür umso besser. Die nötige Dosierung hierfür lag zwischen 6,25 und 50 Mikrogramm pro Milliliter. Um die gleiche Wirkung mit Ampicillin oder Cefotaxim zu erzielen, sind ca. 200 beziehungsweise 100 Mikrogramm pro Milliliter nötig. Zudem war in den AMP-behandelten Mikro­organismen die Biofilm-Bildung teilweise oder sogar völlig unterdrückt. Während die Keime nach der Behandlung mit dem Kontroll-Antibiotikum Vancomycin erst nach zweieinhalb Stunden starben, ereilte sie der Tod mit den AMPs schon nach 30 bis 60 Minuten.

Eine Simulation der Gruppe ergab, dass man aus neun Tonnen Blattmaterial jährlich etwa 9,5 Kilogramm AMPs gewinnen könnte. Die geschätzten Produktionskosten würden bei etwa 74 US-Dollar pro Kilogramm AMP liegen – das wäre weitaus günstiger als die Expression in Bakterien und würde nicht einmal ein Promille des Betrages betragen, den man für die Festphasen-Peptid­synthese bezahlen müsste.

Andrea Pitzschke

Chaudhary S. et al. (2023): Efficient in planta production of amidated antimicrobial peptides that are active against drug-resistant ESKAPE pathogens. Nat Commun, 14(1):1464.

Bild: Charles Andres/Wikimedia Commons (CC-BY-SA 3.0) & Pixabay/jingturner8 (Bakterien)




Letzte Änderungen: 23.05.2023