Einfacher Assay ersetzt teure Instrumente
(01.03.2023) Über die Funktion von N-Acetylaspartat im Gehirn ist wenig bekannt. Mit einem Enzym-gekoppelten Fluoreszenz-Assay könnte sich das ändern.
Das Gehirn beherbergt Milliarden von Zellen und Molekülen und wie kaum ein anderes Organ reagiert es äußerst sensibel auf Störungen. Schon mikromolare Konzentrationsänderungen mancher Moleküle können gravierende Folgen haben, weil die Nervenzellen Reize nicht mehr angemessen empfangen, verarbeiten oder weitergeben können und verrückt spielen. Umso erstaunlicher, dass man über die Substanz N-Acetylaspartat (NAA), die im Gehirn sogar in millimolaren Konzentrationen vorkommt und somit zu den häufigsten Hirnmetaboliten überhaupt gehört, noch recht wenig weiß.
N-Acetylaspartat wird in Nervenzellen von der NAA-Synthase (Nat8I) synthetisiert und kommt außerdem im Myelin und in Oligodendrozyten vor, den Orten seines Abbaus. Dort setzt die Aspartoacylase (Aspa) NAA zu Acetat und Aspartat um. ASPA-Defizienz, etwa aufgrund eines angeborenen Gendefekts (Chromosom 17), äußert sich in Morbus Canavan, benannt nach der US-amerikanischen Ärztin Myrtelle Canavan, die die Krankheit 1931 zum ersten Mal beschrieb. Die seltene neurodegenerative Erkrankung äußert sich unter anderem durch ein Anschwellen der weißen Substanz und schwammigem Myelin.
Spektrometrische Diagnostik
Zu viel NAA ist also offenbar ungesund. Das Enzym NAAG-Synthetase kann NAA mit Glutamat zum Neuropeptid N-Acetylaspartylglutamat umwandeln. Um NAA und sein Zusammenspiel mit dem Neuropeptid verstehen und Therapien gegen den gestörten NAA/NAAG-Haushalt entwickeln zu können, muss man es zuallererst verlässlich detektieren. Im klinischen Kontext wird NAA bisher mit der Protonen-Magnetresonanz-Spektroskopie nichtinvasiv am lebenden Patienten gemessen. Die Geräte sind teuer und selten, das zugehörige Personal ebenso. Auch ist es recht tricky, in den Spektren NAA und NAAG zu unterscheiden, da die Peaks überlappen (Magn Reson Imaging, 34(3):239-45). Biochemische Analysen an Hirnproben-Material werden meist mit der Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS), der Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS) oder der Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (HPLC) durchgeführt, die allesamt für den Hochdurchsatz nicht geeignet sind.
Matthias Eckhardt von der Universität Bonn beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit NAA. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Ivonne Becker macht er sich die hohe Substratspezifität der Enzyme Aspartoacylase sowie L-Aspartatoxidase zunutze, um NAA sensitiv und genau mit einem enzymatischen fluorometrischen Assay nachzuweisen. Die Aspartoacylase akzeptiert als Substrat nur NAA, die L-Aspartatoxidase nur Aspartat. Beide Enzyme lassen sich rekombinant in E. coli (IPTG-Induktion) produzieren und isolieren. Damit wären die wichtigsten Akteure für den gekoppelten In-vitro-Assay beisammen.
Knifflige Probenvorbereitung
Zunächst hydrolysiert die Aspartoacylase das Substrat NAA zu Acetat und Aspartat. Letzteres greift die L-Aspartatoxidase auf und setzt es in Gegenwart von FAD/FADH2 zu Iminoaspartat um. Dass bei dieser Oxidationsreaktion mit jedem umgesetzten Molekül automatisch auch ein Molekül Wasserstoffperoxid entsteht, nutzen Becker und Eckhardt für den Nachweis von NAA. In Gegenwart von H2O2 oxidiert die Meerrettich-Peroxidase (HRP) den zugegebenen Farbstoff Amplifu Red. Dabei entsteht Wasser, Acetat und das fluoreszierende Resorufin.
Bei der Probenvorbereitung, die die Bonner mit Mäusehirn-Proben durchexerzierten, sind einige Kniffe zu beachten. Homogenisiertes Gewebe muss zunächst von Proteinen weitgehend befreit werden. Methanol-Extrakte enthalten jedoch noch endogenes Aspartat, das den Assay verfälschen würde. Es muss daher mit einem starken Kationenaustauschers aus den Proben entfernt werden, der auch andere primäre Amine beseitigt.
So sensitiv wie mit HPLC
Der NAA-Assay wird in Mikrotiterplatten durchgeführt. Wenn alle Komponenten (10 µl NAA-haltiges Extrakt plus Mastermix aus ASPA, L-Aspartatoxidase, HRP, FAD, DTT, Puffer, BSA) zusammenpipettiert sind, muss die Platte drei Stunden bei 25 Grad Celsius im Dunkeln stehen und wird danach im Fluorometer vermessen.
Die neue Methode ist etwa so sensitiv wie die Messung mit der HPLC, aber deutlich weniger empfindlich als die LC-MS-Detektion. Becker und Eckhardt untersuchten mit dem Assay Mäuse mit Defekten in den NAAG-Synthetasen Rimkla sowie Rimklb. Fehlte den Mäusen Rimkla oder Rimklb, fanden sie in den Hirnproben normale NAA-Spiegel. In Tieren mit zwei defekten NAAG-Synthetasen waren die NAA-Level hingegen um zehn Prozent reduziert.
Andrea Pitzschke
Becker I. & Eckhardt M. (2023): An enzymatic fluorimetric assay for determination of N-acetylaspartate. Analytical Biochemistry, 667:115083
Bild: Research Products International & Santiago Ramón y Cajal