Pasta mit bioprotektiven Bakterien
(16.11.2022) Frisch hergestellte Pasta hält sich gekühlt nur wenige Tage. Gibt man dem Nudelteig jedoch spezielle Bakterien zu, ist sie 30 Tage länger haltbar.
Trockene Nudeln haben einen Wassergehalt von maximal 13 Prozent, um sie möglichst lange und ohne Qualitätsverlust lagern zu können. Gekocht und entsprechend mit Wasser vollgesogen werden sie jedoch für viele Mikroorganismen zum Schlaraffenland. In mancher Wohngemeinschaft mit Abwaschphobie kann man hierzu wunderbare Wachstumsstudien durchführen.
Im Pasta-Land Italien verschmähen jedoch viele die vorgetrockneten Nudeln der Industrie und ziehen die Pasta von la mamma aus einem frisch gekneteten Nudelteig vor. Was sich in Italien „frische Pasta“ nennen darf, ist per Gesetz streng geregelt: Frische Pasta darf nur Hartweizen-Mehl (Semolina) oder ähnliche Mehle sowie Wasser enthalten; der Wassergehalt muss zwischen 24 und 30 Prozent liegen; und die Nudeln müssen bei 4 Grad Celsius gelagert werden. Die Haltbarkeit handgefertigter frischer Pasta ist auf zwei bis drei Tage beschränkt, industriell produzierte wird in der Regel erhitzt, um sie für 30 bis 90 Tage haltbar zu machen. Trotz der Hitzebehandlung beziehungsweise Pasteurisierung werden aber nicht alle Keime eliminiert, weil viele Sporen und auch manche Bakterien- sowie Hefestämme sehr robust sind.
Antimikrobielle Gasmischung
Maria De Angelis Gruppe von der Universität Bari entwickelte eine Technik, mit der sich das Ablaufdatum frischer Pasta ohne künstliche Konservierungsstoffe um 30 Tage hinauszögern lässt. Neben einer intelligenten Verpackung der Pasta unter Schutzatmosphäre spielen dabei sogenannte bioprotektive Mikroorganismen eine Hauptrolle.
Für ihre Pasta-Experimente stellte De Angelis’ Team kleine gedrehte Nudeln (Trofie) her, die sie unter einer Schutzatmosphäre aus Stickstoff und Kohlendioxid verpackte. Beim sogenannten Modified Atmosphere Packaging (MAF) wird eine Gasmischung zusammen mit den Nudeln in die gasdichte Verpackung gegeben, die die Vermehrung von Mikroorganismen unterbinden soll. Das Verpackungsmaterial spielt als hygienischer Schutz, aber auch für die langfristige Produktqualität eine entscheidende Rolle.
Die Italiener variierten sowohl das Verpackungsmaterial als auch das Verhältnis von Stickstoff und Kohlendioxid, um möglichst optimale Bedingungen zu finden. Am effektivsten erwiesen sich eine Plastikfolie auf Basis eines Polyamid-Ethylen-Vinyl-Alkohol-Copolymers sowie ein Verhältnis von Stickstoff zu Kohlendioxid von 60 zu 40. Das Kohlendioxid soll die Zellen lahmlegen, indem es Enzyme des Krebszyklus blockiert.
Bakterien im Fünferpack
Nachdem sie die Verpackung optimiert hatte, brachte die Gruppe die Mikroorganismen ins Spiel. Nicht irgendwelche, sondern etablierte kommerziell verfügbare „probiotische“ Bakterien mit antimikrobiellen Eigenschaften, die als gefriergetrocknetes Gemisch aus Lactobacillus acidophilus, Bifidobacterium animalis, Lactobacillus paracasei und Lactobacillus casei erhältlich sind. Die Mischung ergänzte sie mit dem sporenbildenden Bakterium Bacillus coagulans.
Das rehydrierte Mikroben-Quintett setzte das Team aus Bari in einer Pasta-Fabrik dem Hartweizen-Mehl (Triticum turgidum L. var. durum) zu und formte aus dem Nudelteig kleine Trofie, die sie bei 4 Grad Celsius lagerte. Anschließend untersuchten die Forscher und Forscherinnen, welche Keime auf der frisch hergestellten Pasta auftauchten. Dabei verglichen sie jeweils die mit Standardverfahren verpackte Pasta (Polyamid-Polyethylen-Verpackung, Verhältnis von Kohlendioxid zu Stickstoff: 20 zu 80) mit Pasta, die mit oder ohne zugesetzte Bakterien hergestellt und unter optimierten Bedingungen verpackt wurde.
Unterschiedliche VOC
Schimmel und Hefen traten nur beim Standardverfahren auf. Die Zusammensetzung der Mikroorganismen in der fertig verpackten Pasta war in allen drei Proben von Beginn an unterschiedlich. Beim klassischen Herstellungs- und Verpackungsverfahren, das die geringste Bakterien-Vielfalt beherbergte, stellte sich diese nach 90 Tagen markant um. Bei der modifizierten Technik blieb sie selbst nach 120 Tagen relativ stabil.
In extrahierten Proteinfraktionen (Albumine, Globuline, Gliadine und Glutenine) fand das Team aus Bari keine Unterschiede zwischen den drei Pasta-Proben. Auch Kohlenhydrat- und Fettgehalt sowie die in der Pasta enthaltenen Kalorien waren identisch. Deutlich anders sah es jedoch bei den flüchtigen organischen Substanzen (VOC) aus, die sich unter der Verpackung allmählich bildeten. GC-MS-Analysen bestätigten, dass die mit dem Standardverfahren hergestellte und verpackte Pasta einen Hang zum Ranzig-werden hatte – nach 90 Tagen tauchten bei ihr erhöhte Fettsäuren- und Aldehydwerte auf. Der Sauerstoffgehalt sank in der Packung sukzessive, während der Gehalt an Kohlendioxid stieg. In den beiden anderen Proben blieben die Gasanteile hingegen konstant. Die Zusammensetzung der VOC war in den drei Proben völlig verschieden, den höchsten Alkoholgehalt wies die mit den Bakterien behandelte Pasta auf.
Bakterien gegen Bakterien
Aerobe mesophile (30°C) Mikroorganismen traten hauptsächlich beim klassischen Herstellungsverfahren auf, unter den optimierten Verpackungsbedingung waren sie seltener und vermehrten sich nicht. Die wenigsten aeroben Mikroorganismen fanden die Italiener in der Pasta mit zugesetzten bioprotektiven Bakterien – offensichtlich werden sie von der Bakterien-Mischung erfolgreich eingedämmt. Die zugegebenen Bakterien vermehrten sich nicht, bremsten aber das Wachstum anderer Mikroorganismen durch antimikrobielle Substanzen und Fermentations-Produkte.
Etwa 30 Tage verlängert sich die Haltbarkeit von frischer Pasta mit den zugesetzten protektiven Bakterien. Ob die Bakterien-Pasta auch einen Geschmackstest besteht, hat die Gruppe aber nicht untersucht.
Andrea Pitzschke
Marzano M. et al. (2022): Extension of the shelf-life of fresh pasta using modified atmosphere packaging and bioprotective cultures. Front Microbiol, DOI: 10.3389/fmicb.2022.1003437
Bild: Popo le Chien (gemeinfrei)