Editorial

Präzise Genschere
gegen RNA

(27.07.2022) CRISPR & Co. sind vor allem als Genschere bekannt. Doch es gibt auch CRISPR-assoziierte Proteine mit RNase-Aktivität.
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Die „Genschere“ CRISPR-Cas9 ist inzwischen ein Standard­werkzeug im Baukasten der Molekular­biologie. Eigentlich ein prokaryotisches Virenabwehr­system (siehe dazu unser Stichwort des Monats „CRISPR“ von 2012), hat das Nobelpreis-Duo Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna zusammen mit anderen Forschern hieraus ein Verfahren entwickelt, um zielgenau DNA zu zerschneiden: Mit einer guideRNA oder crRNA findet eine CRISPR-assoziierte (Cas) Nuklease wie Cas9 ein komplementäres Stück DNA und schneidet dieses – sofern eine geeignete Basenfolge auf der Ziel-DNA direkt hinter der Bindestelle vorhanden ist, das Protospacer adjacent motif oder kurz PAM.

Es gibt außerdem Cas-Proteine, die RNA erkennen und schneiden. Prinzipiell kann man also auch Verfahren zum Knockdown von mRNA entwickeln. Mit der RNA-Interferenz (RNAi) gab es bereits eine etablierte Methode, um Transkripte direkt anzusprechen. Indem man doppel­strängige RNA in Zellen gibt, aktiviert man ein eukaryotisches (vermutlich vor allem antivirales) System, das RNA mit überein­stimmender Sequenz abbaut.

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Einige Nachteile mit RNAi

Allerdings treten bei der RNAi auch Off-Target-Effekte auf, weil oft zwei bis sieben Nukleotide für eine Bindung ausreichen; zufällige Überein­stimmungen mit anderen RNAs sind daher nicht selten. RNAi funktioniert nur im Cytoplasma, sodass man ausschließlich auf reife mRNA zielen kann. Und nicht bei allen Modell­organismen klappt das Verfahren gleich gut. Im Zebrafisch-Embryo kommt es durch den RNA-Abbau zu unspezifischen Entwicklungs­störungen, der Bäckerhefe fehlt die RNAi-Maschinerie komplett. Auf diese Nachteile weisen David Colognori, Marena Trinidad und CRISPR-Pionierin Jennifer Doudna von der Uni Kalifornien in Berkeley in einem aktuellen Preprint hin, den sie im Juni auf bioRxiv hochgeladen haben.

Es gibt aber auch CRISPR-Tools für den RNA-Knockdown, bisher allerdings mit Optimierungs­potential. Cas13 hat eine RNase-Aktivität, falls die crRNA an komplementäre RNA bindet. Dabei ist sie aber wenig wählerisch: Einmal aktiv, degradiert Cas13 auch jede andere RNA, die ihr in die Quere kommt. Sie schneidet also nicht nur cis auf der Nukleinsäure mit der komplementären Sequenz, sondern auch trans. Geeignet sind solche RNA-Scheren für den Nachweis von Viren, etwa mithilfe von SHERLOCK, um SARS-CoV-2-RNA in Proben nachzuweisen (siehe dazu auch „Speed Matters – auch bei SARS-CoV-2“ auf LJ online).

Bindung in geschützter Furche

Colognori et al. testeten den ebenfalls aus der bakteriellen „CRISPR-Welt“ stammenden sogenannten Csm-Protein-Komplex für den selektiven Abbau von RNA. An Csm sind eine Reihe von Untereinheiten beteiligt, aber das Entscheidende ist: die passende RNA bindet in einer geschützten Furche und wird auch nur dort zerschnitten. Somit sind keine Trans-Effekte zu erwarten. Zwar legt auch Csm einige nicht-selektive katalytische Aktivitäten an den Tag, wie etwa den Abbau einzel­strängiger DNA. Diese Funktionen, so schreiben das Trio, lassen sich aber leicht abschalten, weil sie auf separaten Domänen im Komplex ablaufen.

Um nachzuweisen, dass sich Csm für den gezielten Abbau ausgewählter RNA eignet, hat das Team sich für den Type III-A Csm-Komplex aus Strepto­coccus thermophilus entschieden. Als Gründe geben sie unter anderem an, dass dessen Struktur und biochemische Eigenschaften in der Literatur schon sehr gut beschrieben seien und der Komplex bei 37 Grad Celsius optimal funktioniere.

Zunächst zeigten sie an HEK-Zellen, dass die einzelnen Komponenten auch tatsächlich exprimiert werden. Über ein N-terminales Motiv konnten sie die Csm-Bauteile erfolgreich in den Zellkern lotsen. Die DNA war nicht fest im Erbgut verbaut, die Forscher hatten die Zellen mittels transienter Transfektion mit zusätzlicher DNA auf Plasmiden versehen. Sie waren also in einem Experiment nicht auf transgene Linien angewiesen, sondern konnten Csm zu einem selbst gewählten Zeitpunkt von außen zugeben.

Spezifisch aktiver Komplex

Die HEK-Zellen waren für die Experimente so verändert, dass sie eGFP exprimieren und normalerweise fluoreszieren. Hatten die kalifornischen Forscher das Csm-System mit crRNA gegen eGFP beladen, sahen sie einen 25-prozentigen Knockdown der Fluoreszenz. An dieser Stelle betonen sie in ihrem Manuskript, dass der Knockdown-Effekt unterschätzt sei, weil beim Transfizieren nicht alle Zellen Plasmide aufnehmen. Für einen Knockdown reichte es nicht, nur die crRNA allein zu verabreichen. Somit schließt das Team einen antisense-RNA-Effekt aus. Weiter zeigte es, dass die RNase-Aktivität für den Knockdown notwendig ist. Offenbar ist es wirklich der CRISPR-Csm-Komplex, der spezifisch aktiv ist.

Als optimale Länge der Erkennungs­sequenz auf der crRNA ermittelte das Trio 32 Basen. Dies könne aber theoretisch für andere Targets variieren. Auch ein Multiplexen mit zwei verschiedenen crRNA im selben Experiment, nämlich gegen eGFP und mCherry, war erfolgreich und führte zu einem 25-prozentigen Knockdown. Das Team konnte auch alle Komponenten auf einem einzigen Plasmid unterbringen, mit nur einem vorgeschalteten Promotor. Mit mCherry als Reporter, um speziell die transfizierten HEK-Zellen zu erkennen, beobachtete es einen 50-prozentigen GFP-Knockdown. Außerdem untersuchte die Gruppe den Effekt direkt auf RNA-Ebene und wählte elf Transkripte als Ziele in HEK-Zellen aus. Hier konnte sie einen mehr als 90-prozentigen Knockdown nachweisen.

Keine Trans-Effekte

Um die Zytotoxizität und Off-Target-Effekte abzuschätzen, führten die drei Forscher RNA-Sequen­zierungen durch, die das Transkrip­tionslevel unterschiedlicher Gene aufzeigten. Das Transkriptom blieb bei Csm vergleichbar mit dem unbehandelter Zellen – abgesehen vom Zielgen. Mit Cas13 versehene Zellen zeigten zwar ebenfalls einen deutlichen Knockdown der Ziel-RNA, jedoch mit einem stark veränderten Expressions­muster aller anderen Gene. Das bestätigt die bereits bekannten Trans-Effekte, die bei Csm aber offensichtlich nicht vorkommen.

RNA-Targeting via CRISPR-Csm bietet demnach die Möglichkeit, RNA ohne relevante Off-Target-Effekte zu degradieren. Während bei der RNAi die zelleigene Maschinerie zur Virenabwehr ausgenützt wird, sind hier nur die bakteriellen Komponenten aktiv. Als besonderen Vorteil hebt Doudnas Team hervor, dass mittels CRISPR-Csm auch RNA im Kern erreichbar ist und nennt eRNAs, tRNAs, rRNAs, circRNAs, miRNAs und snoRNAs als Beispiele.

Mario Rembold

Colognori D., Trinidad M. & Doudna J. (2022): Precise transcript targeting by CRISPR-Csm complexes. BioRxiv, DOI: 10.1101/2022.06.20.496908

Bild: Pixabay/viarami




Letzte Änderungen: 13.07.2022