PCR mit Stopp-Automatik
(06.04.2022) Viele PCRs produzieren zu viel des Guten und erhöhen so das Risiko von Carry-over-Kontaminationen. Ein smarter Thermocycler könnte das verhindern.
Positiv, oder vielleicht doch nicht? Eine kontaminierte PCR hat schon so manchen Fehlalarm ausgelöst, mit teils gravierenden Folgen. Mal schickt sie die Kripo in die Irre, weil ein vermeintlicher Serientäter überall Spuren hinterlassen hat, mal wandern hunderte Nichtinfizierte in die Quarantäne (die Falsch-Positiv-Rate bei COVID-19-RT-PCR-Tests wird auf 2,3 bis 6,9 Prozent geschätzt, medRxiv, DOI: 10.1101/2020.04.26.20080911).
Geht der Kontaminations-Spuk im Labor erst einmal um, dauert es mitunter Tage oder Wochen bis die Ursache gefunden ist. Von Puffer bis Pistil steht dann alles unter Verdacht. Doch selbst wenn der Störenfried entlarvt und ersetzt worden ist, dauert es nochmal eine Weile, bis das Vertrauen in Reagenzien, Geräte und PCR-Resultate zurückkehren.
Falsches Tube, falsches Ergebnis
Die größte Gefahr geht von Carry-over-Kontaminationen aus, die bei der PCR fast programmiert sind. Millionen von DNA-Kopien herzustellen, erhöht immer auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich einige an Orte verirren, an denen sie nichts verloren haben – etwa in falschen Tubes, im Inneren der Pipette oder in dNTP- und Primerlösungen. Mit verschiedenen Strategien versuchen die Experimentatoren dies zu vermeiden. Sie führen zum Beispiel die PCR sowie die weitere Verarbeitung der PCR-Produkte, etwa Agarose-Gel-Elektrophorese, Klonierung, Ligation etc., in getrennten Räumen durch und halten auch zwischen Utensilien und Reagenzien, die vor und nach der PCR benötigt werden, einen möglichst großen Abstand ein.
Zu den weiteren Vorsichtsmaßnahmen zählen Pipettenspitzen mit Filtern sowie das regelmäßige Bestrahlen des Arbeitsplatzes mit UV-Licht oder die Reinigung mit zehnprozentiger Bleiche. Zusätzlichen Schutz bietet das altbekannte UDG-System, bei dem die PCR oder Primersynthese mit dUTP anstelle dTTP abläuft (Gene, 93(1):125-8). Den Reaktionsansätzen wird Uracil-DNA-Glykosylase (UDG) zugesetzt, anschließend werden sie bei 37 bis 50 Grad Celsius inkubiert. In dieser Zeit zerlegt die UDG Uracil-haltige Amplikons, die eigentlichen Templates, die Thymin statt Uracil enthalten, nehmen keinen Schaden. Erst nach der Hitze-Inaktivierung der UDG startet man die PCR.
Idee für Hersteller
Aber selbst mit diesen Maßnahmen ist die Gefahr von Carry-over-Kontaminationen nicht gänzlich gebannt – und sie lösen das eigentliche Problem nicht, das aus Amplikons besteht, die im Mikrogramm-Maßstab von der PCR produziert werden, obwohl meist schon wenige Nanogramm für die weitere Verwendung ausreichen würden. Mustafa Ahmad Munawar von der University of Eastern Finland will das Problem an der Wurzel packen. Er schlägt den Herstellern von Thermocyclern in einem Gedankenexperiment vor, eine OptiStop-Funktion (optimal stopping of individual PCR reaction) in die Geräte einzubauen, die das Überschießen der PCR-Produkte verhindert. Die smarten OptiStop-Cycler sollen die Kopierzyklen in der PCR auf das Minimum begrenzen und nur so viele Amplikons produzieren, wie tatsächlich für eine analytische Fragestellung nötig sind. Jedes zusätzliche Molekül bringt keinen Mehrwert, sondern erhöht nur die Wahrscheinlichkeit für Kontaminationen.
Für die OptiStop-PCR müssen die Cycler einzelne PCRs in den Heizblöcken stoppen können, während andere noch weiter laufen. Das setzt voraus, dass die Geräte erkennen, in welchen Tubes ausreichende Mengen des PCR-Produktes entstanden sind und sie müssen entsprechend darauf reagieren. Munawar stellt sich als eine Möglichkeit vor, dass ein Roboter die jeweiligen PCR-Tubes während des PCR-Laufs aus dem Heizblock entnimmt. Eine weitere wäre, die unterschiedlichen Hitze-Beständigkeiten von Taq-Polymerase und DNA auszunutzen. In diesem Fall würden PCR-Tubes, in denen die Amplifikation die anvisierte Zielkonzentration erreicht hat, für fünf Minuten auf 97,5 Grad Celsius erhitzt werden. Die Polymerase hält diese Temperatur nicht aus, die DNA degradiert jedoch erst bei 100 bis 110 Grad Celsius.
Stopp je nach Weiterverwendung
Stellt sich natürlich die Frage, wann eine Amplifikation „fertig“ ist. Will man die PCR-Produkte nicht weiterverwenden, so sollten OptiStop-PCR-Geräte nach Ansicht von Munawar die Amplifikation beenden, sobald sie einen exponentiellen Signalanstieg registrieren. Schließt sich jedoch eine Gel-Elektrophorese oder eine Sequenzierung an, darf das Gerät erst pausieren, nachdem eine gewünschte Produktmenge erreicht ist. Zur Orientierung würde dem Cycler hierzu eine Standardreihe mit definierten Konzentrationen dienen.
Also liebe Hersteller von Thermocyclern: Lässt sich eine OptiStop-Funktion mit vernünftigem technischen Aufwand realisieren oder ist Munawars Idee zu kompliziert?
Andrea Pitzschke
Munawar M. (2022): Smart PCR machines can reduce the risk of carryover contamination. Biotechniques, 72(3):77-80
Bild: Pixabay/Hans