Tipp 247: Erst falten, dann fällen
Ammoniumsulfat-Fällung von DNA-Origami

Editorial

(09.03.2023) Proteine fällt man schon lange mit Ammoniumsulfat, um sie zu reinigen. Das Aussalzen scheint aber auch bei DNA-Origami zu funktionieren.

Aus einem simplen Blatt Papier lassen sich ein Kranich, eine Blume oder auch Meister Yoda aus Star Wars falten. Bei der Kunst des Papierfaltens, japanisch Origami, sind der Kreativität und Vielfalt fast keine Grenzen gesetzt. Das gilt auch für DNA-Origami: Ob Nanosensoren, molekulare Käfige für Medikamente oder DNA-Drähte in selbstassemblierenden Schaltkreisen – mit der richtigen Faltanleitung ist mit DNA-Origami (theoretisch) alles möglich. Die entstehenden komplexen, Nanometer-großen Strukturen weisen darüber hinaus auch andere Eigenschaften und Funktionen auf als genomische DNA.

246a
Adrian Kellers Team an der Universität Paderborn konstruiert DNA-Origami, die unter anderem auch als Transportvehikel für antimikrobielle Moleküle dienen sollen. Die Reinigung der DNA-Origami mit einer Salzfällung könnte die Arbeit deutlich vereinfachen. Videoausschnitt: Uni Paderborn

Grundlage der von Paul Rothemund im Jahr 2006 am Caltech in Kalifornien entwickelten Methode ist ein langer DNA-Einzelstrang, der als Scaffold-Strand bezeichnet wird. Durch kurze DNA-Klammern oder Staple-Strands, die an zwei Stellen des Scaffold-Strands binden, wird dieser in die gewünschte Form gefaltet. In einem selbstassemblierenden Prozess entstehen so komplexe Nanostrukturen. Durch ihre hohe Biokompatibilität und Stabilität sind DNA-Origami konventionellen Nanostrukturen überlegen. Außerdem ist es mit ihnen möglich, Moleküle mit Subnanometer-Genauigkeit anzuordnen.

Editorial

Um DNA-Origami in größerem Umfang anwenden zu können, müssen aber noch einige Hürden überwunden werden. Die größte Herausforderung ist die Ausbeute, die mit der Menge des verfügbaren Scaffolds korreliert.

Umständliche Reinigung

Zur Aufreinigung kann man zahlreiche klassische Methoden verwenden, etwa die Gel-Elektrophorese. Diese ist allerdings zeit- und arbeitsintensiv. Zudem können die verwendeten interkalierenden Farbstoffe die strukturellen Eigenschaften der DNA-Origami verändern. Die alternative Aufreinigung mittels Pull-down ist ebenfalls aufwendig – und man benötigt modifizierte DNA-Origami, um die Selektivität zu gewährleisten.

Doch warum bedient man sich nicht einfach bei den üblichen Proteinreinigungs-Methoden? Schließlich sind DNA-Origami in struktureller Hinsicht Proteinen ähnlicher als genomischer DNA. Analog zu Proteinen wird die DNA-Origami-Struktur durch spezifische und unspezifische Wechselwirkungen stabilisiert. Warum also nicht Ammoniumsulfat zum Aussalzen der DNA-Origami verwenden, fragte sich Adrian Kellers Team an der Universität Paderborn (Int. J. Mol. Sci. 23: 2817).

Das in der Hofmeister-Serie weit links stehende kosmotrope beziehungsweise anti­chaotrope Ammoniumsulfat wird routinemäßig für die Proteinreinigung eingesetzt. Die Ammonium- und Sulfat-Ionen binden Wasser-Moleküle und verhindern dadurch, dass die Struktur der Proteine durch Protein-Wasser-Wechselwirkungen stabilisiert wird. Letztendlich führt das Entfernen der Hydrathülle zum Ausfallen der Proteine.

Um zu testen, ob das Aussalzen auch bei DNA-Origami funktioniert, zentrifugierte Kellers Gruppe Lösungen mit DNA-Origami in Gegenwart von Ammoniumsulfat. Anschließend untersuchte sie die Fällung mittels UV-Absorption und Rasterkraftmikroskopie. Für die Experimente wählten die Paderborner drei unterschiedliche DNA-Origami-Strukturen aus: Eine Quasi-1D-Helix aus sechs Strängen, ein zweidimensionales Dreieck sowie eine dreidimensionale Helix aus 24 Strängen.

Gaben die Forscher Ammoniumsulfat bis zu einer Endkonzentration von 3 M zu, verzeichneten sie mittels UV-Absorptionsmessung sofort eine um 50 Prozent verminderte DNA-Konzentration in der Lösung. Dies deutete darauf hin, dass die DNA-Origami-Strukturen präzipitierten. Zentrifugierten sie die Lösung für 90 Minuten bei 14.000 RCF, verstärkte sich der Effekt: Die oberen 80 Prozent der Probe enthielten nur noch 20 bis 30 Prozent der eingangs hinzugefügten DNA-Origami. Die unteren 20 Prozent ließen sich hingegen nur schwer zu einer homogenen Lösung vermischen.

Aussalzen könnte funktionieren

Das waren klare Hinweise dafür, dass die Fällung von DNA-Origami-Nanostrukturen mit Ammoniumsulfat möglich ist. Die DNA-Origami reicherten sich aber nicht nur am Boden des Reaktionsgefäßes an. Es bildeten sich auch (halb-)feste Präzipitate.

Können diese Präzipitate auch wieder in Lösung gebracht werden?

Um dies abzuklären, fügte Kellers Mannschaft den unteren 20 Prozent der zentrifugierten Probe Ammoniumsulfat-freien Probenpuffer zu, bis das ursprüngliche Probenvolumen wieder hergestellt war. 40 bis 50 Prozent der ursprünglichen DNA-Origami gingen hierdurch wieder in Lösung. Bei den Kontrollen, die nicht mit Ammoniumsulfat behandelt wurden, betrug die DNA-Konzentration in der unteren Fraktion lediglich 20 Prozent des Ursprungswertes, was dem erwarteten Wert bei einer 1:5-Verdünnung entsprach. Mikroskopie-Aufnahmen bestätigten, dass die DNA-Origami während der Prozedur strukturell weitgehend intakt geblieben waren.

Schema der Reinigung von DNA-Origami durch Aussalzen mit Ammoniumsulfat
Schema der Reinigung von DNA-Origami durch Aussalzen mit Ammoniumsulfat. Die grünen Dreiecke symbolisieren zweidimensionale, dreieckige DNA-Origami-Strukturen mit Kantenlängen von 120 Nanometern. Illustration: AG Keller

Nur DNA-Origami präzipitieren

Das Aussalzen mit Ammoniumsulfat scheint selektiv für DNA-Origami zu sein. Keller und Co. beobachteten, dass genomische Lachshoden-DNA sich nicht mit Ammoniumsulfat ausfällen ließ: Die DNA-Konzentrationen in den oberen 80 Prozent und den unteren 20 Prozent waren nach der Zentrifugation weitestgehend gleich.

Die selektive Fällung motivierte die Gruppe dazu, mit der Technik DNA-Origami aus einem komplexen Gemisch zu reinigen, das genomische DNA im Überschuss enthielt. Nach dem Ausfällen und Resuspendieren beobachteten die Paderborner Forscher eine Anreicherung von DNA-Origami im Vergleich zur doppelsträngigen DNA. Durch Aussalzen mit Ammoniumsulfat lassen sich DNA-Origami präzipitieren, um sie zum Beispiel von überschüssiger Staple-DNA zu befreien oder von einem Puffer in den nächsten zu überführen.

Nach dem Aussalzen waren aber noch immer beträchtliche Mengen an doppelsträngiger DNA vorhanden. Es könnten also mehrere Präzipitationsschritte notwendig sein, um eine höhere Reinheit zu erzielen.

Noch nicht ganz perfekt

Die Paderborner weisen darauf hin, dass die Ammoniumsulfat-Aussalz-Methode noch nicht optimiert ist. Verbesserte Zentrifugationsbedingungen könnten beispielsweise zu einer höheren Ausbeute führen. Ob man mit der Technik DNA-Origami unterschiedlicher Struktur und Größe voneinander trennen kann, muss ebenfalls noch getestet werden. Hier wird eine Feinabstimmung der Ammoniumsulfat-Konzentration in Relation zum Molekulargewicht der Strukturen notwendig sein – ähnlich wie bei der Proteinextraktion aus Zelllysaten.

Man sollte zudem nicht vergessen, dass beim Aussalzen mit Ammoniumsulfat immer Rückstände des Salzes in der aufgereinigten Probe zurückbleiben. Bei der Proteinaufreinigung entfernt man das Salz mit einer Dialyse. Ob dies auch bei DNA-Origami notwendig ist, hängt davon ab, was man mit ihnen vorhat. Stört das Ammoniumsulfat dabei nicht, kann man sich die Arbeit sparen.

Mihaela Bozukova