Pfefferminzmomente

Erlebnisse einer TA (162)

Maike Ruprecht


Editorial

Die TA

Auf dem Rückweg von der Entsorgungsstelle rattere ich mit meinem leeren Rollwagen durch den Regen über den Warenhof. Dann betrete ich den Lastenaufzug und drücke die Taste für den ersten Stock. Nichts passiert. Ich gucke die Taste drohend an, haue mit dem Finger drauf – und endlich passiert etwas.

Eine junge Dame gesellt sich zu mir in den Aufzug, ebenfalls mit einem leeren Rollwagen. Sie drückt eine andere Taste. Nichts passiert. Weder leuchtet eine der von uns gedrückten Tasten noch schließt sich die Aufzugtür. Folglich fährt dieser auch nicht.

„Wie kriegen wir jetzt die Wagen zurück ins Gebäude?“, seufzt sie.

Ich überlege.

Editorial

Wir beide könnten problemlos die fünf Stufen der Außentreppe um die Ecke hinaufsteigen. Aber die Rollwagen nicht. In diesem Moment fällt mir eine Werbung aus den Neunzigerjahren für ein Pfefferminzkaubonbon ein. Darin standen die Hauptakteure stets ebenfalls vor einer mittelgroßen Widrigkeit, woraufhin sie besagtes Bonbon einwarfen und augenblicklich eine pfiffige Lösung für ihr Dilemma fanden. Das Ganze untermalt von lustiger Musik und Gesang.

Kreuz oder Schlitz

Mein letzter derartiger Moment an der Uni ist schon ein paar Jahre her, aber unvergessen. Damals versuchte ich mit unserem bioadministrativen Postdoc, irgendein technisches Gerät zu reparieren. Beziehungsweise er reparierte, und ich durchsuchte unseren Werkzeugkasten nach den von ihm benötigten Werkzeugen. Irgendwann kam seine Bitte:

„Gib mir mal einen Schraubenzieher!“

Ich warf einen Blick auf die zu lösende Kreuzschlitzschraube, kramte im Werkzeugkasten und meinte dann:

Editorial

„Der Kreuzschlitzschraubenzieher ist nicht da.“

„Dann gib mir halt den Schlitzschraubenzieher!“

Daraufhin starrte ich ihn erstmal zehn Sekunden regungslos an.

In meinem ganzen Leben bin ich noch nie auf diese Idee gekommen. Kreuzschlitzschrauben löst man mit einem Kreuzschlitzschraubenzieher. So gehört sich das! Wegen der Kraftübertragung, der Materialbeanspruchung und überhaupt.

Tatsächlich funktionierte es aber mit einem Schlitzschraubenzieher genauso gut. Und die Schraube hat sich auch nicht beschwert.

Jetzt, in der Aufzugkabine, habe ich zwar kein Pfefferminzkaubonbon, dafür aber einen Pfefferminzmoment. Natürlich könnten wir unsere Wagen 150 Meter ums Haus zum nächsten barrierefreien Eingang schieben. Aber warum sollten wir? Es regnet, und Rollwagenfahren auf Asphalt ist alles andere als angenehm. Nicht mal bei schönem Wetter.

„Unsere leeren Wagen sind nicht schwer. Tragen wir sie doch einfach jeden einzeln gemeinsam die fünf Stufen der Außentreppe hoch“, schlage ich vor.

Daraufhin starrt mich meine Fahrstuhlbekanntschaft erstmal zehn Sekunden regungslos an.

Dann lachen wir beide und tragen unsere Wagen in Handarbeit die Treppe hoch zurück ins Gebäude.

Hier nimmt meine neue Bekannte den Abzweig Richtung Chemie, und ich rolle lustig ohne Geratter ins Labor zurück.



Letzte Änderungen: 09.03.2023