Nippel und Lasche

Erlebnisse einer TA (161)

Maike Ruprecht


Editorial

Die TA

„Ich schicke Ihnen eine Transportkiste für Ihre Tischzentrifuge!“

Mit diesem Satz fing alles an.

Tags darauf kommt ein riesiger Pappkarton an, der wiederum einen kleineren Karton enthält – und der enthält einen noch kleineren Karton nebst Plastikbeutel. Russische Matroschka sind nichts dagegen.

Nachdem ich das kleinste Paket ausgeleert habe, liegen zwei weitere rätselhafte Gegenstände vor mir: Ein weißer, dicker Styroporzylinder und eine weiße Styroporleiste mit schwarzer Abschlusskante.

Mein geschulter Blick erfasst deren Zweck auf Anhieb: Transportsicherungen! Die kenne ich schon vom PCR-Cycler-Verpacken. Heute allerdings geht es um eine Tischzentrifuge – da betrete ich Neuland. Soll ich die Zentrifuge in den großen und den Rotor in den kleinen Karton packen? Und wo gehört dann der weiße Zylinder hin?

Editorial

Ich probiere ein wenig herum, aber nichts will so recht zusammenpassen.

Packe ich den weißen Zylinder in den Rotor, geht der Deckel nicht zu – und die kleine Kiste passt nicht in die große. Und wo bitteschön soll die Styroporleiste mit der schwarzen Abschlusskante hin? Intuitives Einpacken geht anders.

Eimeröffnen schwer gemacht

Ob ich den Vertreter anrufen und nach einer Anleitung fragen soll? Wegen einer Transportsicherung? Der hält mich doch für debil ...

Offenbar muss das Ersinnen von komplexen Verpackungen mittlerweile ein eigener Berufszweig sein. Nicht nur für Geräte, sondern auch für Chemikalien.

Neulich zum Beispiel kam eine altgediente Doktorandin mit der Frage zu mir: „Wie kriege ich denn den neuen Eimer Agar auf?“

Zuerst begriff ich gar nicht, was sie meinte. Konnte es wirklich so schwer sein, einen Eimer zu öffnen? Jedenfalls folgte ich ihr in den Chemikalienraum.

Editorial
Komplexes Einpacken

Der betreffende Eimer war rechteckig. An der Oberkante gab es einen breiten Überhang, den an einer unvermuteten Stelle die Aufschrift „Hier ziehen“ zierte. Damit hatte die Doktorandin auch bereits angefangen, nach wenigen Zentimetern jedoch aufgegeben, unsicher, ob ihr Tun nicht vielleicht doch Unheil anrichten könnte. Da ich diesbezüglich jedoch keinerlei Gefahr erkennen konnte, packte ich die Öse am Anfang des Überhangs und zog beherzt daran – wodurch sich das gesamte untere Drittel der Deckelunterkante des Eimers wie die Schale einer reifen Frucht löste. Hernach ließ sich der Restdeckel kinderleicht abnehmen und wieder schließen.

... Also fasse ich mir jetzt, wie kürzlich die Doktorandin, ein Herz, und bitte einen technisch versierten Doktoranden, mir beim Einpacken der Tischzentrifuge zu helfen. Zuerst begreift er gar nicht, was ich meine. Déjà-vu!

„Kann es wirklich so schwer sein, eine Zentrifuge einzupacken?“, fragt er. Dreißig Sekunden später kennt er die Antwort. Und während wir gemeinsam nach und nach die richtigen Positionen für Kegel und Abschlusskante finden, singen wir den Mike-Krüger-Evergreen: „Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen,,,“



Letzte Änderungen: 07.02.2023