Verzettelt

Erlebnisse einer TA (158)

Maike Ruprecht


Editorial

Die TA

In der letzten Septemberwoche entdeckte ich auf dem Rückweg vom Gewächshaus folgende Nachricht in der Frontscheibe zur Pförtnerloge: „Diese Woche keine Wäsche!“

Ob diese Anweisung nur für die Pförtner gilt? Oder für sämtliche Unimitarbeiter?

Mir hat jedenfalls keiner was von einem Wäscheverbot für diese Woche gesagt. Und eine entsprechende Rundmail gab es auch nicht.

Trotzdem wüsste ich gern, wie die Uni die Einhaltung eines solchen Verbots kontrollieren will. Womöglich durchstreift bereits ein neu ernannter Wäschekontrolleur die Gänge. Hoffentlich laufe ich dem nicht über den Weg, sonst gibt’s Ärger.

Wobei dies beileibe nicht der einzige rätselhafte Aushang auf dem Campus ist ...

Im Innenhof unseres Gebäudekomplexes gibt es nämlich einen hübschen Brunnen. Im Sommer kühlt er Füße, Bierkästen und Limonadenflaschen, im Winter wird er trockengelegt. Eigentlich schade, sonst könnten wir auch noch Schlittschuh darauf laufen.

Editorial
Volksglauben um Wäsche?

Vor ein paar Jahren wurden zu beiden Seiten am Brunnenrand identische Schilder angebracht mit der Aufschrift: „Kein Trinkwasser!“ Wahrscheinlich aus juristischen Gründen. Man will halt nicht riskieren, von jemandem verklagt zu werden, der – warum auch immer – dort zur Tränke ging und sich nun mit den gesundheitlichen Folgen herumschlägt.

Aber wozu das spätsommerliche Wäscheverbot?

Im Volksglauben soll es Unglück bringen, zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Januar, also zur Zeit der sogenannten Rauhnächte, Wäsche zu waschen und zum Trocknen draußen aufzuhängen. Angeblich beinhalten besagte zwölf Nächte das Risiko, dass sich in der frisch gewaschenen Wäsche Geister verfangen könnten.

Einen Volksglauben bezüglich des Nichttragens von Wäsche auf dem Campus einer Universität rund um Ende September konnte ich im Internet dagegen nicht finden.

In den südlichen Ländern Europas gibt es wiederum den Brauch, zu Silvester rote Unterwäsche zu tragen. Die Wirkung dieser farbigen Textilien hat es demnach in sich: Glück, Liebe, Gesundheit, Leidenschaft und Erfolg kann man damit für das neue Jahr erreichen. Allerdings nur – einen Haken gibt es ja meistens – wenn einem die Wäsche geschenkt wurde.

Editorial

Was ist aber nun mit dem Nichttragen von Wäsche im Dienst in der letzten Septemberwoche?

Gibt es diesbezüglich vielleicht doch irgendeinen Volksglauben? Was weiß denn ich, was sich Ende September so alles in der Wäsche am Körper verfangen kann?

Vielleicht muss man sich den dazugehörigen Volksglauben einfach selber basteln. Einen Do-it-yourself-Volksglauben sozusagen. Schließlich hat jeder Brauch irgendwo und irgendwann seinen Ursprung. Wie wäre es also damit:

In der letzten Septemberwoche ohne Wäsche auf dem Campus einer Universität zu wandeln, bringt Gesundheit, Glück und Fördergelder – aber nur, wenn man die nichtgetragene Wäsche zuvor verschenkt hat.

Ob die Leute wohl an so etwas glauben würden?



Letzte Änderungen: 07.10.2022