Alles entscheidende Routine
Produktübersicht: Manuelle Nukleinsäure-Extraktions-Kits

Manuelle Nukleinsäure-Extraktions-Kits im Überblickpdficon

Editorial

(15.02.2024) Ohne die kleinen Schächtelchen mit Silica-basierten Säulen oder Kügelchen für die Nukleinsäure-Extraktion kommt kaum ein Labor mehr aus. Kreative Köpfe erfinden dennoch immer wieder alternative Extraktionstechniken.

Wer DNA oder RNA für Diagnostik, Next-Generation-Sequencing, PCR oder qPCR, Genexpressions-Analysen, Metagenomikstudien oder eine der vielen weiteren angesagten molekularbiologischen Techniken benötigt, kommt nicht umhin, die Nukleinsäuren aus den jeweiligen Proben herauszufriemeln. In den Laboren von Pharmakonzernen oder universitären Core Facilitys erledigen diesen Job häufig Pipettierroboter oder spezielle Extraktionsautomation für Nukleinsäuren. Kleinere Forschungsgruppen können sich diese aber in den seltensten Fällen leisten, oder ihr DNA- oder RNA-Durchsatz ist so gering, dass sich die Anschaffung von Extraktionsautomaten nicht lohnt. TAs und Doktoranden müssen daher die Pipetten selbst in die Hand nehmen und die Nukleinsäuren manuell aus Zellen oder Geweben herausklamüsern. Erfahrene TAs spulen die dazu nötigen Arbeitsschritte im Schlaf herunter und kennen die einschlägigen Protokolle aus dem Effeff.

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Die klassische RNA-Extraktion mit Phenol/Chloroform ist auch in Zeiten von Nukleinsäure-Extraktions-Kits nicht totzukriegen. Foto: The Bumbling Biochemist

Der relativ simple Ablauf der Nukleinsäure-Extraktion sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Qualität der isolierten RNA oder DNA maßgeblich über das Wohl und Weh der damit geplanten Experimente entscheidet. Aus einer während der Isolation von RNasen geschredderten RNA kann auch ein High-End-Sequenzierer keine perfekte Sequenz mehr zaubern, und wenn die extrahierte DNA mit Enzym-Inhibitoren verunreinigt ist, streikt bei der qPCR selbst die robusteste DNA-Polymerase. Primäres Ziel der unterschiedlichen Extraktionstechniken ist daher, eine möglichst saubere und intakte RNA oder DNA zu erhalten – wenn die dazu nötigen Arbeitsabläufe auch noch einfach und schnell durchzuführen sind, umso besser.

Editorial

Neben hausgemachten Protokollen verwenden Forschende für die Extraktion oft manuelle Nukleinsäure-Extraktion-Kits, die alle benötigten Komponenten für die Isolation von DNA oder RNA in vorgefertigten Mischungen enthalten. Die überwiegende Mehrheit der Kits nutzt die hohe Affinität der bei sauren pH-Werten negativ geladenen DNA- oder RNA-Moleküle an positiv geladene Silica-Partikel für die Reinigung. Besonders stark ist die Bindung, wenn die Nukleinsäuren in einem Puffer mit einer sehr hohen Salzkonzentration gelöst sind. Die meisten Hersteller setzen dem Lysepuffer daher ordentlich Guanidinthiocyanat zu und schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Das in der Hofmeister-Reihe ganz rechts stehende Thiocyanat-Anion wird von Wasser kaum hydratisiert und löst daher in der Wasserstruktur des Lysepuffers ein ziemliches Chaos aus, dem die darin enthaltenen Proteine sehr schnell zum Opfer fallen. Durch die chao­trope Wirkung des Thiocyanat-Ions entfalten sie sich und werden schließlich denaturiert. Guanidinthiocyanat hält darüber hinaus auch noch DNase- oder RNase-Enzyme davon ab, an DNA- beziehungsweise RNA-Molekülen herumzuknabbern und diese abzubauen.

Nach der Bindung der Nukleinsäuren an die Silica-Oberfläche wäscht man Verunreinigungen mit einer Ethanol-Lösung ab und eluiert die Nukleinsäuren mit Wasser oder einem Tris-EDTA-Puffer von der Silica-Membran. Will man nur DNA oder RNA isolieren, zerhäckselt man die nicht gewünschte Nukleinsäure anschließend mit einer DNase respektive RNase. Nach diesem Grundprinzip funktionieren sowohl Silica-basierte Kits für die Extraktion von genomischer DNA als auch RNA. Bei speziellen RNA-Extraktions-Kits wird das Lysat mit Ethanol versetzt, um die Bindung von DNA an die Silica-Membran selektiv zu blockieren. Die Reinheit der mit diesen Kits extrahierten RNA reicht für die meisten Standardanwendungen aus. Benötigt man jedoch absolut saubere RNA, kommt man auch hier um eine zusätzliche DNase-Behandlung nicht herum.

Wenngleich Silica-basierte Spinsäulen und Kügelchen für die Nukleinsäurereinigung in den Laboren dominieren, experimentieren Forschende auch mit neuartigen Extraktionssystemen. Dazu zählen zum Beispiel Ionische Flüssigkeiten (IL). Besonders fasziniert von deren Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten in den Biowissenschaften ist die portugiesische Chemikerin Mara Guadalupe Freire Martins. An der University of Aveiro synthetisiert ihr Team Ionische Flüssigkeiten, die neuroprotektiv wirken und Nervenzellen vor schädlichen Einflüssen schützen sollen. IL eignen sich aber auch für die Extraktion von DNA und bewahren die DNA nach der Isolation offensichtlich auch vor dem Abbau durch DNase I (Sep. Purif. Technol. 315: 123646).

Das von den Portugiesen erdachte IL-Extraktionssystem ist eine Variante der sogenannten Dreiphasen-Partitionierung (TPP) mit wässrigen Zweiphasensystemen. Klassische TPP-Systeme bestehen aus einer organischen tert-Butanol-Phase, einer wässrigen Ammoniumsulfat-Phase sowie einer an der Phasengrenze gelegenen Interphase. Sie eignen sich zum Beispiel für die Reinigung von Proteinen, die sich in der Interphase ansammeln. Statt mit tert-Butanol und einer Ammoniumsulfatlösung etablierte die Gruppe die beiden Phasen der TPP mit einer Ionischen Flüssigkeit sowie einer Polymerlösung. Ionische Flüssigkeiten enthalten normalerweise kein Wasser und bestehen komplett aus Ionen. Dennoch schmelzen sie je nach Zusammensetzung bereits bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius oder sind sogar bei Raumtemperatur flüssig. Da viele IL biokompatibel sind und sich ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften maßschneidern lassen, sind sie für biologische Anwendungen ausgesprochen reizvoll.

Störenfried DNase fällt aus

Die Forschenden testeten für ihre DNA-Extraktionsversuche verschiedene IL, die als Kation Cholinium ((2-Hydroxyethyl)-Trimethylammonium; [N111 (2OH)]) und als Anionen zum Beispiel Chlorid, Bromid oder auch Glycolat [Gly] enthielten. Die Polymerphase bestand aus Polyethylenglycol (PEG) oder Polypropylenglycol (PPG). Tatsächlich reicherte sich die DNA in der IL-Phase an, die in der Regel die obere Phase bildete. Am effektivsten funktionierte die Extraktion mit der Kombination aus Cholinium-Glycolat und Polyethylenglycol mit einem Molekulargewicht von 400 Gramm pro Mol (PEG 400). Der Clou der Geschichte ist jedoch, dass DNase I an der von Cholinium-Glycolat und PEG 400 gebildeten Interphase ausfällt und denaturiert wird. Die gereinigte DNA ist hierdurch vor dem Abbau durch DNase I geschützt. Interessant ist auch der Preisvergleich der Gruppe zwischen IL-Extraktion und einem kommerziellen DNA-Extraktions-Kit. 25 Extraktionen mit dem Kit kosten etwa 350 Euro. Die Reagenzien für 25 Extraktionen mit der Ionischen Flüssigkeit erhält man bereits für circa 30 Euro, obwohl die für den kleinen Labormaßstab benötigten Mengen noch recht teuer sind. Würde man sie im großen Stil produzieren, wäre die IL-Extraktion sicher noch deutlich günstiger.

Ein ziemlich ausgefallenes, aber äußerst raffiniertes Verfahren für die Extraktion von mRNA aus einzelnen Zellen hat eine Gruppe um Julia Vorholt von der ETH Zürich sowie Bart Deplancke von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) ausgetüftelt (Nature 608: 733-40). Für die Erstellung transkriptomischer Profile einzelner Zellen benötigten die Forschenden eine Technik, mit der sie die Zellen während der mRNA-Extraktion am Leben halten konnten.

Mit klassischen auf der Zelllyse basierenden Extraktionsverfahren war da nicht viel zu holen. Die Schweizer kamen daher auf die Idee, die von Tomaso Zambellis Team an der ETH Zürich entwickelte Flüssig-Rasterkraftmikroskopie (FluidFM) für die RNA-Extraktion umzumodeln. Bei der Rasterkraftmikroskopie (AFM) tastet die pyramidenförmige Spitze oder Nadel eines nur wenige hundert Mikrometer langen Federelements beziehungsweise Cantilevers die Oberfläche der untersuchten Probe ab. Sogenannte x-, y- und z-Piezoelemente bewegen den Cantilever präzise in den gewünschten Nanometerschritten entlang der drei Raumachsen über die Probe. Ein auf die Rückseite des Cantilevers gerichteter Laserstrahl detektiert die Auslenkungen des Federelements und leitet die Signale an eine Recheneinheit weiter, die daraus ein dreidimensionales Bild der Probenoberfläche erstellt.

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Durch ein winziges Loch in der pyramidenförmigen Spitze des FluidFM-Cantilevers wird das Cytosol mit der darin enthaltenen mRNA für die Live-Seq-RNA-Sequenzierung angesaugt. Foto: ETH

Statt des üblichen massiv gearbeiteten Federarms montierte Zambelli einen ausgehöhlten Cantilever an das AFM, der wie ein hauchdünner Strohhalm oder eine Nanopipette funktioniert. Ein Kanal in seinem Inneren verbindet ein winziges Loch an der Cantilever-Spitze mit einer Ansaugvorrichtung. Wird ein Unterdruck angelegt, kann der Cantilever zum Beispiel eine Zelle anheben und an einer anderen Stelle wieder absetzen. Übt die Experimentatorin oder der Experimentator jedoch via z-Piezoelement etwas mehr Kraft auf die Cantilever-Nadel aus, kann diese auch in die Zelle eindringen und einige Pikoliter des Cytosols ansaugen. Offensichtlich ist der kleine Pikser für Zellen kein Problem – sie überstehen die Prozedur unbeschadet und leben munter weiter.

Nur ein Hauch mRNA

Aber wie schafft man es, aus einem Pikoliter Cytosol oder sogar nur Bruchteilen davon mRNA zu extrahieren? Mit viel Glück enthält der Pikoliter vielleicht ein paar Pikogramm RNA. Wenn man wie das Team um Vorholt und Deplancke vorhat, die mRNA zu sequenzieren, um ein Profil der Genexpression in lebenden Einzelzellen zu erstellen, sollte man also nicht zu viel mRNA bei der Extraktion verlieren. Die Forschenden gingen die Sache aber recht pragmatisch an. Nach dem Absaugprozess zogen sie die Cantilever-Spitze aus der Zelle heraus, spülten sie kurz in Wasser und trockneten sie danach an der Luft. Anschließend platzierte das Team einen Tropfen Lysepuffer in dem Näpfchen eines Glas-Slides, tauchte die Cantilever-Spitze hinein und presste das in den Cantilever gesaugte Cytosol mit leichtem Überdruck aus dem Kanal in den Tropfen. Letzteren konnte die Schweizer Gruppe schließlich wieder von Hand mit der Pipette in ein PCR-Röhrchen überführen und für die weiteren Schritte der geplanten RNA-Sequenzierung aufbereiten.

Da die Zellen die mRNA-Extraktion lebend überstehen, nennt die Gruppe das Verfahren Live-Seq. Weniger gut geht die Sache für Zellen aus, die mit einem der üblichen Nukleinsäure-Extraktions-Kits malträtiert werden, die Sie auf den nächsten Seiten finden. Aber wer hat schon ein Rasterkraftmikroskop im Labor rumstehen, mit dem er oder sie Nukleinsäuren aus einzelnen Zellen saugen kann?

Manuelle Nukleinsäure-Extraktions-Kits im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 1-2/2024, Stand: Januar 2024, alle Angaben ohne Gewähr)



Letzte Änderungen: 15.02.2024