Schützende Luftvorhänge
Produktübersicht: Sicherheitswerkbänke

Sicherheitswerkbänke im Überblickpdficon

Editorial

(18.04.2023) Moderne Sicherheitswerkbanke verhindern allein durch Luftströmungen, dass Proben kontaminiert werden und halten gleichzeitig Mikroben vom Experimentator fern. Durch herunterfallende Tropfen können aber dennoch Verunreinigungen in die Werkbank eingeschleppt werden.

Nicht wenige Biowissenschaftler sitzen den größten Teil ihres Arbeitstags an biologischen Sicherheitswerkbänken (SWB), strecken ihre Arme unter der schmalen Öffnung eines Glasschilds hindurch in einen von Edelstahlblechen oder Glasscheiben umrahmten Arbeitsraum und versuchen in diesem so gut es geht, mit den benötigten Laborutensilien oder Proben zu hantieren. Auf Dauer ist das ziemlich anstrengend und ermüdend, lässt sich aber nicht vermeiden: Die von der Raumluft abgeschottete Kabine der Sicherheitswerkbank schützt nicht nur den Experimentator vor Gefahren, wenn er zum Beispiel mit pathogenen Proben arbeitet. Sie verhindert bei entsprechender Bauweise auch Kontaminationen der Versuchsobjekte durch Keime oder andere unerwünschte Substanzen in der Umgebungsluft.

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Foto: University of Colorado

Geht es nur darum, den Experimentator vor den Proben zu schützen, reicht eine Sicherheitswerkbank der Klasse I aus. Diese schirmt die Proben aber nicht vor der Umgebungsluft und der größten Mikroben-Schleuder im Labor ab – dem Experimentator. Viele Gruppen legen sich daher gleich eine Sicherheitswerkbank der Klasse II zu, die sowohl die Proben als auch den Experimentator schützt. Abhängig von der Konstruktion sind diese in die Unterklassen A1, A2, B1 und B2 eingeteilt – in den meisten Laboren stehen Sicherheitswerkbänke der Klasse II A2.

Editorial
Hoher konstruktiver Aufwand

Der konstruktive Aufwand, den die Hersteller bei diesen betreiben müssen, ist deutlich höher als bei der Klasse I und erfordert viel strömungstechnisches Know-how. Um zu verhindern, dass die Probe mit der ungefilterten Raumluft in Berührung kommt, wird die Luft in die Arbeitsöffnung an der Vorderseite der SWB angesaugt (Lufteintrittsströmung). Direkt nach der Vorderkante wird sie durch ein Einströmgitter unter die Arbeitsfläche gezogen und strömt danach zur Rückseite der SWB. Der hierzu nötige Ansaugmotor ist im oberen Teil der Rückwand installiert und erzeugt in dem Strömungskanal einen Unterdruck. Das ist auch der wesentliche Unterschied zwischen den Unterklassen A1 und A2. Die Gebläsemotoren sind bei A1-Geräten am Boden der SWB platziert und produzieren einen Überdruck, der die Wahrscheinlichkeit für Leckagen und damit auch den Austritt gefährlicher Partikel aus dem Gehäuse der SWB deutlich erhöht. Diese Bauweise ist daher nicht mehr gebräuchlich.

Der Weg, den die eingeströmte Luft danach nimmt, ist aber bei beiden Typen mehr oder weniger gleich. Dreißig Prozent werden durch einen HEPA-Filter auf der Oberseite der SWB geleitet und danach über einen Abluftstutzen wieder in die Raumluft entlassen. Der restliche Teil wandert ebenfalls durch einen HEPA-Filter. Anschließend strömt er durch ein Gitter an der Decke der SWB-Kabine auf der ganzen Breite als Verdrängungsströmung senkrecht nach unten in Richtung Arbeitsfläche. Dort teilt sich der Luftvorhang und gelangt durch das Einströmgitter an der Vorderseite der Arbeitsfläche sowie ein gegenüberliegendes Gitter an der Rückwand der Kabine in den Luftkreislauf zurück.

In Geräten der Klasse II B1 wird nur die Hälfte der Luft in den Kreislauf zurückgeleitet, der andere Teil strömt in ein fest in das Gebäude installiertes Abzugsystem. Bei Klasse-II-B2-SWBs gelangt gar keine Luft in den Strömungskreislauf zurück, sondern wird zu hundert Prozent in einen Abzug geleitet.

Der nach unten strömende Luftvorhang umhüllt die Proben im Arbeitsraum der SWB und schirmt sie gegen die eintretende ungefilterte Laborluft ab. Gleichzeitig verhindert er, dass Partikel von der Probe durch die Öffnung an der Frontscheibe nach außen gelangen.

Unterschiedliche Normen

Die Stabilität des Luftvorhangs hängt maßgeblich von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Die Mindestwerte sind deshalb sowohl in der für Europa geltenden Norm EN 12469 als auch in der in den USA einzuhaltenden Norm NSF/ANSI 49 genau festgelegt. Die Europäer fordern 0,4 Meter pro Sekunde für die an der Arbeitsöffnung einströmende Luft und 0,25 bis 0,5 Meter pro Sekunde für die Verdrängungsströmung. Die US-Aufsichtsbehörden verlangen 0,51 Meter pro Sekunde am Einströmgitter der SWB, machen die Geschwindigkeit des Luftvorhangs jedoch von der jeweils verwendeten biologischen Testmethode abhängig. Das ist tatsächlich nicht der einzige Unterschied zwischen US- und EU-Norm. In der Regel halten die Hersteller aber beide Normen ein, die auch als Richtlinien in anderen Staaten dienen, etwa China oder Australien.

Wie weit man die Strömungsgeschwindigkeiten absenken kann, bis tatsächlich ein Risiko für den Experimentator und die Proben entsteht, wollte das Team eines deutschen Herstellers wissen. Die Gruppe stellte die Strömungsgeschwindigkeiten von zwei unterschiedlichen SWBs der Klasse II A1 auf 0,4 Meter pro Sekunde (Lufteintrittsströmung) sowie 0,35 und 0,45 Meter pro Sekunde (Verdrängungsströmung) ein. Anschließend reduzierte sie die Geschwindigkeiten in kleinen Schritten und zerstäubte dabei Sporen von Bacillus subtilis außer- und innerhalb der Sicherheitswerkbänke. Mit speziellen Agarplatten sammelte die Gruppe während des Versuchs Sporen ein, die den Luftvorhang überwinden konnten, und zählte schließlich die auf der Platte entstandenen B.-subtilis-Kolonien (Appl. Biosafe. 1-7).

Bei beiden Sicherheitswerkbänken stieg die Zahl der Kolonien signifikant an, sobald die Strömungsgeschwindigkeiten auf 0,2 Meter pro Sekunde sanken. Unterschritten sie diesen Wert, löste sich der Schutz für den Experimentator im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auf.

Luftverwirbelungen stören

Eine von äußeren Störungen völlig abgeschottete Sicherheitswerkbank ist im Labor ein ziemlich unrealistisches Szenario. Allein die Armbewegungen des an der Sicherheitswerkbank sitzenden Experimentators führen zu Luftverwirbelungen, die die Strömungen innerhalb der Werkbank empfindlich stören können. Wenn dann noch jemand im Eilschritt an der SWB vorbeimarschiert und dabei wild mit den Armen wedelt, gerät der Luftvorhang im Arbeitsraum der Werkbank schon mal ins Flattern.

Einen an der Werkbank sitzenden Menschen simulierte das Team mit einer Schaufensterpuppe, die es mit den üblichen Laborklamotten einkleidete. Der regungslose Dummy wirkte sich aber praktisch nicht auf die Luftströmung in der Werkbank aus. Der Grenzwert für den gerade noch ausreichenden Schutz lag auch hier knapp unter 0,2 Metern pro Sekunde. Bei einem Roboterarm, der sich in der Werkbank hin und her bewegte, oder bei einer Platte die vierzig Zentimeter vor der Glasfront entlanggeführt wurde und einen vorbeilaufenden Menschen nachahmen sollte, sah dies schon anders aus. Allein der Roboterarm erhöhte die gerade noch tolerierbare Strömungsgeschwindigkeit spürbar. Noch deutlicher war der Effekt bei der Platte. Hier konnten die Sporen den Luftvorhang bereits überwinden, wenn die Strömungsgeschwindigkeit nur zwanzig Prozent niedriger war als 0,4 Meter pro Sekunde.

Gefährliches Gedränge

Sich zu zweit oder gar zu dritt an eine Sicherheitswerkbank zu setzen, ist auch keine gute Idee. Zu diesem Ergebnis gelangte die Gruppe eines US-amerikanischen SWB-Produzenten. Das Team stellte mit Laborkitteln eingekleidete Schaufensterpuppen vor die SWB und verfolgte die Auswirkungen auf die Luftströmung in der Werkbank mit einer Nebelmaschine sowie dem oben erwähnten Sporen-Test. Die Gruppe spielte verschiedene Szenarien durch und positionierte dazu zwei oder drei Dummys vor einer 180 Zentimeter breiten Werkbank mit einer Arbeitsöffnung von zwanzig oder dreißig Zentimetern. Die Ergebnisse sind ziemlich unmissverständlich: Bei einer Arbeitsöffnung von dreißig Zentimetern sind schon zwei daran arbeitende Experimentatoren und auch die Proben nicht mehr ausreichend geschützt. Zwängen sich drei Personen vor die Werkbank, sind sie mit tiefer heruntergezogener Frontscheibe gerade noch sicher – für den Produktschutz reicht aber selbst die engere Arbeitsöffnung von zwanzig Zentimetern nicht mehr aus.

In Zellkulturlaboren sollen Klasse-II-Sicherheitswerkbänke vor allem Kontaminationen der Kulturen mit Mikroben aus der Umgebungsluft verhindern. Auf der Arbeitsfläche der SWB lauert aber häufig noch eine andere Gefahr: Beim Pipettieren von Medien oder Proben können winzige Tröpfchen auf der Oberfläche zurückbleiben. Sind diese mit Bakterien verunreinigt, drohen im schlimmsten Fall Kreuzkontaminationen der Zellkulturen mit den Mikroorganismen. Um dies zu verhindern, werden die Arbeitsflächen von Sicherheitswerkbänken penibel mit Desinfektionsmitteln, etwa Wasserstoffperoxid, behandelt oder mit einer UV-Lampe bestrahlt. Mit dem UV-Licht spart man sich zwar das permanente Wischen der Flächen. Die Wirkung ist aber unter Umständen eingeschränkt, wenn man es zum Beispiel mit UV-resistenten Bakterien zu tun hat.

Risiko Kreuzkontaminationen

Wie groß das Risiko kontaminierter Tropfen auf der Arbeitsfläche insbesondere für die Produktion von Zellkulturen in der Massenproduktion ist, untersuchte Ichiro Sekiyas Gruppe an der Tokyo Medical and Dental University (Regen. Ther. 22: 30-8). Zunächst musste sie die durchschnittliche Fallhöhe der Tropfen bestimmen. Dazu engagierten die Japaner sieben Freiwillige, die nach einem festgelegten Protokoll in der Sicherheitswerkbank zunächst mit einer 50-ml-Pipette ein Medium in einer Zellkulturflasche herstellten und dieses dann mit Zellen inokulierten. Anschließend dekantierten sie das Zellkulturmedium in einen Abfallbehälter. Drei der Probanden waren Zellkulturprofis mit mehr als vier Jahren Erfahrung, die restlichen vier waren blutige Anfänger. Mit einem an der Rückwand der SWB angebrachten Maßband sowie einer Kamera beobachtete Sekiyas Team, in welcher Höhe die Versuchspersonen mit der Pipette beziehungsweise der Zellkulturflasche hantierten und ermittelten daraus die durchschnittliche Fallhöhe der Tropfen.

Interessanterweise hielten die Anfänger Pipette und Flasche deutlich höher als die erfahrenen Experimentatoren – was nicht unbedingt schlecht sein muss, denn zu nahe an den offenen Kulturgefäßen sollte man auch nicht hantieren. Anhand dieser Daten legte die Gruppe schließlich eine maximale Fallhöhe von dreißig Zentimetern für die Tropfen fest. Mit einer 50-Milliliter-Pipette ließen die Forschenden danach Tropfen eines Zellkulturmediums aus einer Höhe von 10, 20 und 30 Zentimetern auf die Arbeitsfläche fallen und fotografierten das um den Aufprallpunkt herum entstandene Tropfenmuster.

Weit verstreute Tröpfchen

Die Auswertung der Bilder lieferte kein besonders erfreuliches Ergebnis. Von der Pipettenspitze lösten sich meist zwei Tropfen – ein größerer dicht gefolgt von einem deutlich kleineren. Stürzten sie aus einer Höhe von dreißig Zentimetern auf die Oberfläche der Werkbank, zerstreuten sich mehr als vierzig winzige Tröpfchen in einem Umkreis von einem halben Meter um die Aufprallstelle. Selbst wenn man das Malheur bemerken würde, nützte es also nichts, nur den heruntergefallenen Tropfen wegzuwischen.

Wie gut eine UV-Lampe Kontaminationen der Zellkulturen verhindern kann, untersuchte die Gruppe mit Zellen und Sporen von Bacillus subtilis sowie Aspergillus brasiliensis, die als besonders widerstandsfähig gegen UV-Licht gelten. Die Japaner schalteten dazu die interne 15-Watt-UV-Lampe der SWB an und maßen mit einem UV-Meter zunächst die UV-Strahlung, die an Front- und Rückseite sowie in der Mitte der Arbeitsfläche ankam. Anschließend testeten sie den Effekt der an diesen Stellen gemessenen UV-Strahlung auf B.-subtilis- sowie A.-brasiliensis-Kolonien. Dazu bestrahlten sie die auf Agarplatten ausgesäten Kolonien mit der gleichen UV-Intensität. Prasselte eine UV-Dosis von 50 bis 100 Millijoule pro Quadratzentimeter auf die Bakterien ein, was bei der Intensität der eingebauten UV-Lampe nach zehn bis zwanzig Minuten der Fall war, wuchsen die Kolonien nicht mehr weiter und verschwanden.

Sekiya et al. gehen daher davon aus, dass eine UV-Lampe in der Sicherheitswerkbank meist ausreicht, um Zellkulturen vor Kreuzkontaminationen zu schützen. Die Japaner betonen aber auch, dass die UV-Lampe eine gründliche Anleitung sowie regelmäßige Übung im Umgang mit Zellkulturen nicht ersetzen kann.

Sicherheitswerkbänke im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 04/2023, Stand: März 2023, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 18.04.2023