Auf starkem Expansionskurs - Expansionsmikroskopie

Mario Rembold


Editorial

(09.03.2023) Die Idee der Expansionsmikroskopie (ExM) ist simpel: Statt sündhaft teure hochauflösende Mikroskope anzuschaffen, um die Beugungsgrenze zu umgehen, vergrößert man einfach die Probe. Die geringeren Kosten sind aber nicht der einzige Grund, warum die ExM immer mehr Anhänger findet.

Unterhalb von 200 Nanometern endet die klassische Lichtmikroskopie. Nobelpreis-gewürdigte, aber sehr komplizierte und teure superauflösende Mikroskopie-Techniken wie dSTORM, PALM, SIM und STED umgehen diese Grenze durch blinkende Fluorophore oder ringförmige Laser. Deutlich einfacher auszutricksen, ist sie mit der Expansionsmikroskopie (ExM), die Edward Boydens Gruppe vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) vor acht Jahren vorstellte (Science 347(6221): 543-8).

Die Idee der ExM klingt überraschend trivial: Wie ein Gummibärchen im Wasser lässt man das Versuchsobjekt aufquellen, damit Abstände, die eigentlich unterhalb des Beugungslimits liegen, sichtbar werden. Dazu behandelt man die Probe mit Monomeren, die in die Zellen hinein diffundieren und dann zu einem Hydrogel, etwa aus Polyacrylamid, polymerisieren. Während es Wasser aufnimmt, expandiert das Gel gemeinsam mit dem eingebetteten Präparat.

Artikel zu Expansionsmikroskopie
Ohne Expansion ist die Organisation der grün oder magenta gefärbten Glycoprotein-IIb/IIIa-Komplexe in Thrombozyten mit einem Konfokalmikroskop nicht zu erkennen. Bläht man die Thrombozyten zehnfach auf, sieht man, dass die Rezeptoren in Clustern angeordnet sind. Foto: Gruppe Heinze

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Bei diesem Prozess muss man sicherstellen, dass das Gel die eingebettete Probe in alle Richtungen gleichmäßig „mitnimmt“, sie also isotrop vergrößert. Insbesondere Bindungen zwischen großen Proteinstrukturen muss man daher aufbrechen, weshalb standardmäßig Proteinase K zugegeben wird.

Mit den ursprünglichen ExM-Techniken ist eine Expansion um das Vier- bis Fünffache möglich, je nach Protokoll kann man inzwischen aber auch den Faktor zehn erreichen. Oder man bläht ein „Gel in einem Gel“ auf: Nach dem ersten Expansionsschritt lässt man ein zweites Monomer polymerisieren, das erneut aufquillt. Iterative Expansion nennt sich dieses Verfahren, bei dem sich die Expansionsfaktoren entsprechend multiplizieren und ein Aufblähen auf das 20-Fache möglich ist (Nat. Methods 14 (6): 593-9).

Aufgeblasene Zellen

Bei der ExM vergrößert sich die Probe ohne teure Technik wie von selbst, wodurch sie auch für kleine Gruppen interessant ist, deren Budget für superauflösende, aber auch superteure Mikroskope bei weitem nicht ausreicht. Darüber hinaus bietet die Expansionsmikroskopie Vorteile, wenn sich Proteine dicht nebeneinanderdrängen, zum Beispiel an Synapsen.

Luise Erpenbecks Gruppe an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster nutzt die Expansionsmikroskopie, um Immunzellen zu beobachten. In einer aktuellen Veröffentlichung zeigt Erpenbecks Doktorand Jason Holsapple, zusammen mit Kollegen von den Universitäten Bochum, Göttingen, Leiden und Duisburg, dass man mit der ExM auch Sensibelchen wie Neutrophile Granulozyten unter die Lupe nehmen kann (Biophys. Rep. (N Y) 3(1):100091).

Luise Erpenbecks Gruppe
Luise Erpenbecks Gruppe will mit der Expansionsmikroskopie herausfinden, welche Rolle das Chromatin-Netz von Neutrophilen bei Entzündungsprozessen spielt (Jason Holsapple, Meike Steinert, Luise Erpenbeck, Stefanie Deterin, Anne Schmitz, Thea Mara Husar). Foto: Uni Münster

„Neutrophile sind die Diven unter den Immunzellen und lassen sich nur schwer aufbereiten“, geht Erpenbeck auf die Herausforderung ein. Das beginnt damit, dass die Zellen mit rund zehn Mikrometern recht klein sind und auch der Zellkern nur zwei Mikrometer groß ist.

Der Zellkern der Neutrophilen ist für immunologische Fragestellungen aber besonders spannend. Aktivierte Neutrophile dekondensieren nämlich ihr Chromatin. „Neben der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies oder der Phagozytose ist das ein weiterer Abwehrmechanismus der Neutrophilen“, erläutert Erpenbeck. „Das Chromatin breitet sich dann zuerst in der Zelle aus und sprengt dabei den Zellkern. Irgendwann füllt es die Zelle komplett aus, rupturiert die Zellmembran und gelangt nach außen.“

Um das Vierfache aufgeblähte, mit S. aureus (grün) infizierte Zelle
Um das Vierfache aufgeblähte, mit S. aureus (grün) infizierte Zelle. Die grauen Tubulin-Fasern dienen zur Visualisierung der Wirtszelle. Foto: Marcel Rühling & Tobias Kunz

Das Chromatin wird zu einem klebrigen Netz, dessen Funktionen noch nicht im Detail erforscht sind. „Wir wissen, dass es Pathogene rein mechanisch und über elektrostatische Ladungen einfangen kann, es sind aber auch antimikrobielle Substanzen in das Netz eingelagert“, so Erpenbeck. Man nennt das Chromatin-Netz daher Neutrophil Extracellular Trap (NET). Erpenbeck ergänzt, dass NETs im Rahmen einer Infektion oder bei Autoimmunprozessen sowie bei bösartigen Erkrankungen manchmal zu viel des Guten sind. „Möglicherweise fördern sie auch die Blutgerinnung, und wenn sich gleichzeitig zu viele NETs bilden, können Thromben die Folge sein.“

Erpenbeck betrachtet die ExM nicht aus der Perspektive der Mikroskop-Entwicklerin, sondern als Grundlagenforscherin, die Entzündungsprozesse verstehen und sichtbar machen will. Die Neutrophilen sind nicht nur wegen ihrer geringen Größe optisch schwer zugänglich – sie unterscheiden sich auch durch ihre mechanischen Eigenschaften von anderen Körperzellen. So sind sie leicht verformbar, und auch der Kern ist sehr flexibel. Ein Grund dafür: Reifen Neutrophilen fehlen die Lamine A und C, zudem enthalten sie nur geringe Mengen Lamin B1 und B2. Hinzu kommt, dass der Experimentator nicht nur die Zellen bei der Präparation für die Mikroskopie erhalten muss – er sollte unter dem Mikroskop auch die NETs außerhalb der Zellen sehen können.

Bei klassischen superauflösenden Methoden sind spezielle Fluorophore nötig, um Abstände aufzulösen, die kleiner sind als 200 Nanometer. „In der Expansionsmikroskopie können wir aber die gleichen Fluorophore verwenden wie bei der üblichen Fluoreszenzmikroskopie“, nennt Erpenbeck einen Vorteil der Methode.

Erstmal herantasten

Ob die Expansionsmikroskopie auch für Neutrophile und deren extrazelluläre Chromatin-Netze geeignet ist, wusste die Gruppe zu Beginn ihrer Versuche nicht. Sie orientierte sich daher an einem klassischen ExM-Protokoll aus dem Jahr 2016, mit dem man eine vier- bis fünffache Expansion erreicht und hierzu die üblichen Antikörper und Fluoreszenzproteine einsetzen kann (Nat. Methods 13(6): 485-8). Es ging also nicht darum, methodisch das Rad neu zu erfinden. Die Münsteraner mussten zunächst überprüfen, ob die Expansionsmikroskopie mit den Allüren der Neutrophilen grundsätzlich zurechtkommt.

Untersucht man NETs mit der ExM, muss man sich darauf verlassen können, dass sich alle Komponenten des Chromatins isotrop ausdehnen und co-lokalisiert bleiben. „Die isotrope Expansion der DNA im Chromatin hat bisher niemand überprüft“, erläutert Erpenbeck. Das Team markierte daher Kerne und Chromosomen mit Antikörpern gegen Lamine sowie gegen Histone. „Um die DNA sichtbar zu machen, haben wir einfach mit Hoechst gefärbt, dem Standard-Fluoreszenzmarker für DNA“, ergänzt Erpenbeck. „Wir hatten in den Versuchen routinemäßig Doppelfärbungen mit Hoechst vorgenommen und konnten so verifizieren, dass die Verteilung mit den Proteinen übereinstimmt.“ Zusätzlich vermaß Erpenbecks Gruppe die Zellkerne vor und nach der Expansion, um sicherzustellen, dass die für Neutrophile typische individuelle Verformung des Kerns (Exzentrizität) erhalten blieb.

Bei der Expansionsmikroskopie kann der Experimentator die Antikörper zum Markieren und Färben entweder vor oder nach der Expansion zugeben. Beides hat Vor- und Nachteile, erklärt Erpenbeck. „Einige argumentieren, dass das Markieren sinnvoller ist, wenn man das Präparat schon expandiert hat, weil dann die Antikörper nicht leiden.“ Das würden sie im umgekehrten Fall, weil die eingesetzte Proteinase K Peptidbindungen aufbricht. Bei sehr dicht zusammenliegenden Epitopen hat das Labeln nach der Expansion zudem den Vorteil, dass Epitope für die Antikörper eventuell erst zugänglich werden.

„Bei uns hat das Post-Labeling aber nicht gut funktioniert. Wir haben daraus geschlossen, dass die Epitope für unsere Antikörper beim Expansionsprozess wahrscheinlich verloren gehen“, beschreibt Erpenbeck die Erfahrungen mit den Neutrophilen. „Deshalb haben wir uns für das Pre-Labeling entschieden“. Pauschal kann man also nicht beantworten, welches der beste Zeitpunkt für die Antikörper-Markierung ist. Erpenbeck nennt aber ein weiteres Argument für das Labeln vor der Expansion: „Man benötigt weniger Antikörper, weil das Volumen geringer ist. Gerade für kleine Forschungsgruppen ist das ja auch eine finanzielle Frage.“

Erpenbeck möchte die Expansionsmikroskopie künftig standardmäßig anwenden, um Leukozyten und insbesondere Neutrophile zu beobachten. Möglicherweise spart die Methode aber nicht nur Geld, sondern zeigt auch Eigenschaften dieser beiden Zelltypen, die mit anderen Verfahren verborgen bleiben. Erste Hinweise gebe es bereits, verrät Erpenbeck: „Wir sehen mehr Phasentrennungs-Phänomene bei Neutrophilen, als wir vorher dachten. Das Clustering bestimmter Proteinklassen scheint in Kern und Cytoplasma weit verbreitet, die sind gar nicht so homogen verteilt, wie wir vermutet hatten.“

Mit Ankermolekülen, die feste kovalente Bindungen zu den Gel-Polymeren herstellen, erreicht man, dass sich die Biomoleküle der Probe gleichmäßig mit dem Hydrogel ausdehnen. Dabei geht es in der Regel um Proteine. Um auch die Verteilung der RNA sehen zu können, musste man bis vor kurzem zusätzliche Ankermoleküle einsetzen und benötigte nicht selten zwei separate Reaktionsschritte für die Verankerungen. Im vergangenen Sommer stellte Edward Boydens Team mit dem uniExM-Verfahren jedoch Epoxypropylmethacrylat als Ankermolekül vor, das sowohl für Proteine als auch für RNA geeignet ist (bioRxiv, doi.org/jxk9; siehe auch laborjournal.de/editorials/2544.php).

Ganz ohne Verankerung

Vielleicht könnte die Frage nach dem passenden Anker sogar bald ganz der Vergangenheit angehören. Unter dem Namen Magnify präsentierte Yongxin Zhaos Gruppe an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA, eine „universelle molekulare Verankerungsstrategie“ (Nat. Biotechnol. doi.org/jxmb). Das Team erzielte eine bis zu 11-fache Expansion, Proteine, Nukleinsäuren und Lipide blieben erhalten. Zusätzliche Schritte zum Einbringen von Ankermolekülen sind nicht mehr notwendig. Der besondere Trick ist die Formulierung des Gels mit dem Aldehyd Methacrolein, das auch in klassischen Fixier-Protokollen eingesetzt wird. Methacrolein ist bei Magnify bereits im monomeren Gel enthalten und verankert die Biomoleküle während des Geliervorgangs im Hydrogel. Nach einem Proteinase-K-Verdau kann das Gel expandieren, vor der Expansion zugegebene Fluoreszenzmarker und Immunlabels bleiben erhalten.

Das Verankern der Biomoleküle im Hydrogel garantiert aber noch keine isotrope Expansion. Große Proteinverbände wie zum Beispiel Cytoskelett-Gerüste muss man aufbrechen, damit auch deren Koordinatensystem mit expandiert wird – und die Fluoreszenzmarker später die tatsächlichen relativen Abstände repräsentieren.

Fast unüberwindliches Bollwerk

Eine im wahrsten Sinne harte Nuss ist die Zellwand Gram-positiver Bakterien. Die Arbeitsgruppe des Mikrobiologen Martin Fraunholz an der Uni Würzburg versucht diese zu knacken. „Wir forschen an Staphylococcus aureus, der auch als Krankenhauskeim bezeichnet wird“, erklärt Fraunholz. Tatsächlich bringen die meisten Patienten den Erreger wohl selbst als zuvor unauffälligen Mitbewohner mit ins Krankenhaus.

Wahrscheinlich ist nicht die Antibiotika-Resistenz allein das Problem, sondern auch eine weitere Fähigkeit der Staphylokokken, auf die man erst in den letzten Jahren stieß. „Das Bakterium kann auch in Gewebezellen eindringen und liegt dann intrazellulär vor“, so Fraunholz. Dadurch entzieht es sich sowohl dem Immunsystem als auch diversen Wirkstoffen – die infizierten Zellen fungieren im Patienten als Trojanische Pferde. Fraunholz und seine Kollegen sahen die Erreger zum Beispiel in Zellkulturen auch schon in Endothelzellen, die normalerweise Blutgefäße auskleiden. „Wir wollen verstehen, wie die Staphylokokken aufgenommen werden, wie sie intrazellulär in den Vesikeln agieren, wie sie aus diesen ausbrechen und dann die Wirtszellen von innen heraus abtöten.“

Expansionsmikroskopie von grün gefärbten S. aureus
Expansionsmikroskopie von grün gefärbten S. aureus, die zum Teil in Membranen (magenta) der Wirtszelle gefangen sind. Die Membran wurde mit einem Antikörper gegen das Lysosomal Assoziierte Membranprotein 1 (LAMP1) markiert. Die freien S. aureus sind vermutlich aus den Vesikeln ausgebüchst. Foto: Marcel Rühling & Tobias Kunz

Die Peptidoglycan-Ketten in den Zellwänden der Staphylokokken sind kreuz und quer miteinander verbunden und chemisch sowie physisch sehr stabil. Über die Expansionsmikroskopie als Tool in seinem Labor hatte Fraunholz deshalb vor einigen Jahren noch nicht ernsthaft nachgedacht. „Die Peptidoglycan-Ketten setzen der Expansion einen großen Widerstand entgegen, das ist ganz anders als bei einer Zellwand von E. coli, die man mit Lysozym knacken kann“, schildert Fraunholz seine anfänglichen Bedenken.

Es sei sein Doktorand Marcel Rühling gewesen, der unbedingt einen Weg finden wollte, mit Staphylokokken infizierte Zellen auch für die Expansionsmikroskopie zugänglich zu machen. „Ich habe ihn einfach mal machen lassen“, erinnert sich Fraunholz und Rühling ergänzt: „Ich habe vorher schon mit Tobias Kunz zusammengearbeitet, der die Expansionsmikroskopie bereits für andere Bakterien etabliert hatte.“ Der Ehrgeiz war nicht vergebens, denn vor zwei Jahren konnte das Team ein Protokoll zur Expansionsmikroskopie an S. aureus vorstellen – mit Kunz und Rühling als Erstautoren (Front. Cell Infect. Microbiol. 11: 644750).

Kunz hatte Erfahrung im Expandieren pathogener Gram-negativer Bakterien. Bei einigen reichte ein Proteinase-K-Verdau, speziell für Neisseria gonorrhoeae braucht es zusätzlich Lysozym. Dem Gram-positiven S. aureus musste das Team aber außerdem noch mit Lysostaphin zu Leibe rücken. „Lysostaphin verwenden wir standardmäßig auch, wenn wir DNA aus den Staphylokokken isolieren, denn auch da muss man ja die Zellwand vorher knacken“, erklärt Rühling. „Oder wir geben das Enzym zu, wenn wir wollen, dass nur die intrazellulären Bakterien überleben“, nennt er ein weiteres Beispiel. Lysostaphin wird auch medizinisch angewendet, um oberflächlich Staphylokokken abzutöten. Das Enzym greift an Pentaglycin-Motiven an, die in den Peptidoglycan-Verknüpfungen von S. aureus besonders zahlreich vorkommen und wesentlich zur Stabilität der Zellwand beitragen.

Lysostaphin stand also von Beginn an auf der Liste der Reagenzien, um die Proben für die Expansion vorzubereiten. Doch zunächst blieben die Staphylokokken widerspenstig. „Ich bin eher zufällig auf die Idee gekommen, bereits vor dem Färben Lysostaphin zuzugeben, und danach ein zweites Mal“, erinnert sich Rühling an den Wendepunkt. „Das war der kritische Schritt, der zum Game Changer wurde. Warum wir diese doppelte Behandlung brauchen, verstehen wir aber bis heute nicht im Detail.“ Manchmal sind also eine Menge Geduld beim Herumprobieren und die richtige Portion Glück nötig, um eine Methode zum Laufen zu bringen.

Damit gelang auch die isotrope Expansion sowohl der frei lebenden als auch der intrazellulären Bakterien. „Der Vorteil der Staphylokokken ist, dass sie mehr oder weniger perfekt rund sind“, sagt Rühling und führt weiter aus, „wir konnten dadurch sofort sehen, wenn die Zellwand nur teilweise verdaut war und die Bakterien während der Expansion aufplatzten. In diesen Fällen mussten wir dann noch mal am Protokoll nachbessern.“

Beim Markieren mit Antikörpern ging es zunächst darum, die Bakterien sichtbar zu machen. Der verwendete Staphylokokken-Stamm exprimierte GFP, das mit einem GFP-Antikörper gelabelt werden konnte. „Das von den Bakterien exprimierte GFP wird nämlich bei der Behandlung und Expansion zerstört“, begründet Rühling. „Wir haben außerdem mit einem Antikörper gegen Lipoteichonsäure gefärbt, das ist ein Oberflächen-Antigen auf Staphylokokken.“ Künftig möchte Rühling auch Lipide markieren. Die sind mit anderen superauflösenden Methoden nur schwer zugänglich, weil sie in den Membranen zu dicht beieinanderliegen. „Wenn man sich die Lipide anschaut, ohne sie zu expandieren, sieht man eigentlich nur einen Brei“, veranschaulicht Rühling.

Endothelzellen als Phagosomen

Mit der Expansionsmikroskopie wollen die Würzburger unter anderem auch Phagosomen untersuchen – also jene Vesikel, über die die Staphylokokken in die Zellen aufgenommen werden. Fraunholz stellt hierzu klar, dass sie den Begriff „Phagosom“ eher aus pragmatischen Gründen verwenden. „Immunologen würden dabei die Stirn runzeln, weil ja die Endothelzellen keine Phagozyten sind. Andererseits galten Staphylokokken mit einer Größe von fast einem Mikrometer eigentlich als viel zu groß, um per Endozytose aufgenommen zu werden, also homologisieren wir die Begriffe und sprechen von Phagosomen.“

Wie weit man es mit der Expansionsmikroskopie treiben kann, zeigten kürzlich Ons M’Saad, Michael Shribak und Joerg Bewersdorf von der Yale University (bioRxiv, doi.org/grnshd). Zwei Jahre zuvor hatten M’Saad und Bewersdorf bereits die sogenannte Pan-ExM-Technik vorgestellt, die eine bis zu 21-fache iterative Expansion ermöglicht. Das Expansionsverfahren soll den größten Teil der Proteine erhalten, die Autoren sprechen von einem „Whole-Proteome-Labeling“. Ziel sind die primären Amine auf den Proteinen, also deren frei zugängliche NH2-Gruppen. Diese werden chemisch modifiziert und so für die spätere Farbmarkierung vorbereitet.

Die Idee von Pan-ExM ist, durch das unspezifische Anfärben des gesamten Proteingehalts einzelne Organellen sichtbar zu machen – und dank der Expansion auch Ultrastrukturen. Allerdings braucht man dafür noch immer ein Mikroskop und die Fluoreszenz-Anregung. In ihrem aktuellen Manuskript weist die Gruppe aus New Haven aber darauf hin, dass die verwendeten HeLa-Zellen von ursprünglich 40 Mikrometern linear auf 800 Mikrometer ausgedehnt werden – und damit eigentlich für das bloße Auge sichtbar seien. Allerdings sind auch die Proteine entsprechend verdünnt. Weil die Moleküle in den Zellen in einem dreidimensionalen Volumen verteilt sind, verringert sich ihre Konzentration nicht etwa um den Faktor 20, wie es der linearen Expansion entsprechen würde, sondern um das 8.000-Fache (203).

Die fertigen Präparate sind also nahezu transparent. Ein simples Anfärben der Proteine würde daran nichts ändern, weil der Kontrast für das menschliche Auge zu gering ist. Mit einer Polymerisierungs-Reaktion konnten M’Saad et al. die eigentliche Farbreaktion aber so verstärken, dass das Gel um die expandierten Proteine herum auch für das bloße Auge lichtundurchlässig wurde. Daher bekam die Methode den Namen Unclearing Microscopy.

In ihrem Manuskript zeigen die Autoren expandierte bräunlich gefärbte HeLa-Zellen auf einem Objektträger, fotografiert mit der Kamera eines Smartphones. Die meisten Zellbiologen werden aber wohl auch künftig auf die Fluoreszenzmikroskopie zurückgreifen, wenn sie die Expansionsmikroskopie einsetzen. Zumal sie sich auch mit anderen superauflösenden Verfahren kombinieren lässt, um gemeinsam mit STED oder dSTORM einen zusätzlichen Vergrößerungsfaktor zu erzielen. Trivial ist das jedoch nicht, weil zum Beispiel die einzelnen für ExM sowie STED oder dSTORM verwendeten Puffer nicht zusammenpassen.

Ideenreiche Erfinder haben dieses Problem aber mit der ONE-Mikroskopie gelöst, die wir in LJ 9/2022 in einem Neulich-an-der-Bench-Artikel ab Seite 70 (Link) vorgestellt haben (bioRxiv, doi.org/jxmc). Die optische Superauflösung funktioniert in diesem Fall dank einer Software, die Symmetrien der Bildpunkte analysiert. Ein klassisches Konfokalmikroskop reicht für die ONE-Mikroskopie also aus.