Quadrate mit eingebautem Lichtschalter

(04.01.2023) Analyte im Lateral-Flow-Format bewegen sich nur in eine Richtung, das schränkt ihre Anwendungen ein. Besser geht’s mit Test-Zonen und Optogenetik.
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Editorial

Kratzen im Hals, verstopfte Nase, Glieder­schmerzen. Das ist doch nicht etwa …? Zügig den Schnelltest hervorgeholt, Stäbchen in die Nase, ein paar Minuten warten und schon kann man das Ergebnis ablesen. Die Unmittelbarkeit der SARS-CoV-2-Schnelltests führt uns die Bedeutung der sogenannten Patienten-nahen Labor­diagnostik (Point-of-Care Diagnostics, POC) deutlich vor Augen. POCs sind Diagnose­verfahren, die nicht in einem Zentrallabor durchgeführt werden, sondern direkt im Krankenhaus, in der Arztpraxis oder Apotheke – oder auch zu Hause beim Patienten. Weitere Beispiele für POCs sind Schwangerschafts- oder Blutzuckertests für Diabetiker, aber auch das Messen von Notfall­parametern wie Blutgas- oder Blut­gerinnungs­werte auf Intensiv­stationen.

Zu den gängigsten Point-of-Care-Methoden zählen Lateral-Flow-Tests, die auf einer Kombination aus Dünnschicht-Chromato­graphie und Immun­detektion beruhen. Da sich die Probe auf dem Streifen aber nur in eine Richtung, also unidirektional, bewegt, ist die Anwendungs­breite dieser Tests eingeschränkt. Die bidirektionale Wanderung in beide Richtungen ist bisher nur mit komplexen Mikrofluidik-Geräten möglich, die aus teuren und sperrigen Pumpen oder Durchfluss-Regel­systemen bestehen, deren Betrieb zudem eine Energiequelle erfordert.

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Pflanzliche Proteine im Rotlicht

Das Team des Bioingenieurs Can Dincer vom Institut für Mikrosystem­technik der Universität Freiburg will dieses Problem aus dem Weg räumen. In einem auf bioRxiv veröffentlichten Preprint stellt es einen Licht-gesteuerten OptoAssay vor, bei dem sich die detektierten Biomoleküle bidirektional bewegen können und keine zusätzlichen Wasch-Schritte oder externe Vorrichtungen zur Flusskontrolle nötig sind.

Der OptoAssay basiert auf der Licht-abhängigen Interaktion zweier pflanzlicher Proteine. Bei rotem Licht von etwa 650 Nanometern bindet der Phytochrome Interacting Factor 6 (PIF6) an den Pflanzen­rezeptor Phytochrom B (PhyB). Setzt man das System hingegen fernem Rotlicht mit circa 713 Nanometern aus, ändert sich die Konformation des PhyB-Rezeptors und PIF6 wird wieder freigesetzt.

Dieses optogenetische System, das sich sozusagen per Lichtschalter kontrollieren lässt, verwenden viele Optogenetiker für die Kontrolle von Zellsignal­wegen oder der Genexpression. Um es an den OptoAssay anzupassen, enthält die Testmembran des Assays eine quadratische Empfänger-Zone, die von einer ebenfalls quadratischen Sender-Zone umgeben ist. Eine Kerbe trennt die beiden Zonen. Nach der Zugabe der Probenlösung wird die Kerbe überbrückt und die beiden Zonen werden miteinander verbunden.

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Konkurrenz mit Antagonist

Im Sender-Quadrat ist der Photorezeptor PhyB über eine Biotin-Neutravidin-Interaktion an die Nitrozellulose-Membran immobilisiert, im Empfänger-Quadrat befinden sich immobilisierte Antikörper, die an das zu detektierende Protein binden. Der OptoAssay basiert auf der Kompetition, wie Dincers Team anhand der Detektion Histidin-getaggter Proteine verdeutlicht. Die Histidin-getaggten Proteine in der Probe konkurrieren mit einem Antagonisten um die Bindung an die Antikörper im Empfänger-Quadrat. Bei den Antagonisten handelt es sich um PIF6-GFP-Proteine, die ebenfalls ein Histidin-Tag tragen. Sie können hierdurch an die Antikörper im Empfänger-Quadrat binden – je nach Licht­verhältnissen können sie aber auch an PhyB im Sender-Quadrat andocken.

Im ersten Schritt des OptoAssays wird das System mit rotem Licht beleuchtet. In diesem Zustand sind die Histidin-getaggten PIF6-GFP-Proteine an PhyB im Sender-Quadrat gebunden. Danach wird das System mit fernem Rotlicht bestrahlt und gleichzeitig die zu messende Probe hinzugegeben, wodurch Sender- und Empfänger-Quadrate miteinander verbunden werden. Das ferne Rotlicht setzt PIF6-Proteine frei, die mit den Histidin-getaggten Proteinen in der Probe um die Bindung an die Antikörper im Empfänger-Quadrat konkurrieren.

Smartphone-gesteuerte Photo-Box

Anschließend wird erneut rotes Licht eingesetzt, um ungebundene PIF6-GFP-Antagonisten wieder an PhyB zu binden und aus dem Empfänger-Quadrat zu entfernen. Dies erspart die sonst üblichen Wasch-Schritte und ermöglicht eine quantitative Auslesung des GFP-Signals im Empfänger-Quadrat. Aufgrund des kompetitiven Formats des OptoAssays ist die gemessene GFP-Fluoreszenz umgekehrt proportional zur Konzentration des zu bestimmenden Proteins.

Für die Proof-of-Principle-Experimente verwendeten die Freiburger eine Probe, die eine bekannte Konzentration Histidin-getaggter Proteine enthielt. Mit dieser konnten sie die erfolgreiche Kompetition belegen: Das GFP-Signal im Empfänger-Quadrat war in Gegenwart des Analyten niedriger, da durch die Kompetition weniger PIF6-GFP-Proteine an die immobilisierten Antikörper binden konnten. Da die Gruppe aber keine weiteren Messungen mit unterschiedlichen Analyt-Konzen­trationen durchführte, bleibt noch abzuwarten, wie sensitiv und robust die Methode ist.

Wie sieht das Gerät zur Durchführung des OptoAssays konkret aus? Dincers Mannschaft konstruierte mittels 3D-Druck eine Photo-Box für die Illumination des OptoAssays mit rotem Licht sowie fernem Rotlicht. Die Beleuchtung lässt sich mit einem Smartphone steuern, das über ein Bluetooth-Modul mit der Elektronik der Photo-Box verbunden ist. Die Gruppe hat auch schon eine Idee, wie es mit dem OptoAssay weiter gehen könnte: Mit einer entsprechenden Smartphone-App könnte man die Beleuchtung der Proben und die Auswertung des Assays auch automatisieren, um den OptoAssay noch benutzer­freundlicher zu gestalten.

Mihaela Bozukova

Urban N. et al. (2022): OptoAssay – Light-controlled dynamic bioassay using optogenetic switches. bioRxiv, DOI: 10.1101/2021.11.06.467572

Bild: Pixabay/Deniz_Turgut