Manche mögen’s heiß … und kalt

(21.12.2022) Wie effizient Basen-Editoren arbeiten, hängt offenbar auch von der Temperatur ab. Ein Temperatur-toleranter Editor ist deshalb die bessere Wahl.
editorial_bild

Editorial

Klassische CRISPR-Cas-Verfahren haben sich als schlag­kräftige Methoden für die Genmani­pulation etabliert. Ihre Schlagkraft geht aber selten mit Feinfüh­ligkeit einher und was nach dem Schnitt durch die Cas-Nuklease passiert, kann niemand exakt vorhersagen – wie etwa die DNA-Reparatur­mechanismen der Zelle den von der Nuklease verursachten Doppel­strangbruch wieder schließen, bleibt weitgehend dem Zufall überlassen. Treten dabei sogenannte In-Frame-Insertionen und In-Frame-Deletionen (In-Frame-Indels) auf, die drei Nukleotide oder ein Mehrfaches davon lang sind, bleibt der Leserahmen erhalten und der ursprünglich angestrebte Knockout bleibt aus.

Wesentlich präziser und weit weniger vom Zufall abhängig sind CRISPR-Basen-Editoren, die keinen Doppel­strangbruch verursachen. Auch hier wird Cas9 von einer single-guide-RNA (sgRNA) zur Zielsequenz geleitet. Sie werkelt dort jedoch als Nickase nur an einem Strang und lässt den zweiten unversehrt. Dazu ist die Nickase an eine Deaminase-Domäne geknüpft: Adenin-Basen-Editoren führen Adenin-zu-Guanin-Umwandlungen (A-zu-G) durch, für Cytosin-zu-Thymin-Konver­tierungen (C-zu-T) sind Cytosin-Basen-Editoren (CBEs) zuständig.

Editorial

Enges Editier-Fenster

CBEs verursachen in der Ziel-DNA sogenannte R-Loops. Die Cytidin-Deaminase wandelt auf dem zur Ziel-DNA komple­mentären Einzelstrang in einem eng begrenzten Abschnitt („editing window“) nahe des R-Loops Cytidin zu Uracil um, die Nickase schneidet den Zielstrang leicht versetzt gegenüber. Anschließend beheben die Reparatur­mechanismen der Zelle den Bruch und bauen auf dem Zielstrang Adenin als Basenpartner für Uracil ein. Die Folge­generationen der manipulierten Zelle beherbergen an der betroffenen Stelle eine T-A-Paarung anstelle der ursprünglichen C-G-Paarung.

Die Präzision der CBEs nutzt man zum Beispiel für Gentherapien aus („Revolutionary therapy clears girl's incurable cancer“, BBC News, 11.12.2022), sie haben bisher aber noch eine Schwachstelle – die Deaminase kann im Editing-Window neben dem angepeilten Cytidin-Rest noch weitere Cytidine deaminieren. Roman Doll, Michael Boutros und Fillip Port vom Deutschen Krebs­forschungs­zentrum in Heidelberg haben sich eine Technik ausgedacht, mit der man diese sogenannten „bystander edits“ verhindern kann. In einem bioRxiv-Manuskript stellen sie sie zur Diskussion.

Editorial

Fruchtfliegen mit Genschaden

Das Trio arbeitet mit Drosophila melanogaster als Modell­organismus. Um echte Loss-of-function (LOF)-Fliegenlinien erzeugen zu können, die den Genschaden auf beiden Allelen tragen, benötigten die drei möglichst effektive Deaminasen. Als Ausgangs-CBEs wählten sie die Deaminasen APOBEC1 (Ratte) sowie CDA1 (Meerneunauge, Petromyzon marinus). Cas9D10A, die sich bereits bei Drosophila bewährt hatte, diente als Nickase (PNAS, 111(29):E2967-76).

Die Expressions­konstrukte der Heidelberger bestehen also aus dem ubiquitären Promoter act5c, den Deaminasen APOBEC1 oder CDA1, der Nickase Cas9D10A sowie einer UGI-Domäne (Uracil-DNA-Glycosylase-Inhibitor), die sicherstellt, dass anvisierte Uracil-Reste für die Deaminase erkennbar bleiben. Eingefasst ist das Fusionsprotein von einem zweiteiligen Kernloka­lisations-Signal (bpNLS).

Fliegen, die die Fusions­proteine nach dem Einbau der Konstrukte in das Genom exprimierten, waren phänotypisch unauffällig und gaben die integrierte DNA-Sequenz an die Folge­generationen weiter. Anders verhielt es sich, wenn das Konstrukt den Gewebe-spezifischen Promoter hh-Gal4 enthielt, den die Gruppe mithilfe des Gal4-UAS-Systems einkreuzte. Die hierdurch verursachte wesentlich stärkere und lokal beschränkte Expression führte insbesondere mit dem APOBEC1-Fusionsprotein zu verstümmelten Flügeln.

Effizienz sinkt mit Temperatur

Wie verlässlich die Gen­editierung mit den von den Fliegen akzeptierten Expressions­konstrukten funktionierte, testete die Gruppe am Beispiel der Gene ebony, singed, forked und sepia, deren Nullmutanten einen sichtbaren Phänotyp zeigen. Dazu generierte sie Fliegenlinien, die gRNAs gegen ein Stopp-Codon oder eine Spleiß-Stelle exprimierten, und kreuzte diese mit Linien, die APOBEC1- oder CDA1-Basen-Editoren exprimierten.

Der APOBEC1-Basen-Editor führte zu einem kompletten, offenbar homozygoten Loss-of-function-Phänotyp – aber nur bei Fliegen, die bei 29 Grad Celsius gehalten worden waren. Bei 24 Grad Celsius war der Phänotyp schwächer ausgeprägt und bei 18 Grad Celsius sahen die Fliegen fast normal aus. Amplikon-Sequen­zierungen bestätigten, dass die Ausbildung des Phänotyps von der Effizienz des C-zu-T-Editings abhing. CDA1 arbeitete effektiver als APOBEC1 und erwies sich zudem als weniger Temperatur-empfindlich: Die Editier-Rate von APOBEC1 sank von 52 Prozent bei 29 Grad Celsius auf nur noch zehn Prozent bei 18 Grad Celsius – die Editier-Rate von CDA1 verringerte sich hingegen nur von 90 Prozent auf 73 Prozent.

CDA1 zuverlässiger

Die Temperatur war bei der Geneditierung bisher kein wirkliches Thema. Sie scheint aber durchaus eine Rolle zu spielen, und einige Editier-Experimente mit APOBEC1 in Drosophila und anderen ektothermen Organismen hätten bei ein paar Grad Celsius mehr eventuell erfolgreicher verlaufen können. Doll, Boutros und Port betonen in ihrem Manuskript, dass man die Temperatur bei der Entwicklung weiterer Editier­werkzeuge beachten sollte und sehen in CDA1 eine effizientere Alternative zu APOBEC1. Zudem scheint CDA1 auch zuverlässiger zu sein. Editier­versuche an Spleiß-Stellen lieferten mit APOBEC1 wesentlich heterogenere Ergebnisse als mit CDA1 – der Phänotyp der Fliegenlinien variierte wesentlich stärker, was sich auch in den Sequenzier-Ergebnissen widerspiegelte.

Das optimale Editing-Window lag immer an Position vier bis sechs des Protospacers. Wer dort eine Punktmutation einführen will, sollte jedoch sicherstellen, dass keine weiteren Cytosine vorkommen. Die Heidelberger fanden eine recht niedrige Frequenz von Indels in Drosophila, mit APOBEC1 waren es 0,5 Prozent, mit CDA1 rund 2 Prozent. Das liegt deutlich unter den Indel-Raten von 8,9 und 12,4 Prozent, die eine andere Gruppe mit den gleichen Deaminasen in menschlichen Zellen beobachtet hatte (Nat Biotechnol, 37(9): 1070–9).

Andrea Pitzschke

Doll R. M., Boutros M. & Port F. (2022): A temperature-tolerant CRISPR base editor mediates highly efficient and precise gene inactivation in vivo. bioRxiv, DOI: 10.1101/2022.12.13.520203

Bild: Pixabay/Ralphs_Fotos



Letzte Änderungen: 21.12.2022