Künstlich transkribiert

(07.12.2022) Mit der DNA-Bindedomäne von dCas9 oder pflanzlichen Transkriptions­faktoren lässt sich ein Expressions­system basteln, das in Salmonella funktioniert.
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Editorial

Bakterien möglichst gut zu verstehen und manipulieren zu können, zahlt sich immer aus. Sei es, um E. coli zu biotechno­logischen Höchst­leistungen anzutreiben oder um Infektions­mecha­nismen und Antibiotika-Resistenzen in Salmonella Typhimurium zu verfolgen. Die Eingriffe dürfen die Mikro­organis­men aber nicht zu sehr aus dem Gleichgewicht bringen – die Bakterien sollen genau das tun, was man will und sich ansonsten völlig normal entwickeln und verhalten.

Die synthetische Biologie bietet hierzu vielfältige Möglichkeiten, etwa künstliche Promotor-Elemente, die mit fremden Transkriptions­faktoren kombiniert werden. Wie man sich dabei aus dem reichhaltigen Angebot der Natur bedienen kann, zeigt Marc Erhardts Gruppe von der Humboldt-Universität zu Berlin, die sich dafür mit Emmanuelle Charpentier zusammentat.

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Fremdgesteuerte Genexpression

Um die Expression eines Gens in einem Mikro­organismus vollständig fremdzusteuern, benötigt man einen Promotor, einen Transkriptions­faktor mit DNA-Binde- sowie Aktivierungs­domäne und das gewünschte Gen, beispielsweise ein Reportergen. Damit sich die Zelle nicht unnötig verausgabt, sollte der Transkriptions­faktor aber erst nach Zugabe eines Signals aktiv werden. In E. coli eignet sich hierzu das Arabinose-induzierbare System, das gut charakterisiert ist und von vielen Forschern und Forscherinnen genutzt wird.

Arabinose gelangt über den Transporter AraE in die Zelle und wird von dem Regulator(repressor)protein AraC empfangen. AraC, das als Dimer den Arabinose-induzierbaren araBAD-Promotor (PBAD-Promotor) blockiert, ändert hierdurch seine Konfiguration, wodurch die RNA-Polymerase (RNAP) Zugang zu PBAD erhält – die Transkription der von PBAD gesteuerten Enzyme AraB, AraA und AraD kann beginnen.

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Spielverderber entfernen

Die Arabinose-induzierte Genexpression via PBAD lässt sich aber auch verwenden, um die Expression eines gewünschten Gens anzukurbeln. Die Berliner checkten zunächst, ob das E.-coli-System auch in Salmonella funktioniert und nutzten GFP als Reportergen. Mit dem Durchfluss­zytometer beobachteten sie, dass die Salmonellen (Salmonella enterica, serovar Typhimurium) auf Arabinose-Konzen­trationen zwischen 0,00001 und 0,2 Prozent reagierten und fluoreszierten. Schon mit 0,00005 Prozent Arabinose erreichte die Induktion eines Plasmid-Konstrukts den maximalen Wert, bei einem chromoso­malen Konstrukt waren dazu 0,05 Prozent Arabinose nötig.

Mit der Aktivität des Reportergens war das Team aber noch nicht zufrieden. Um zu verhindern, dass die Expression durch den natürlichen Arabinose-Stoffwechsel gestört wird, beseitigte es das AraBAD-Operon als potenziellen Spielverderber. Die Mutanten können mit Arabinose nichts mehr anfangen, die Regulation von PBAD durch Arabinose via AraC bleibt jedoch erhalten. Damit Arabinose möglichst effizient in die Zellen gelangt und seine Signal­funktion erfüllen kann, exprimierten die Berliner den Transporter AraE von dem schwachen konstitutiven synthetischen Promotor ProA. Die Zellen sprachen danach über einen weiten Konzen­trations­bereich auf Arabinose an. Wurde der GFP-Reporter vom Plasmid- und nicht von einem chromoso­malen Konstrukt exprimiert, korrellierte die wachsende Arabinose-Konzentration (0,01 bis 0,1 Prozent) sehr genau mit den stärkeren GFP-Signalen.

Doppelt reguliert

Im nächsten Schritt platzierte Erhardts Mannschaft statt GFP einen künstlichen Transkriptions­faktor (ATF) hinter den Arabinose-induzierbaren Promotor. ATF interagiert mit RNAP, bindet an die ihm zugewiesenen Bindestellen eines dahinter­geschalteten synthetischen Promotors und treibt letzten Endes die Expression eines Reportergens an (siehe Bild). Der Witz dieses doppelt regulierten Systems besteht darin, maximale Kontrolle und Spezifität zu erlangen. Und vielleicht auch – so der Hintergedanke der Entwickler – höhere Expres­sionsraten. Als ATF-Komponenten verwendeten sie zunächst die DNA-Bindedomäne (DBD) von dCas9, die sie mit der Aktivierungs­domäne (AD) des bakteriellen Transkriptions­faktors SoxS kombinierten, die sich bereits in Bakterien bewährt hatte (Nat Commun, 9(1):2489).

Eine scRNA führt den künstlichen Transkriptions­faktor zum synthetischen Promotor. Dazu wird die scRNA mit einer Haarnadel­struktur fusioniert und von einem starken konstitutiven Promoter exprimiert. Die SoxS-AD bindet über ein fusioniertes Anhängsel an die Haarnadel­struktur und kommt so mit der DBD von dCas9 in Kontakt. Das Arabinose-induzierbare System besteht somit aus drei Kassetten: zwei sind für die Expression von dCas9 sowie von SoxS-AD zuständig und werden von PBAD angetrieben. Die dritte, von einem konstitutiven Promotor angekurbelte, Kassette steuert die Expression von scRNA. In Gegenwart von Arabinose werden SoxS-AD und dCas9-DBD exprimiert, wodurch die ATF-Komponenten zustande kommen.

Exotischer Faktor

dCas9 stammt von Streptococcus pyogenes und ist ziemlich exotisch für die gramnegativen Vertreter E. coli oder Salmonella. Es geht aber noch ausgefallener. Die Gruppe fragte sich, ob auch eine DBD von einem pflanzlichen Transkriptions­faktor für die Genexpression in dem gramnegativen Bakterium funktionieren würde. Dazu fusionierte sie die bakterielle Aktivierungs­domäne SoxS-AD mit dem pflanzlichen Transkriptions­faktor JUB1. Der zugehörige synthetische Promotor enthielt mehrere hintereinander­gesetzte Kopien des JUB1-Bindemotivs. Auch dieser ATF wurde von Arabinose aktiviert und trieb die Expression seines Zielgens an.

Das neuartige Regulations­system ist auch für das metabolische Engineering in gramnegativen Bakterien geeignet. E.-coli-Zellen produzierten mit dem pflanzen­basierten ATF und einem entsprechenden Konstrukt beta-Carotin. Salmonella modelte die Gruppe mit dem ATF-System zu einem Alkaloid-Detektor um.

Andrea Pitzschke

Naseri G. et al. (2022): A regulatory toolkit of arabinose-inducible artificial transcription factors for Gram-negative bacteria. bioRxiv, DOI: 10.1101/2022.11.30.518220

Bild: Naseri et al.



Letzte Änderungen: 07.12.2022