Klein, aber oho

(30.11.2022) Die superkompakte CRISPR-Nuklease CasΦ ist äußerst spezifisch und auch bei hohen Temperaturen aktiv. Sie hat aber noch weitere Vorteile.
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Ein Megaphage injiziert seine DNA, inklusive der Gene für CasΦ (rot), in ein Bakterium. Dieses greift daraufhin den konkurrierenden Phagen an.

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Der Bestseller bei der Geneditierung mit CRISPR/Cas ist Cas9 – nur für spezielle Anwendungen wird auf andere Cas-Vertreter zurück­gegriffen. Das heißt aber nicht, dass die Natur nicht noch bessere Cas-Varianten bereithält. Cas12a hat zum Beispiel den Vorteil, dass sie ihre eigene pre-crRNA in crRNA prozessieren kann und somit keine tracrRNA benötigt.

Besonders klein ist die von Jennifer Doudnas Gruppe 2020 entdeckte Nuklease CasΦ (für den griechischen Buchstaben Phi), die aus riesigen Bakteriophagen stammt (Science, 369(6501): 333–7). Mit nur 700 bis 800 Aminosäuren ist sie wesentlich kompakter als Cas9 oder Cas12, die 1.000 beziehungsweise 1.400 Aminosäuren lang sind. Hinzu kommt, dass CasΦ auch bei 37°C aktiv ist, während das Temperatur­optimum von Cas9 bei 32°C liegt. Steven E. Jacobsens Team an der University of California, Los Angeles, untersuchte nun zusammen mit Doudna, ob CasΦ speziell für Pflanzenforscher nicht noch mehr zu bieten hat.

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Zwei Varianten

CRISPR-CasΦ zielt auf doppelsträngige DNA ab und hinterlässt überhängende Enden. CasΦ-Systeme erkennen T-reiche minimale PAM-Sequenzen, die Erkennungs­motive sind TGN, TTN oder TCN. CasΦ kann wie Cas12a pre-crRNAs zu crRNAs prozessieren, Struktur­analysen zufolge spielt dabei eine bestimmte Alphahelix eine zentrale Rolle. Entfernt man einige negative Reste oder ersetzt sie durch andere Aminosäuren, so entstehen die CasΦ-Varianten vCasΦ sowie nCasΦ.

Die Kalifornier hatten in früheren Experimenten das Gen AtPDS3 in Mesophyll-Protoplasten von Arabidopsis mit einem CasΦ-Ribonukleo­protein (CasΦ-2-RNP) editiert – die Effizienz ließ aber zu wünschen übrig. Jetzt untersuchten sie zunächst, ob das Editing auch in transgenen Arabidopsis-Pflanzen funktioniert. Dazu verbesserten sie die Expression von CasΦ durch Codon-Optimierung und trieben die CasΦ-Expression mit einem UBQ10-Promoter an. Die Transkription der guideRNA (gRNA) steuerten sie mit einem U6-Promoter. Um CasΦ gezielt zu seinem Wirkungsort zu führen, versah die Gruppe die Nuklease mit einem Kernlokali­sations-Signal (NLS) am N- oder C-Terminus.

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Grün vs. weiß

Als Zielgen wählte das Team erneut AtPDS3, das für die Phytoen-Desaturase PDS3 codiert, die eine essentielle Rolle bei der Entwicklung von Chloroplasten spielt. Fällt PDS3 aus, führt dies zu farblosen Zellen – das Verhältnis von Albino-Sämlingen zu grünen Sämlingen lieferte also Aufschluss über den Editier-Erfolg. Mangels funktions­tüchtiger Chloroplasten können pds3-Mutanten nicht richtig wachsen, homozygote Generationen erscheinen als Albino-Zwerge. In der besten T1-Transformante trugen 13,5 Prozent der PDS3-Reads die gewünschte Mutation. Einige Zwergalbinos in T3 enthielten das CasΦ-Transgen nicht mehr – das war ein klarer Hinweis darauf, dass die Mutation ganz normal, und unabhängig vom CasΦ-Transgen, vererbt worden war.

Der Verdacht, dass die Expression von CasΦ und damit die Editier-Effizienz in den transgenen Pflanzen durch Gen-Silencing abgeschwächt würde, bestätigte sich. Mutanten mit einem Silencing-Defekt (rdr6) brachten nämlich unter ansonsten identischen Bedingungen mehr Albinos hervor.

CasΦ editiert bei Raumtemperatur (23°C) ähnlich gut wie bei 28°C, und auch 37°C wären in Pflanzen prinzipiell möglich. Nur wachsen bei diesen Temperaturen nur noch wenige Spezies. Es macht keinen Unterschied, ob man Primär-Transformanten (T1) bei 23°C oder 28°C wachsen lässt oder Phasen dieser Temperaturen kombiniert. Experimente mit einer Mutante, die einen nicht-methylierbaren Promoter trug und das von diesem angetriebene Gen entsprechend ungehemmt exprimierte, zeigten, dass nCasΦ und vCasΦ sogar methylierte DNA editieren können. Am effektivsten ist das Editing aber an nicht-methylierter DNA, sprich offenem Chromatin. Zusätzlich steigern lässt sich die Editier-Effizienz, wenn man die sgRNA mithilfe eines starken Promotors (CmYLCV) exprimiert.

Selbst gereifte RNA

Im nächsten Optimierungs­schritt verbesserte das US-Team den Selbstreife­prozess der gRNA. Hierfür setzten die Forscher und Forscherinnen das Hepatitis-Delta-Virus-Ribozym vor den Repeat-Spacer-Abschnitt sowie ein Hammerhead-Ribyzom dahinter. Mit Erfolg. Durch diesen Trick reift die gRNA aus eigener Kraft zu crRNA.

Zehn- bis siebzehnmal effektiver als CasΦ sind vCasΦ sowie nCasΦ. Die Gruppe testete verschiedene gRNAs, die jeweils gegen dasselbe Gen gerichtet waren. Die Effizienz variierte zwar, vCasΦ und nCasΦ schnitten aber immer besser ab als CasΦ. Alle drei Varianten führten Deletionen von meist acht bis zehn Basenpaaren in die Zielsequenz ein. Interessant ist hier der Mittelwert von neun Basenpaaren, denn die Konsequenz wären In-frame-Deletionen, mit denen man gezielt drei Aminosäuren entfernen könnte. Off-Target-Effekte traten bei allen drei Varianten äußerst selten oder gar nicht auf.

Das Gen-Editieren mit CasΦ funktioniert nicht nur in Arabidopsis, sondern auch in Mais. In transformierten Mais-Protoplasten lag die Editier-Effizienz von elf getesteten gRNAs bei sieben Prozent.

Andrea Pitzschke

Li Z. et al. (2022): Genome editing in plants using the compact editor CasΦ. bioRxiv, DOI: 10.1101/2022.10.31.514567

Bild: UC Berkeley/Basem Al-Shayeb & Patrick Pausch