Optogenetische
Entzündung

(02.11.2022) Das Inflammasom detektiert Pathogene und andere Gefahren in der Zelle. Mit einem optogenetischen Trick kann man seine Arbeit in vivo verfolgen.
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Editorial

Mit jedem Atemzug und jeder Berührung landen potenzielle Pathogene in und auf uns. Die angeborene Immunreaktion sorgt jedoch dafür, dass die Kontakte in den meisten Fällen glimpflich ausgehen. Koordiniert wird die Immunantwort durch das Inflammasom. Dieses intrazelluläre hochkon­servierte System besteht aus drei Komponenten: Sensor-Protein, Adapter-Protein (apoptosis-associated speck-like protein containing a C-terminal caspase recruitment domain, ASC) sowie Caspasen. Rezeptoren des Sensor­komplexes erkennen sogenannte PAMP- und DAMP-Strukturen (pathogen-associated molecular patterns oder danger-associated molecular patterns) von Pathogenen oder anderen gefährlichen Eindringlingen, worauf ASC an den Sensorkomplex andockt (siehe Bild oben).

ASC wirkt dabei wie ein Kristallisationskeim, der viele weitere ASC-Proteine anlockt, bis sie aggregieren. Der gesamte ASC-Pool einer Zelle konzentriert sich schließlich zu einer fibrösen Struktur, dem sogenannten „Speck“ (English für Fleck). Die C-terminale Caspase-Rekrutierungs­domäne (CARD) von ASC interagiert mit der Caspase, gleichzeitig löst die Pyrin-Domäne (PYD) deren Selbstreife­prozess aus. Die aktivierte Caspase spaltet daraufhin eine cytotoxische Komponente ihres Substrats Gasdermin (GSDMD) ab, die die Zellen durchlöchert und in den programmierten Zelltod treibt. Zudem schneidet die Caspase proinflamma­torische Cytokine, die hierdurch aktiviert und durch die GSDMD-Poren in die Umgebung der Zelle sekretiert werden.

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Grobe Keulen

ASC ist das am stärksten konservierte Protein und wichtigster Akteur des Inflammasoms. Bisher existieren zwei Strategien, die Bildung von Inflammasomen in vivo hervorzurufen, um Entzündungs­prozesse zu untersuchen: die Behandlung mit proinflamma­torischen Substanzen oder die Überexpression von ASC. Beides sind jedoch vergleichsweise grobe Keulen, die großflächig wirken und unausweichlich Neben­reaktionen auslösen.

Maria Leptins Gruppe vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg ist es zusammen mit ihren Kooperations­partnern von den Universitäten Lausanne und Singapur gelungen, ASC in lebenden Geweben ganz gezielt räumlich und zeitlich in einzelnen Zellen zu manipulieren. Die Gruppe wählte Zebrabärblinge (Danio rerio) als Modell­organismus, die nicht nur überschaubar komplex sind, sondern vor allem auch transparent – und damit perfekt geeignet für optogenetische Manipulationen.

Um ASC punktgenau überexprimieren zu können, fusionierte Leptins Team Asc mit einer mCherry-getaggten Variante des lichtsensitiven Proteins CRY2olig, das in wenigen Sekunden reversibel oligomerisiert, wenn es mit Blaulicht bestrahlt wird. Vor mCherry-Cry2olig-Asc oder kurz Opto-Asc platzierte die Gruppe einen Hitzeschock-Responsiven Promotor (HSE); die Fusions-Kassette integrierte die Gruppe danach in einer Zebrafisch-Linie. Um in den Fisch-Embryos die Aggregation von ASC-Specks zu beobachten, induzierte das Team die Expression von Opto-Asc zunächst durch einen Hitzeschock und bestrahlte die Fische anschließend mit Blaulicht. Die Bildung der Specks verfolgte es schließlich mithilfe des Fluoreszenz-Signals von mCherry.

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Fluoreszierende Mosaike

Etwa drei Stunden nach der Hitzebehandlung konnte die Gruppe Opto-ASC unter dem Mikroskop sehen. Die zweischichtigen Hautzellen (Periderm- und Basalzellen) zeigten mosaikartig verteilt unterschiedlich starke Fluoreszenz. Specks waren jedoch noch keine erkennbar. Diese traten erst auf, nachdem Leptins Team die Aggregation durch das Laserlicht in einzelnen Zellen ausgelöst hatte.

In Experimenten mit Asc-defizienten Mutanten zeigte die Gruppe, dass das eingeschleuste ASC endogenes ASC in seine Komplexe einschließt. Offensichtlich sind die zwei Domänen von ASC unterschiedlich am Geschehen des Inflammasoms beteiligt. Mit Opto-Pyd- beziehungsweise Opto-Card-Fusionen, die analog zu Opto-Asc konstruiert waren, klärte das Team auf, dass die CARD-Domäne essenziell ist, um den Zelltod auszulösen. Im Wildtyp ist endogenes ASC für die Bildung der Specks verantwortlich. Nach Oligomerisation treten die ersten Anzeichen von Zelltod auf, die Zellen schrumpfen.

Zellen in der Sterbephase

Interessanterweise sind die Aggregate, beziehungsweise Specks, dazu nicht unbedingt erforderlich. Zellen. die viel Opto-ASC oder Opto-PYD produzierten, verabschiedeten sich ganz von selbst in den Zelltod – ohne Laserlicht-Behandlung und ohne erkennbare Aggregate. Zudem genügte in stark exprimierenden Zellen ein sehr schwaches Laserlicht, um die Aggregate auszulösen (0,025 mW/µm2; ein Bruchteil der Standard­intensität bei GFP-Studien 1,24 mW/µm2). Offensichtlich benötigen die Zellen ein bestimmtes Mindestlevel an Opto-Asc, damit Specks überhaupt zustande kommen. Welche Änderungen betroffene Zellen während der Sterbephase durchlaufen, und wie sich dies auf ihre Umgebung auswirkt, untersuchte die Gruppe im Gewebe. In benachbarten Zellen beobachtete sie eine Verlagerung von Aktin, das sich an der Kontaktwand zur sterbenden Zelle sammelt.

Andrea Pitzschke

Hasel de Carvalho E. et al. (2022): The Opto-inflammasome in zebrafish: a tool to study cell and tissue responses to speck formation and cell death. BioRxiv: DOI: 10.1101/2022.10.19.512883

Bild: Seok J. et al. in Archives of Pharmacal Research, 44:16–35 (Inflammasom) & Marrabbio2 (Zebrafisch)