Adipöse Wasserlinsen

(19.10.2022) Für die Biokraftstoff-Produktion eignet sich auch die schnell wachsende „Entengrütze“. Allerdings muss man erst ihren Lipidgehalt erhöhen.
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Editorial

Die unsichere Gasversorgung und der Ausstieg aus der Kernenergie befeuern die Suche nach alternativen erneuerbaren Energien, etwa Biomasse. Um aus Letzterer mehr und in kürzerer Zeit herausholen, gibt es zwei Möglichkeiten: schnelleres Wachstum und energiereichere Bestandteile. Zu den Biomasse-Favoriten unter den Pflanzen zählen Wasserlinsen alias Entengrütze (Lemna japonica), die keine eigenen Anbauflächen benötigen und zudem robust und anspruchslos sind. Ihre imposante Verdopplungsrate von 16 Stunden bis drei Tagen demonstrieren diese einkeimblättrigen Wasserpflanzen auf Teichen, die sie innerhalb weniger Sommertage mit einem grünen Teppich bedecken.

Als wertvolle Proteinquelle wissen Hühner- und Schweinezüchter Wasserlinsen zu schätzen. Ihr Fettgehalt ist allerdings ziemlich mager. Daran lässt sich arbeiten, dachte sich wohl eine Gruppe um John Shanklin und Jörg Schwender vom Brookhaven National Laboratory sowie Robert A. Martienssen vom Cold Spring Harbor Laboratory (beide USA). Das Team überschritt dabei nicht nur etliche Artgrenzen, sondern bei manchen Ansätzen auch die Grenzen des Vorstellbaren.

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Altbekannter Klon

Ihre Wahl unter 36 Spezies aus fünf Genera war schnell getroffen. Lemna japonica gehört zu den vier Genera mit vollständig sequenziertem Genom und lässt sich zudem sehr einfach genetisch manipulieren. Zwar kann man einige Vertreter mit Agrobacterium tumefaciens transformieren und aus Callus-Kulturen regenerieren. Das Team hatte jedoch bei dem Klon L. japonica 8627 schon 2015 eine außergewöhnlich hohe Transformationseffizienz erzielt und griff daher auf diesen zurück (Plant Biol (Stuttg), 17(0 1): 59–65).

Um den Fettgehalt in den Wasserlinsen zu steigern, verfolgten die Gruppe eine sogenannte Push-, Pull- sowie Protect-Strategie: Die Zellen sollen die Produktion von Fettsäuren erhöhen (push), die frisch synthetisierten Fettsäuren mit entsprechenden Enzymen in Triacylglyceride (TAG) einbauen sowie aus dem Pool freier Fettsäuren abziehen (pull) und schließlich die TAG vor dem Abbau bewahren (protect).

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Push – Pull – Protect

Dazu musste das Team an drei Stellen in den Fettstoffwechsel der Wasserlinsen eingreifen. Für den Push-Effekt nutzten sie den Transkriptionsfaktor WRI1 (WRINKLED1) aus Arabidopsis thaliana, der sich als Master-Aktivator der Fettsäuresynthese schon in einer anderen Studie bewährt hatte (Plant Cell, 29(4): 871–889). Als Enzym zum Pullen diente Diacylglycerolacyltransferase (DGAT), die die Acylgruppe von Acyl-CoA auf Diacylglycerol überträgt. Das überexprimierte Strukturprotein Oleosin, das in keimenden Samen die Lipidkörper wie einen Mantel umhüllt, sollte schließlich den Schutz der fertig synthetisierten TAG übernehmen.

Mit diesen Komponenten war es einer anderen Gruppe bereits gelungen, den TAG-Gehalt in den Blättern von Tabakpflanzen deutlich zu erhöhen (Metab Eng, 39:237-46). Die Anpassung des Systems an Wasserlinsen erforderte jedoch vielfältige Neuerungen. Schnell zeigte sich, dass die konstitutive Überexpression von AtWRI1 oder dessen Pendant aus Mais ZmWRI1 das Wachstum der Wasserlinsen gehörig bremst. Mit Blick auf möglichst hohe Energieausbeuten zählt aber neben Klasse auch die Masse. Das Team steuerte die Expression von AtWRI1 daher mit einem Estradiol-induzierbaren Promoter und fusionierte den Transkriptionsfaktor obendrein N-terminal an ein Codon-optimiertes Cyan-Fluoreszenz-Protein (CFP-AtWRI1), um die ungewünschten Nebeneffekte zu verhindern sowie seine Stabilität zu steigern.

Mausenzym in Entengrütze

CFP-AtWRI1 tauchte in induzierten Zellen plangemäß im Zellkern auf. Bei der Diacylglycerolacyltransferase sowie Oleosin waren unspezifische Aktivitäten kaum zu befürchten. Die Forscher verwendeten deshalb die effektivsten Varianten: nämlich ein modifiziertes Oleosin aus Sesam, dessen Expression durch ein Mais-Intron (ZmHSP70) erhöht wird, sowie MmDGAT2 aus der Maus.

Warum ausgerechnet eine DGAT aus der Maus? Mit der Mäusevariante läuft die Synthese gezielter ab als mit pflanzlicher DGAT, die Hauptroute führt ohne große Umschweife zu TAG. Das scheinbare Paradoxon erklären sich die Forscher damit, dass bremsende Feedback-Regulationen in der Pflanze dem fremden Mitspieler nichts anhaben können.

In stabil transformierten Linien testete die Gruppe systematisch Zweier-Kombinationen von Genen und hoffte auf Synergieeffekte. Für erste Versuche und grobe Quantifizierungen nutzte sie die transiente Expression in Tabakblättern, deren extrahierte Lipide sie über Dünnschichtchromatografie auftrennte. Die Genkombinationen waren jeweils auf einem Konstrukt vereint. Für jedes Konstrukt isolierte sie mehrere Wasserlinsen-Linien, die nach der Transformation mithilfe von Agrobacterium tumefaciens resistent gegenüber dem Selektionsmarker Phosphinotricin waren und fluoreszierten. Die besten unter ihnen ermittelte die Gruppe jeweils anhand von Wachstumskurven und Fettanalysen.

Fluoreszierende Lipidkörper

Ebenso fand sie nach empirischem Vortasten die perfekten Bedingungen der Estradiol-Induktion, die zu maximalen DAG-Ausbeuten führen (vier Tage mit 100 µM). Zu guter Letzt optimierte sie auch die Kultivierungsbedingungen und päppelte die Wasserlinsen in halbkonzentriertem Schenk-&-Hildbrandt-Medium mit 1 % Sucrose und einer 16-stündigen Photoperiode auf. Dass Estradiol auf lange Sicht einem gesundheitlich unbedenklichen Induktionssystem weichen muss, sehen die Entwickler als machbare Aufgabe an. Mit dem Farbstoff BODIPY, der in Umgebung neutraler Lipide fluoresziert, konnten sie die Lipidkörper in den schwimmenden „Blättchen“ unmittelbar beobachten.

In den manipulierten Wasserlinsen veränderte sich insbesondere die Zusammensetzung der Fettsäuren. Im Wildtyp sind C18:3, C16:0 und C18:2 die wesentlichen Fettsäuren. Die ölbeladenen transgenen Linien akkumulieren hingegen ungesättigte Fettsäuren in ihren TAG, vor allem C16:1, C18:1, C18:2 und C18:3. Dass im Gegenzug C18:3 in den freien Fettsäuren schwindet, weist auf den erfolgreichen Pull-Effekt hin: C18:2 (Linolsäure) hat wenig Gelegenheit für die Desaturierung zu C18:3 (Linolensäure), da es sofort in TAG eingebaut wird.

Unterm Strich akkumuliert die fettleibige Linie über hundertmal mehr TAG als der Wildtyp – und das ohne Wachstumseinbußen. Ihr TAG-Gehalt im Trockengewicht ist 8,7 Prozent statt 0,08 Prozent. Die gesamten Fettsäuren verdreifachen sich auf 15 Prozent der Trockenmasse. Mit dieser Bilanz können es die adipösen Wasserlinsen mit traditionellen Ölpflanzen aufnehmen. Der jährlich pro Fläche erzielbare Ölertrag liegt siebenmal höher als bei Soja und gleichauf mit Ölpalmen.

Todesschalter einbaubar

Transgene Organismen, die sich rasant vermehren, energieautark und anspruchslos sind, lassen aber auch die Alarmglocken klingeln. Ohne eine lupenreine Biocontainment-Strategie werden es die manipulierten Wasserlinsen schwer haben, ihr Potenzial im großen Maßstab zu zeigen. Die Forscher halten es jedoch für möglich, einen sogenannten „Kill Switch“ in die Pflanzen einzubauen, der sie zum Absterben bringt, bevor sie sich unkontrolliert vermehren.

Nicht weniger heikel ist es, die transgenen Wasserlinsen im Labor auf Dauer am Leben zu halten. Verlässliche Konservierungsmethoden gibt es nicht. Wasserlinsen können zwar blühen und Samen bilden, aber das ist höchst selten, und noch fehlen die Methoden, dies zu induzieren. Die einzigen praktikablen Lösungen sind derzeit Subkultivierung und gedrosselte Temperaturen. Ganz ohne fremde Energie geht es also noch nicht ganz.

Andrea Pitzschke

Liang Y. et al. (2022): Engineering triacylglycerol accumulation in duckweed (Lemna japonica). Plant Biotechnology Journal, DOI: 10.1111/pbi.13943

Bild: Pixabay/MiZie



Letzte Änderungen: 19.10.2022