Schnell produziert

(27.11.2019) Die Synthese langer Einzelstrang-DNA mit Standard-Verfahren ist umständlich und teuer. Mit einer neuen Technik ist sie aber beinahe ein Kinderspiel und ruckzuck erledigt.
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Editorial

Die Nachfrage nach einzel­strängiger DNA (ssDNA) für Anwen­dungen in der synthe­tischen Biologie, biolo­gischen Bild­gebung und Bionano­techno­logie ist groß. Und natürlich soll die Synthese möglichst wenig kosten und schnell gehen. Für kurze ssDNA-Sequenzen ist dies auch tatsäch­lich der Fall – kompli­zierter und vor allem teurer wird es jedoch ab einer Länge von 200 Nukleo­tiden. Hier sind entweder zusätz­liche Aufbe­reitungs­schritte nötig, um Verun­reini­gungen zu entfernen, oder man muss über doppel­strängige DNA an ssDNA heran­kommen: etwa durch enzyma­tischen Verdau von PCR-Produkten, funktio­nalisierte Magnet-Beads, Rolling-Circle-Ampli­fikation, asymme­trische PCR sowie Co-Polymeri­sation und elektro­phore­tische Methoden.

So richtig überzeugen kann allerdings keine dieser Methoden: Sie sind entweder sehr kompliziert und nicht skalier­bar oder die Reinheit der Produkte lässt zu wünschen übrig. Eine wesent­lich elegan­tere Technik, mit der sich ssDNA mit einer Länge von bis zu sieben Kilo­basen­paaren schnell, effizient und sauber in vitro her­stellen lässt, dachten sich William Shih und sein Team von der Harvard University Boston aus.

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PCR mit Polymer-Primer

Die Gruppe stellte hierzu Primer mit einem linearen Poly­acryl­amid-Co-Acrylat-Tag her. Die getaggten Primer setzten Shihs Mitarbeiter anschlie­ßend in einer gewöhn­lichen PCR, zusammen mit unmar­kierten komple­mentären Primern ein. Sie erhielten hierdurch Polymer-getaggte Amplikons, deren Stränge sich vonei­nander trennen ließen. Dazu fällten die Forscher die DNA selektiv, indem sie NaOH zugaben und die Lösung anschlie­ßend mit Methanol mischten.

Nach der Zentrifugation extrahierte die Gruppe zunächst den unmarkierten Strang aus dem Über­stand. Anschlie­ßend resuspen­dierte sie das Pellet mit der Polymer-DNA und versetzte die Suspen­sion mit Uracil-DNA-Glyco­sylase. Um auch den markierten Strang isolieren zu können, hatten die Forscher eine Desoxy­uridin-Base in die modifi­zierten Primer eingebaut. Mithilfe der Uracil-DNA-Glyco­sylase erzeugten sie eine abasische Stelle mit einer fehlenden Uracil-Base, an der sie den Strang anschlie­ßend mit Dimethyl­ethylen­diamin spalteten. Im letzten Schritt entfernte das Team schließlich über­flüssige Polymer-getaggte DNA mit einer weiteren Methanol-Fällung. Das ganze Prozedere dauerte nicht länger als 90 Minuten, die PCR-Reaktion nicht mitgerechnet.

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Mehr als 3.000 Nukleotide lang

Shihs Team erzeugte mit der neuen Methode, die es Methanol-Responsive Polymer-PCR (MeRPy-PCR) nennt, ssDNA mit Längen zwischen 89 und 3.115 Nukleotiden. Das Protokoll war für alle gewählten Längen und DNA-Templates nahezu identisch. Geringe Abwei­chungen gab es nur bei der alka­lischen Denatu­rierung der längsten Amplikons. Die Ausbeute für den unmar­kierten Strang lag bei 70 bis 90 Prozent, beziehungs­weise bei bis zu 70 pmol pro 100 µl PCR-Reaktion. Etwas geringer fiel sie beim markierten Strang aus, vor allem bei langen Amplikons. Die MeRPy-PCR punktet aber auch bei der Rein­heit der erhaltenen ssDNA. Sie war genauso hoch oder sogar höher wie bei einer vergleich­baren chemischen oder enzyma­tischen ssDNA-Synthese mit konven­tionellen Methoden.

Die Vorteile der neuen Methode demonstrierte das Team anhand von ssDNAs, die es für CRISPR/Cas9-vermittelte homologe Rekom­bination (HDR), Fluo­reszenz-in-situ-Hybridi­sierung (FISH) und DNA-Origami einsetzte. Im HDR-Test wurden die ssDNAs verwendet, um Stopp-Codons aus einem nicht funktio­nellen GFP-Expres­sions­vektor herauszu­schneiden. Die erzeugten MeRPy-ssDNA-Donor­sequenzen mit 200 bis 1.000 Nukleotiden schnitten hier genauso gut ab wie eine chemisch synthe­tisierte 200 Nukleotide lange Donor­sequenz.

Auch als Gerüst geeignet

Auch beim Origami-Test überzeugte die MeRPy-ssDNA. Mit der DNA-Origami-Technik lassen sich aus DNA-Strängen zwei- und dreidimen­sionale Strukturen formen, wobei eine lange ssDNA als Gerüst­strang dient. Shihs Mitarbeiter stellten mit der MeRPy-PCR ssDNAs mit 3.315 und sogar 7.308 nt aus M13-Phagen her, die sich als Gerüst-DNA eigneten.

Für die Synthese von FISH-Sonden hefteten die Forscher einen zusätz­lichen Cy3-Tag an die Primer.

Miriam Colindres

Minev D. et al. (2019): Rapid in vitro production of single-stranded DNA. Nucleic Acids Research, DOI: 10.1093/nar/gkz998