Für Transparenz und Tierwohl

(11.11.2019) Seit Januar können Forscher ihre Tier­versuche in der öffentlichen Animal Study Registry-Datenbank präregistrieren. Ein Angebot mit vielen Vorteilen.
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Editorial

Klinische Studien, in denen Wirksamkeit und Sicher­heit von neuen Wirk­stoffen an mensch­lichen Probanden untersucht werden, bauen auf präklini­schen Studien auf, die häufig auf einem Tiermodell basieren. Die schlechte Qualität präklini­scher Daten, insbe­sondere ihre geringe Repro­duzier­barkeit, wurde in der letzten Zeit immer wieder für das Scheitern von zeitauf­wendigen und teuren klinischen Studien verant­wortlich gemacht.

Mögliche Gründe für die mangelnde Repro­duzier­barkeit gibt es viele: Grund­sätzlich ist alles Lebendige komplex und heterogen – das gilt nicht zuletzt für Labor­tiere und macht Tierver­suche per se anfällig für Fehl­interpre­tationen. Des Weiteren werden in Publika­tionen häufig nicht alle Informa­tionen geteilt, die für eine erfolg­reiche Wieder­holung des Experi­ments notwendig sind, oder es werden Methoden verwendet, die nicht dem Standard entsprechen. Dass noch immer sehr selten negative Ergeb­nisse veröffent­licht werden, erhöht außerdem die Gefahr, dass Tierleben für unnötige Versuchs­wieder­holungen geopfert werden. Und zu guter Letzt können statistische Tests im Nach­hinein angepasst werden, um ein besseres Ergebnis zu erhalten.

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Reduzieren und verfeinern

Um dem entgegenzutreten, wird immer wieder größt­mögliche Transparenz der Forschung gefordert, beispiels­weise durch die Bereit­stellung von Metadaten oder eine Vorab­registrie­rung von Studien, durch die sicher­gestellt wird, dass nach Studien­beginn keine Parameter mehr geändert werden können. Für klinische Studien ist letzteres längst gängige Praxis, aber auch für präkli­nische Studien gibt es bereits derartige Platt­formen wie Open Science Framework, AsPredicted und andere.

Im Januar 2019 hat nun auch das in Berlin ansässige und dem Bundes­ministerium für Ernährung und Land­wirtschaft (BMEL) unter­stehende Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchs­tieren (Bf3R) eine eigene Plattform, speziell für die Regis­trierung klinischer Studien mit Labor­tieren, ins Leben gerufen – die Animal Study Registry (ASR). Durch die Einbindung in die Infra­struktur des Bundes­ministeriums ist die lang­fristige Verfüg­barkeit und Sicherheit der Daten sichergestellt.

Die Hoffnung der Initiatoren ist, dass die Registrierung der Studien nicht nur die Transparenz der Forschung erhöht, sondern auch dem Tierwohl zugute­kommt. Privatd­ozentin Bettina Bert, stellvertretende Leiterin der Fachgruppe Tierschutz und Wissens­transfer am Bf3R fasst zusammen: „Zuerst einmal wollten wir die Qualität von Tierver­suchen steigern. Durch die Vorab­registrie­rung von Studien­protokollen lässt sich später besser nachvoll­ziehen, welche Experimente auch wirklich durch­geführt wurden und welche Ergeb­nisse in die Publika­tionen eingingen. Langfristig hoffen wir aber auch, durch die Erhöhung der Aussage­kraft der einzelnen Experi­mente die Zahl an Tier­versuchen zu reduzieren.“

Da jeder Wissenschaftler ohne Registrierung und kostenfrei in der Datenbank nach Studien suchen kann, sollten sich unnötige Versuchs­wieder­holungen in Zukunft besser vermeiden lassen. Die Präregis­trierung soll außerdem den Forschern Hilfe­stellungen bei der Versuchs­planung geben. „Dabei geht es auch ganz konkret um Tier­haltungs­bedingungen und verwendete Tierstämme, so dass später andere Wissen­schaftler auf den Versuchen aufbauen können“, so Bert. Damit wird den letzten beiden der drei „R“, auf die im Instituts­namen Bf3R Bezug genommen wird – Replace, Reduce, Refine – Rechnung getragen.

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Chance für Negativ-Ergebnisse

Inhaltlich orientiert sich die Animal Study Registry an den ARRIVE-Leitlinien (The Animal Research: Reporting of In Vivo Experiments), zu denen sich über 1.000 wissen­schaftliche Fach­zeit­schriften bekennen. Durch die Beant­wortung von gezielten Fragen machen sich die Forscher Details zum Studien­design, den verwendeten Methoden und der statis­tischen Auswertung bewusst. Dabei geht es auch um die Unter­scheidung zwischen einer explora­tiven Studie, die der Hypothesen­bildung dient, und einer konfirma­torischen Studie, die eine bereits formulierte Hypothese bestätigen soll. Für Bestäti­gungs­studien fordert die ASR zwingend die Formu­lierung einer Hypothese, so dass späteres HARKing – also das Anpassen einer Hypothese an die Ergeb­nisse – unmöglich wird.

Wie sich gezeigt hat, führt eine Präregis­trierung von Studien auch dazu, dass vermehrt Negativ-Resultate veröffent­licht werden. Manche Fach­zeitschriften bieten deshalb an, eine Studie vorab begutachten und dann regis­trieren zu lassen, wodurch die spätere Veröffent­lichung der Ergeb­nisse in diesem Journal garantiert wird. Eine Regis­trierung in einer freien Datenbank wie der ASR bietet dagegen größere Freiheit bei der Änderung von Studien­parametern und der Auswahl des Publika­tionsorgans. In der ASR lassen sich sowohl Projekte der angewandten als auch der Grund­lagen­forschung registrieren, sofern Tier­versuche vorgesehen sind. Nach der Eingabe der Daten bleibt zwei Wochen lang Zeit für Ände­rungen und Ergän­zungen, bevor die Daten für die Öffent­lichkeit sichtbar werden. Eine Kommentar­funktion ermöglicht es auch später noch, Ergänzungen hinzu­zufügen oder auf eine Veröffent­lichung zu verweisen.

Jede Studie erhält einen Digital Object Identifier (DOI), um die Studie als geistiges Eigentum zu schützen. Wem das dennoch zu unsicher ist, kann einen Großteil der Daten für die Dauer von fünf Jahren, dem durch­schnitt­lichen Förder­zeitraum eines Forschungs­projekts, mit einem Embargo belegen, so dass sie für die Öffent­lichkeit erst nach Ablauf der fünf Jahre sichtbar werden. „Embargo und DOI haben wir als erste Präregis­trierungs­plattform eingeführt“, erläutert Bert. Die Autoren können ihre Daten auch unter Embargo als PDF-Dokument herunter­laden und sie in dieser Form einem Antrag oder einer Publika­tion hinzufügen. Auf diese Weise können sie dokumen­tieren, dass sie sich den Prinzipien der Transparenz, der Daten­qualität und dem Tierwohl verpflichtet fühlen. Aktuell (Stand: 05. November 2019) sind in der ASR-Datenbank 25 Studien, darunter eine exemplarische Studie des Bf3R, veröffent­licht worden. Zudem gibt es ungefähr 120 Regis­trierungen aus aller Welt. „Das Interesse ist also da“, so Bert.

Sinkender Aufwand, steigender Nutzen

Laut ASR-Initiatoren ist der bürokratische Aufwand für die Regis­trierung je nach Erfahrung des Wissen­schaftlers sehr unter­schiedlich, soll aber nicht mehr als 2-4 Stunden betragen, wenn bereits ein Studienplan oder sogar ein Antrag vorliegt. Dies wird von verschiedenen Studien­autoren bestätigt. Lars Lewejohann, Professor am Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchs­tierkunde der Freien Universität Berlin, und einer der Wissen­schaftler, die an der Entwicklung der Datenbank beteiligt waren, hat bereits mehrere seiner Studien ein­gestellt. „Ich kann nur Positives zur Registrierung und zum Arbeits­aufwand sagen“, fasst er zusammen.

Nach dem Vergleich mehrerer Plattformen für die ASR entschieden hat sich Thorsten Buch, Professor am Institut für Labor­tierkunde der Universität Zürich: „Wir verwenden die ASR des Bf3R seit Mai 2019. Die Plattform selbst ist sehr benutzer­freundlich, die Einrichtung eines Kontos ist einfach und bei Problemen haben wir vom Support-Team des ASR sofort Hilfe bekommen. Was uns wirklich gefällt, ist die Flexibilität der Plattform in Bezug auf die Eingabe von Informa­tionen und die Länge der Sperrfrist sowie – was sehr wichtig ist – die automa­tische Vergabe des DOI, auf die wir uns in Publika­tionen beziehen können. Als Institut für Labor­tierkunde gehen wir bei der Vorregis­trierung von Tier­versuchen mit gutem Beispiel voran – auch um die Erfahrungen wieder in Lehre und Ausbildung einfließen zu lassen.“

Annemarie Lang, die an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheuma­tologie und klinische Immuno­logie der Charité Berlin forscht, hat ihre erste Studie retrospektiv eingestellt, um „das Prozedere zu testen und den Link für eine Publikation zu nutzen“. Auch ihr erstes Fazit ist positiv: „Ich kann mir vorstellen, dass die ASR bei der Planung einer Studie sehr helfen kann. Ich werde sie bei den nächsten Studien anwenden, aber auch einige Studien noch retrospektiv einstellen.“ Die Regis­trierung beschreibt sie zwar als zeit­aufwendig, lobt aber, dass mehrere Punkte vom Tierversuchs­antrag übernommen werden konnten: „Wenn man sich umfangreich mit seiner geplanten Studie beschäftigt hat und der Tierversuchs­antrag bewilligt wurde, ist der Zeitaufwand über­schaubar.“ Auch Buch bestätigt, dass die Registrierung mit jedem Folge­experiment einfacher wird, da man frühere Experimente als Vorlagen verwenden kann.

Damit die Datenbank wirklich einen Nutzen bringt, muss sie allerdings von vielen Forschern verwendet werden. Lang bringt dies auf den Punkt: „Ich denke, ein großes Problem solcher Dinge ist, dass man erst ein Umdenken in der Wissen­schaft erwirken und dabei vor allem die Nachwuchs­wissen­schaftler einbeziehen und gewinnen muss.“

Larissa Tetsch

Bert B. et al. (2019): Refining animal research: The Animal Study Registry. PLoS Biology, 17(10):e3000463