Moleküle am Horizont

(22.10.2019) Seit 16 Jahren stellen PhD-Studenten in Göttingen ganz alleine ein internationales Symposium auf die Beine: die Horizons-in-Molecular-Biology-Konferenz. Wir haben vorbeigeschaut.
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Editorial

Die Hydraulik zischt laut, als sich der Bus zur rechten Seite neigt. Die Türen schwingen auf und zwei Handvoll Leute steigen nach draußen. Es ist kühl. Montag­morgen. Halte­stelle Faßberg, Göttingen.

Die Leute aus dem Bus treten in eine übersicht­liche Eingangs­halle des Max-Planck-Instituts für biophysi­kalische Chemie. Sie verschwinden zwischen unzähligen herum­stehenden Besuchern, bepackt mit Taschen und Ruck­säcken. Sie füllen den Raum mit Gemurmel. Es herrscht reges Treiben. Durch eine lange Warte­schlange auf der linken Seite, die an provisorisch aufge­stellten Anmel­dungst­ischen endet, drängt sich ein junger Mann in einem bordeau­xroten T-Shirt. „Sie kommen von Laborjournal, richtig? Ich heiße Gerrit Altmeppen, wir haben miteinander geschrieben.“

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Selbst gemacht

Am 4. Dezember 2003 feierte die Horizons-in-Molecular-Biology-Konferenz ihre Geburts­stunde. Damals noch im Seminar­raum des Göttinger Zentrums für Molekulare Biowissen­schaften mit einer zweitägigen Poster­präsentation, ein paar lokalen Rednern und gerade mal fünfzig Teilnehmern. Seitdem ist viel passiert. Der Grund­gedanke ist geblieben: Eine wissen­schaftliche Konferenz von PhD-Studenten für PhD-Studenten. Deshalb organisieren heute um die zwanzig Studenten mit Master­abschluss und frisch gebackene Doktoranden des PhD-Programms International Max Planck Research School, kurz IMPRS, das Horizons im Alleingang. Eine Besonderheit, wie Altmeppen sagt, der selbst seit drei Jahren zum Organi­sations-Team gehört und am Max-Planck-Insitut für Biophysika­lische Chemie in der Arbeits­gruppe von Melina Schuh mitten in seiner Doktorarbeit steckt.

Einzig bei den Finanzen gibt es Einschränkungen. „Wir können nicht auf eigene Faust Gelder ausgeben, bei jeder finanziellen Entschei­dung müssen wir mit Steffen Burkhardt Rück­sprache halten“, sagt Altmeppen. „Er ist im Namen der Gradu­ierten­schule GGNB, zu der auch unser IMPRS-Programm gehört, für einen Teil der Finanzen verantwortlich.“ GGNB steht für Göttingen Graduate Center for Neuro­sciences, Biophysics, and Molecular Biosciences. Steffen Burkhardt hatte vor 16 Jahren die Horizons-Konferenz ins Leben gerufen. Er war es auch, der damals die Research School aufgebaut hatte, und ist auch heute noch Studien­koordinator für Molekular­biologie in Göttingen sowie der Managing Director der Gradu­ierten­schule, wie Altmeppen berichtet. „Wir nennen ihn nicht umsonst den Gründer­vater der Konferenz.“

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Viel mehr Arbeit

Im Laufe der 16 Jahre Horizons ist für die Organisatoren viel Arbeit dazugekommen. Neben der traditio­nellen Poster­präsen­tation gibt es heute ein Speed Dating, bei dem die Teilnehmer die Speaker ganz zwanglos zwischen Suppe, belegten Brötchen und Säften mit Fragen löchern können, ein Horizons-Breakfast in vergleich­barem Stil, Awarded Student Talks und Panel Discussions. Parallel sprechen im Laufe des viertägigen Events inter­nationale Wissen­schaftler über ihre Forschung und ihren Werdegang.

„Die Konferenz-Sprecher haben wir vom Organisations-Team alle selbst eingeladen“, sagt Antony Grüness, einer der Mit-Organisatoren, der gerade seine Master­arbeit in Pflanzen­biochemie an der Uni Göttingen beendet hat. Schlussendlich sind es 21 Redner aus sieben Ländern, die ihre Forschung vor insgesamt rund 400 Besuchern präsentieren. Darunter etwa Gaia Pigino vom MPI für Molekulare Zell­biologie und Genetik in Dresden oder Leonie Ringrose von der Humboldt-Universität in Berlin.

Und dann ist da noch Michael Rosbash, der 2017 zusammen mit Jeffrey Hall und Michael Young für seine Arbeiten zum circadianen Rhythmus den Nobel­preis in Physiologie oder Medizin bekommen hat. Er eröffnet die wissen­schaftliche Vortrags­reihe. Die Einladung an Rosbash erfolgte einstimmig. „Unsere Kollegin Ninadini Sharma aus Indien hatte sich darum gekümmert und ihn eingeladen“, sagt Altmeppen. Ganz einfach über Twitter.

Die Erfahrung zählt

„Die Horizons-Konferenz ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen“, sagt Altmeppen. Und trotzdem helfen die jungen Organisatoren alle freiwillig. Geld gibt es nicht. Dafür aber Softskills und Kontakte, wie Grüness meint. „Nicht jeder Wissen­schaftler hat die Chance, eine solche Konferenz zu organisieren. Es kostet Zeit, aber schluss­endlich habe ich viel Spaß dabei. Man lernt eine Menge neuer Leute kennen und wie man organisiert und kommuniziert.“

Während Altmeppen und Grüness die Außentreppe des Konferenz-Gebäudes betreten, stellt direkt darunter eine Fotografin die Horizons-Teilnehmer in Reih und Glied auf. Noch bevor die Leute wissen, dass es los geht, knipst sie im Sekunden­takt. „See you in 2020!“, liest sie von 13 DIN-A4-Zetteln ab, die vom Horizons-Team nach oben gehalten werden. Ein finaler Countdown. Und alle Hände fliegen in die Luft.

Juliet Merz

Dieser Artikel wurde für unsere Webseite stark gekürzt. Die ausführliche Reportage können Sie in unserem aktuellen Heft 10-2019 lesen. Im Originalartikel haben wir den Namen einer Konferenz-Sprecherin falsch geschrieben, richtig muss es heißen: Leonie Ringrose. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.