In der Tat spricht einiges gegen das Überleben von Mikroorganismen über solch lange Zeiten. So schätzt man, dass Peptidbindungen annähernd 108 Jahre unbeschadet überstehen können. Wesentlich empfindlicher reagieren DNA-Moleküle auf lange Lagerzeiten. in archäologischen Fundstücken, die nur wenige tausend Jahre alt sind, ist die DNA bereits zu 99% beschädigt oder bereits fragmentiert.
DNA-Bruchstücke dienen daher als sicheres Indiz für die Authentizität alter Proben. Wie kann also die DNA in Mikroorganismen über Jahrmillionen stabil bleiben?
Dass dennoch ein Bacillus-Verwandter 250 Mio. Jahre ruhend überdauerte und wiederbelebt werden konnte, berichteten Russell H. Vreeland et al. jüngst in Nature (Bd. 407, 897-900). Die Paläomikrobiologen isolierten halotolerante Bakterien aus winzigen Salzwassereinschlüssen in Salzkristallen, die der nachweislich 250 Mio. Jahre alten Salado-Salzlagerstätte in New Mexico entstammten. Vreeland und seine Kollegen benannten den Halobakterienstanim "2-9-3". Sie sequenzierten seine ribosomale DNA (16S rDNA), verglichen diese mit Sequenzen bekannter Bakterien und ordneten die Ur-Bakterien als nahe Verwandte von Bacillus marismortui ein. Um Kontaminationen durch moderne Bakterien rigoros auszuschließen, behandelte das Team die Salzkristalloberfläche vor der Probenentnahme zunächst mit 10M NaOH und 10M HCl, bevor sie den Kristall autoklavierten. Die Autoren vermuten daher, dass die Urzeit-Halobakterien während der Permperiode des Paläozoikums in den Salzkristall eingeschlossen wurden, das Massensterben während Perm- und Kreidezeit verschliefen und nach 250 Mio Jahren von ihnen wiederbelebt wurden. Spekulation bleibt der Überlebensmechanismus. Zwar neigen die halophilen Urbacillen in Lösungen mit hoher Ionenstärke zur Sporenbildung, in den Salzkristalleinschlüssen wurden aber keine Sporen gefunden.
Ein anderer Vorreiter der Paläomikrobiologie, Raul J. Cano, beschrieb bereits 1995 in Science die Isolierung und Wiederbelebung eines mit Bacillus sphaericus verwandten "Jurassic Park"-Bakteriums. Cano, der sich auf die Untersuchung alter Bernsteinproben spezialisiert hat, isolierte die Bakterien aus dem Verdauungstrakt einer Biene, die in 25-40 Mio. Jahre altem Bernstein eingeschlossenen war. 1999 fand Cano lebensfähige Mikroorganismen in verschiedenen Bernsteinproben aus der Sammlung der Firma Ambergen, die sich der Erforschung von biologischem Material in Bernsteineinschlüssen widmet. Auch hier konnte Cano nach Geno- und Phänotypisierung der Bakterien kaum Ähnlichkeiten mit modernen Mikroorganismen feststellen, die üblicherweise Laboratorien oder Kliniken bevölkern.
Uralte Genome
Bestätigen sich die Berichte von Vreeland und Cano, dann hätten Evolutionsbiologen zum ersten mal Einsicht in die vollständigen Genome zweier ancienter Organismen. Diese können mit den Genomen ihrer modernen Verwandten verglichen werden und gestatten einen direkten Zugang zu Evolutionsprozessen, etwa der zeitabhängigen Mutationsrate von DNA-Molekülen. Kernfrage der Paläomikrobiologie dürfte aber der Mechanismus der Konservierung, bzw. die Überlebensstrategie der Mikroorganismen bleiben. Können Sporen, die ja als äußerst stressresistent bekannt sind, tatsächlich Jahrmillionen überleben, oder sind andere Ruhezustände mit extrem verlangsamtem Metabolismus für dieses zähe Festhalten am Leben verantwortlich?
Wie hartnäckig Spezies aus dem Reich der Bakterien sein können, mussten auch Wissenschaftler der NASA erfahren. Als im November 1969 Astronauten von Apollo 12 eine Fernsehkamera von der 3 Jahre zuvor auf der Mondoberfläche zurückgelassenen Mondphäre Surveyor 3 bargen und zur Erde zurückbrachten, wurden im inneren der Kamera Kolonien von Streptococcus mitis gefunden, die ihren kleinen Ausflug zum Mond unbeschadet überstanden hatten.
Ob das Leben auf der Erde, wie die Theorie der Panspermie nahelegt, von Bakteriensporen ausging, die nach langen kosmischen Reisen auf die Erde gelangten, sei allerdings dahingestellt.
Letzte Änderungen: 20.10.2004