Editorial

Real Time Quantitative PCR, Teil 2

Call me Alois

von Cornel Mühlhardt



Mit dem Gedächtnis hat unser Methoden-Autor Mühlhardt scheinbar so seine Probleme. Aber lesen Sie selbst:

Manchmal ereignen sich seltsame Dinge im Leben. Da versucht man seinen Job so gut wie möglich zu erledigen, bemüht sich so richtig im Schweisse seines Angesichts, und dann sowas. Letztes Jahr im Sommer habe ich versucht, Ihnen ein wenig von den Geheimnissen der Real Time Quantitative PCR zu berichten. Ein umfangreiches Thema, weshalb ich beschloss, den Inhalt auf drei Artikel zu verteilen. Eine Miniserie sollte es werden, sorgfältig entwickelt, in der Hoffnung, irgendjemand bei Sat1 möge auf mich aufmerksam werden und in meiner Person den deutschen Michael Crichton erkennen, ein Drehbuch in Auftrag geben - "Neulich an der Bench: Frauen liegen ihm zu Füßen" - die Geschichte eines Doktoranden, der in seinem Labor in Castrop-Rauxel mit Hilfe der Biotechnologie die Welt von der Geißel der Käsefüße befreien würde, wenn ihm seine weiblichen Bewunderer ihm dazu nur ein wenig freie Zeit ließen...

Naja, der langen Rede kurzer Sinn: Erst schrieb ich Teil eins, dann überlegte ich mir genau, wie der zweite Teil aussehen sollte und verfasste anschließend den dritten. Der eine oder die andere von Ihnen hat es durchaus gemerkt. Höööchst peinlich. Mit einiger Verzögerung nun also der zweite Teil der Saga "Die Quantitative PCR und ich". Das mag sicherlich etwas verwirrend sein, aber zur Not stellen Sie sich einfach vor, Sie hätten es mit Raumschiff Enterprise zu tun. Da werden die Folgen ja auch in zufälliger Reihenfolge ausgestrahlt.

Was bisher geschah: Wir haben uns damit auseinandergesetzt, dass Enzyme Eigenschaften haben können, die zwar jeder kennen sollte, die meisten aber verdrängen, weil sie ihnen nicht wichtig erscheinen. Findet mal einer eine Anwendung, die diesen in Vergessenheit geratene Eigenschaft nutzt, kann man ein kollektives Raunen hören, das die Labors erfasst, ein allgemeines "Das hatte ich völlig vergessen", gefolgt von einem ganz heimlichen "Verdammt, warum ist mir das nicht eingefallen, dieses Patent hätte mich steinreich gemacht".

So geschehen mit der 5'-3'-Exonuclease-Aktivität der Taq-Polymerase - genau, jenes Enzym, das keine 3'-5'-Exonuclease-"Proofreading"-Aktivität besitzt, weshalb jeder davon ausging, es könne DNA nur verlängern, aber nicht verkürzen. Diese Aktivität war auch völlig uninteressant, bis jemand auf die Idee kam, dass FRET, der Fluoreszenz Resonanz Emissions Transfer, nicht nur ein interessantes physikalisches Phänomen ist, sondern auch für die Biologie nutzbar gemacht werden kann.


Lustiges Quantenzählen

Fluoreszenzfarbstoffe werden üblicherweise mit Licht einer bestimmten Wellenlänge A angeregt und strahlen die aufgenommene Energie anschließend in Form von Licht einer anderen Wellenlänge B wieder ab. Bringt man einen Fluoreszenzfarbstoff allerdings sehr nahe mit einem zweiten zusammen, der sich durch das Licht, das der erste abstrahlt, anregen lässt, dann "hüpft" die Energie vom ersten Farbstoff direkt zum zweiten und wird von diesem anschließend als Licht der Wellenlänge C abgegeben. Regt man einen Reaktionsansatz, in dem sich die beiden verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffe befinden, mit Licht A an und es entsteht Licht C, dann war der Abstand zwischen den beiden Farbstoffmolekülen sehr klein, entsteht Licht B, dann war er (aus der Sicht eines Moleküls gesehen) ziemlich groß. So weit zum Prinzip. Besitzt man ein entsprechendes PCR-Gerät, kann man eine solche Messung während einer PCR-Amplifikation durchführen (siehe Abbildung).

Ich habe Ihnen im Teil 1 auch verraten, dass bei der RTQ-PCR eine klassische PCR kombiniert wird mit einer Hybridisierungsreaktion. Hybridisiert wird dabei mit einem dritten spezifischen Oligonukleotid, das mit zwei verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen markiert ist, wovon der eine am 5'-Ende und der andere am 3'-Ende des Oligos sitzt. Dieser Abstand ist noch relativ klein, weshalb zu Beginn der Amplifikation vor allem Licht C messbar ist. Bei jedem Amplifikationszyklus hybridisieren jeweils sowohl beide PCR-Primer als auch das dritte Oligo mit dem Template.

Während die beiden Primer zur Synthese der neuen Stränge benötigt werden, sitzt das dritte Oligo einfach nur im Weg, wenn die Taq-Polymerase über den Templatestrang hinweg wandert, weshalb das Oligo mit Hilfe die Exonuclease-Aktivität zerhäckselt und das Hindernis auf diese Weise beseitigt wird. Ist das Oligo zerlegt, dann schwimmen die beiden Farbstoffmoleküle getrennt und in großem Abstand voneinander durch den Reaktionsansatz und es kann kein FRET mehr stattfinden; diese beiden Moleküle werden in Zukunft aus Licht A Licht B machen. Je mehr PCR-Zyklen durchgeführt werden, desto mehr Oligo wird verdaut und entsprechend mehr Licht B ist messbar, während die Menge an Licht C langsam abnimmt. Ist viel Template im Ansatz vorhanden, nimmt die Menge an Licht B im Laufe der PCR schneller zu als wenn wenig Template vorhanden ist. Indem man die Menge an Licht B im Laufe der PCR misst, erhält man Aufschluss darüber, wieviel Template ursprünglich im Ansatz vorhanden war.

Ein wenig kompliziert, ich gebe es zu. Ich hoffe trotzdem, Sie konnten meinen Ausführungen bis hierher folgen - die eigentliche Verwirrung beginnt nämlich erst. Zwar finden Sie diese Erklärung bald in jedem besseren Lehrbuch, doch höchstwahrscheinlich wird man Ihnen dort nicht verraten, dass es sich dabei nur um eine von mehreren möglichen Varianten der RTQ-PCR-Sonden handelt.

Die beschriebene Art von hydrolysierbaren Sonden ist unter dem Namen TaqMan bekannt und geschützt und dürfte zur Zeit die verbreitetste Methode sein. Dementsprechend viel Erfahrung ist dazu bereits vorhanden, was es Neulingen auf dem Gebiet üblicherweise einfacher macht, gute Tips von Leidenskollegen zu bekommen. TaqMan-Sonden haben allerdings ein gewisses Problem, weil der Abstand zwischen den beiden Farbstoffmolekülen, die an den beiden Enden des Oligos platziert sind, relativ groß ist. Der Lichttransfer findet zwar noch recht gut statt, aber für einen optimalen FRET ist der Abstand häufig bereits zu groß, dementsprechend hoch ist dann der Hintergrund an Licht B, selbst wenn die PCR noch gar nicht gestartet wurde, und die Empfindlichkeit ist entsprechend verringert. Nicht alle Sondenoligo verhalten sich gleich, dementsprechend ist das Problem beim einen stärker und beim anderen schwächer ausgeprägt.


Molekulare Leuchtfeuer

Eine Weiterentwicklung der TaqMan-Sonden sind die Molecular Beacons (molekulare Leuchtfeuer sozusagen), die ähnlich wie TaqMan-Oligos aufgebaut sind, allerdings zusätzlich zur spezifischen Sequenz an den beiden Enden jeweils 5-7 unspezifische Basen besitzen, die zueinander komplementär sind. Schwimmt der Beacon einsam durch den Reaktionsansatz, dann hybridisieren seine beiden Enden miteinander und bilden so eine Art Haarnadelstruktur, die den Vorteil besitzt, dass die Farbstoffe an den beiden Enden einander sehr nahe kommen und der FRET sehr effizient stattfindet.

Hybridisiert der Beacon an das Template, ist der Abstand der Farbstoffe dagegen sehr groß und es findet kein Lichttransfer statt. Detail am Rande: Weil das 5'-Ende des Oligos nicht spezifisch ist, steht es gewissermaßen ab, befindet sich so ausserhalb der Reichweite der heranrauschenden Taq-Polymerase, und weil die das Ende nicht abknabbern kann, wird das Oligo verdrängt statt zerlegt, überlebt also die ganze Prozedur. Beacons sind sensitiver im Nachweis, weil der Hintergrund geringer ausfällt und der spezifische Teil länger ausfallen darf als bei TaqMan-Sonden, allerdings sind sie schwieriger zu entwerfen und zu optimieren.

Eine dritte Sondenvariante sind Beacons, deren 5'-Ende aus spezifischen Basen besteht und nur das 3'-Ende unspezifische Basen enthält, die komplementär zu den Basen am 5'-Ende sein müssen, damit sich eine Haarnadelstruktur ausbilden kann. Eine solche Sonde wird von der Polymerase im Gegensatz zu normalen Beacons in seine Einzelteile zerlegt und die Farbstoffe damit klar auf Distanz gebracht. Vor- und Nachteile sind die gleichen wie bei normalen Beacons.


Varianten Nummer Vier & Fünf

Die vierte Variante besteht darin, die beiden Farbstoffe nicht an ein und dasselbe Oligo zu koppeln, sondern an zwei benachbarte, wobei das "linke" seinen Farbstoff am 3'-Ende, das "rechte" seinen am 5'-Ende trägt - solche Oligos werden oft als Hybridization Probes bezeichnet. Sind beide an das Template gebunden, dann findet ein FRET statt und Licht C entsteht (im Gegensatz zu den anderen Sonden wird hier nämlich Licht C gemessen); sind die Oligos dagegen zerlegt oder schwimmen frei im Reaktionsansatz herum, ist kein Licht C messbar. Die Spezifität solcher Sonden ist am höchsten, weil hier zwei spezifische Hybridisierungen stattfinden müssen, allerdings sind die Sonden offenbar auch am schwierigsten zu entwerfen.

Es existiert sogar noch eine fünfte Variante unter dem Handelsnamen Amplifluor, die im Vergleich zu den anderen vier Varianten wesentlich flexibler ist. Statt das gesuchte Template direkt nachzuweisen, arbeitet man mit einer Sonde, die eine speziell designte vorgegebene 18-Basen-Sequenz erkennt, die man in einem ersten Schritt mittels eines unmarkierten Primers in das DNA-Template einfügt - angesichts der noch immer hohen Kosten für fluoreszenzmarkierte Oligos ist das eine günstigere Alternative für all diejenigen, die öfter mal ein anderes Gen quantifizieren möchten. Weil die Sonde vorgegeben und erprobt ist, fällt die Optimierung leichter aus als bei selbstgeschneiderten Sonden, andererseits gibt es natürlich keine eierlegenden Wollmilchsäue - die Flexibilität erkauft man sich mit einer geringeren Sensitivität.

Neugierig geworden? Mir geht leider der Platz aus, aber wenn Sie das Thema interessiert, finden Sie unter
weitere Infos, die Ihnen einen Einstieg ins Thema der Nicht-TaqMan-Sonden erlauben.




Letzte Änderungen: 08.09.2004