Editorial

Beschichtung verändert Sphäroide

(17.04.2024) Sphäroide werden oft in speziellen Ultra-Low-Attachment-Platten kultiviert. Die Art der Beschichtung beeinflusst jedoch Morphologie und zelluläre Parameter der Sphäroide.
editorial_bild

Der Fibroblasten-Sphäroid am linken Rand ist größer als die anderen. Kultur auf UFA-Platten verschiedener Hersteller nach drei Tagen (oben) und 4 Tagen (unten).

Dreidimensionale Zellkulturen wie zum Beispiel Sphäroide oder Organoide sollen die natürlichen Verhältnisse in Organen möglichst realitätsnah und physiologisch relevant abbilden. Wie bei Zellaggregaten in Organen oder Tumoren zählt für die Zellen und ihr individuelles Verhalten weniger das „Oben“ oder „Unten“, sondern vielmehr, ob sie außen, weiter innen oder im Zentrum liegen. Ähnlich wie bei Organen oder Tumoren hängen die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff sowie die Aufnahme und Aussendung von Signalen von der Lage der Zellen ab.

Ein wichtiges Utensil für die Kultur von Sphäroiden sind Mikrotiterplatten mit sogenannter Ultra-Low-Attachment (ULA)-Oberfläche, an der Zellen nicht anhaften können. Sie wachsen daher als Kugeln, die rundherum vom Kulturmedium umgeben sind. Die Platten werden von verschiedenen Herstellern angeboten, die jeweils ihre eigenen geheimen Rezepturen für die Beschichtung der Oberfläche verwenden. Rüdiger Rudolfs Team an der Mannheim University of Applied Sciences ging zusammen mit Kollegen vom Karlsruhe Institute of Technology sowie dem Helmholtz Zentrum München der Frage nach, ob sich in Sphäroiden physiologisch relevante Unterschiede einstellen, wenn sie auf unterschiedlichen ULA-Beschichtungen wachsen.

Editorial

Gute Nachrichten, aber ...

Die Gruppe besorgte sich gängige ULA-Platten im 96-Well-Format von sechs Herstellern und kultivierte in diesen Sphäroide von vier verschiedenen Zelllinien. Die gute Nachricht ist, dass auf allen Platten Sphäroide wuchsen. Die Größe der Zellkügelchen sowie ihre mehr oder weniger runde Form hingen aber systematisch von der jeweils verwendeten Platte ab.

Die Forschenden kultivierten zunächst humane Fibroblastenzellen (CCD-1137Sk), Keratinozyten (HaCaT) sowie Dickdarm- (HAT-29) und Brustkrebszellen (MDA-MB-231) in entsprechenden Medien mit zehn Prozent fetalem Kälberserum und einem Prozent Penicillin/Streptomycin. Anschließend lösten sie die Zellen mit Trypsin/EDTA voneinander und säten sie in verschiedenen 96-Well-Platten mit ULA-Beschichtung aus. Um die Entwicklung der Sphäroide während vier Tagen möglichst effizient beobachten zu können, etablierte die Gruppe ein KI-basiertes automatisiertes Monitoring- und Analysesystem.

Unter dem Hellfeldmikroskop erschienen die Fibroblasten als kompakte, ungleichmäßig geformte Sphäroide. Bei einem Plattenfabrikat waren sie jedoch auffällig unrund, bei einem anderen überdurchschnittlich groß. Die HaCaT-Sphäroide schrumpften nach vier Tagen auf 75 Prozent ihres Anfangsvolumens. Bei drei Plattentypen tauchten zusätzliche Mini-Sphäroide (Satelliten) um den eigentlichen Sphäroid sowie vermehrt lose Zellen auf. Die Wells der übrigen drei Platten enthielten hingegen kompakte Sphäroide. Auch hier waren die Zellkügelchen in dem Plattenfabrikat größer, das auch zu größeren Fibroblast-Sphäroiden geführt hatte.

Dicke Zellkerne in großen Sphäroiden

Mithilfe des Proliferationsmarkers Ki-67 sowie dem Transkriptionsfaktor YAP1, der Proliferations- und Differenzierungsprozesse reguliert, suchte die Gruppe nach den Ursachen für die von den Plattenfabrikaten abhängenden Unterschiede. Den Anteil proliferierender Zellen berechneten die Forschenden aus dem Quotienten von Ki67-positiven Zellkernen zur Gesamtzahl der Zellkerne. Auskunft zur Dichte der Sphäroide lieferte das Verhältnis von Zellkernzahl und Sphäroid-Volumen. YAP1 ist in adhärenten und dreidimensionalen Zellkulturen unterschiedlich aktiv. Aus dem Intensitätsverhältnis von nukleärer zu cytoplasmatischer YAP1-Fluoreszenz (N/C) kann man auf die YAP1-Aktivität schließen. Rudolfs Mannschaft detektierte YAP1 sowie Ki-67 in Paraform­aldehyd-fixierten Sphäroiden von HaCAT-Zellen durch Immunfärbung. Die Zellkerne wies sie mit DAPI nach.

Die Zahl der Kerne pro Sphäroid war in allen Plattentypen ähnlich, der Anteil Ki-67-positiver Zellen variierte jedoch. Besonders dicke Zellkerne traten bei dem Plattenfabrikat auf, das mit allen Zelllinien größere Sphäroide lieferte. Die YAP1-Fluoreszenzsignale waren in allen Plattentypen an den Oberflächen der Sphäroide stärker, das Verhältnis von nukleärer zu cytoplasmatischer YAP1-Fluoreszenz schwankte innerhalb der Sphäroid-Zellen beträchtlich. Bei genauerem Hinschauen trat eine Plattentyp-spezifische Besonderheit auf. In fünf Plattenfabrikaten beobachteten die Forschenden unter den Ki-67-positiven Zellen eine Subpopulation mit signifikant erhöhtem YAP1-N/C-Verhältnis, die in der sechsten Platte fehlte.

Die Gruppe geht aufgrund dieser Ergebnisse davon aus, dass die YAP1-Expression vom benutzten Plattentyp abhängt und sich dies auch auf die Regulation der Zellproliferation und -differenzierung auswirkt. Sie empfiehlt daher, die bei der Kultur von Sphäroiden verwendeten Plattenfabrikate im Vorfeld zu testen und auf die jeweiligen mit den Sphäroiden geplanten Experimente abzustimmen.

Andrea Pitzschke

Vitacolonna M. et al. (2024): A multiparametric analysis reveals differential behavior of spheroid cultures on distinct ultra-low attachment plates types. BioRxiv, DOI: 10.1101/2024.03.26.586778.

Bild: Vitacolonna M. et al. (Abb. 1)





Letzte Änderungen: 17.04.2024