Editorial

Aus der Uni geregelt

(12.04.2024) Wie die Regularien eines Hochschulgesetzes einen Nachwuchs-Forscher förmlich zwangen, der Uni den Rücken zu kehren und eine Biotech-Firma zu gründen.
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Letzte Woche traf ich einen befreundeten Biotech-Unternehmer. Eher privat und „off the record“. Dennoch kamen wir im Gespräch irgendwann auf die Gründung seiner Firma, damals vor fast 15 Jahren. Und plötzlich sagte er:

„Weißt du, die Uni hat es mir damals sehr leicht gemacht, die akademische Forschung zu verlassen.“

„Wie das?“, fragte ich schon fast aus Reflex. Solche Aussagen müssen einen Laborjournal-Redakteur natürlich interessieren – auch wenn er eigentlich nicht im Dienst ist.

„Na ja“, fuhr er fort. „Über zehn Jahre hatte ich damals an der Medizinischen Fakultät in ‚meinem’ Institut geforscht und gelehrt – die letzten davon als unabhängiger Leiter einer Nachwuchsgruppe. Und ich war beileibe nicht unerfolgreich, bekam Preise und warb ordentlich Drittmittel ein. Eines Tages jedoch wurde der Ordinarius meines Instituts emeritiert, und ich selbst sollte im Zuge von Umstrukturierungen zunächst mal offiziell als Gast an die Chemische Fakultät wechseln.“

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Plötzlich "gehören" die Mitarbeiter jemand anderem

Ich musste zugeben, dass ich so etwas vorher noch nie gehört hatte.

„Ja, ich auch nicht“, fuhr mein Gesprächspartner fort. „Aber damals dachte ich: Was soll´s? Ob Medizin oder Chemie drübersteht, ist doch egal. Hauptsache, ich kann mit meinen Leuten die ganzen Projekte weiter machen… Oh, mein Gott, wie naiv ich damals war.“

„Warum, was passierte dann?“

„Meine Leute waren allesamt über DFG-Gelder eingestellt. Und das wiederum hieß, sie verblieben de jure an der Medizinischen Fakultät. Fortan verfügte formell also der Emeritus über sie, zumindest solange der Lehrstuhl nicht neu besetzt war. Und der sah plötzlich die unverhoffte Chance, mit ihnen doch noch ein paar eigene Dinge fertig zu bekommen.“

„Ach, du Sch…“

„Du sagst es. Ich verstand die Forscherwelt nicht mehr. Schließlich wandte ich mich an die Chefjuristin der Universität. Doch auch sie stellte klar, dass nach den Vorgaben des Hochschulgesetzes immer der Leiter der Einrichtung der Vorgesetzte der dort beschäftigten Angestellten sei. Folglich habe ich als wissenschaftlicher Angestellter auch keinerlei Weisungsberechtigung. Zudem sei ich ja nur Gast der Chemischen Fakultät, eine Zuordnungsentscheidung für die übrigen Mitarbeiter könne daher nur der entsprechende Lehrstuhlinhaber in Abstimmung mit dem Dekan treffen. Es gehe ja schließlich immerhin um die Ressourcen einer Fakultät, schloss sie unser Gespräch.“

Schluss mit dem Quatsch!

„Puh. Voll in die Sackgasse gefahren…“

„Ja. Aber der Ärger währte nur kurz. Ich hatte ja schon damals die Idee, eine Firma zu gründen. Ich beendete also kurzum meine laufenden Projekte und kehrte der Uni zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Rücken.“

„Hast du später mal bereut, dass es so gekommen ist?“, fragte ich.

„Nein, das mit der Firma hat von Anfang an Spaß gemacht. Vor allem, weil ich hier mein eigener Herr war und ich mich nicht um solche verwaltungsjuristischen Vorgaben scheren musste… Ach ja, und jetzt erinnere ich mich wieder…: Der Juristin schrieb ich damals nach meinem Abgang extra noch eine Mail, wie glücklich ich jetzt sei, dass ich mich aus diesem universitären Frust und Quatsch verabschieden konnte.“

Dem war dann an diesem Abend nichts mehr hinzuzufügen.

Ralf Neumann

(Illustration KI-generiert mit Adobe Firefly)

 

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Letzte Änderungen: 08.04.2024