Editorial

Alle guten Dinge sind zwei

(01.06.2023) Mit selektiven Hemmern hindert RIANA Therapeutics den Transkriptions­faktor STAT5 daran, sich zu krebs­auslösenden Oligomeren zusammenzulagern.
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Wenn zwei STAT5-Moleküle aneinanderkleben, ist alles in Ordnung.

Im Gegensatz zur dimeren Form von STAT5 sind größere Komplexe dafür bekannt, in Lymphomen und Leukämien aufzutauchen. Oligo­merisierungs-Inhibitoren sollen als Krebs­therapeutika den krankmachenden Signalweg gezielt unterbrechen, darauf setzt RIANA Therapeutics. Das Unternehmen wurde im Jahr 2023 unter anderem von der jetzigen CEO Anna Orlova (im Bild) sowie dem Leiter des Labors für Funktionelle Krebsgenomik Richard Moriggl als Spin-off der Veterinär­medizinischen Universität Wien gegründet. Über klebende Domänen, gemeinsames Hemmen und Namen aus Namen.

Frau Orlova, was ist STAT5 und was macht dieses Molekül so interessant für die Krebsforschung?
Anna Orlova: STAT5 ist ein Transkriptions­faktor. Er sitzt quasi zwischen Rezeptor und Kinase sowie der DNA, deren Transkription er reguliert. Und das macht Transkriptions­faktoren so spannend. Wenn man nun eine Kinase blockiert, und dafür gibt es ja bereits etliche gute Wirkstoffe, entwickeln sich relativ schnell Resistenzen. Die Krebszellen weichen einfach auf andere Kinasen aus. Aber alle Kinasen laufen über einen Transkriptions­faktor. Es war deshalb logische Konsequenz, Inhibitoren gegen STAT5 zu entwickeln.

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Ganz so einfach war es nun aber nicht. Wo lag das Problem?
Orlova: STAT5 ist zwar schon lange als Onkogen bekannt. Aber es überträgt auch in gesunden Zellen Signale. Wir benötigen STAT5 für die Entwicklung unserer Blutzellen, etwa T- und NK-Zellen, aber ebenso für die Funktion der Leber, des Gastro­intestinal­trakts und so weiter. Wenn wir nun also STAT5 blockieren, zum Beispiel mit PROTACs [Proteolysis Targeting Chimeras; proteolytisch aktive Wirkstoffklasse; Anm. d. Red.] oder anderen Protein-Degradierern, töten wir alle Zellen, nicht nur Tumorzellen.

Wie umgehen Sie dieses Problem?
Orlova: Arbeits­gruppenleiter Richard Moriggl beschäftigt sich schon seit mehr als 20 Jahren mit STAT5. Wir wissen deshalb, dass STAT5 für seine Funktion Homo- und Heterodimere ausbildet, sich also mit weiteren Molekülen zusammen­lagert. Nun haben wir herausgefunden, dass an der Übertragung der onkogenen Signale hauptsächlich STAT5-Oligomere beteiligt sind, nicht aber Dimere, die in gesunden Zellen die Transkription steuern. Wir können also mit Inhibitoren, die selektiv STAT5-Oligomere blockieren, gezielt Krebszellen töten.

Der Inhibitor unterscheidet also, ob sich zwei oder mehrere STAT5-Moleküle zusammen­lagern? Wie macht der das?
Orlova: Ja genau. Beim Dimer kleben zwei STAT5-Moleküle zusammen und die wiederum können sich zu Tetrameren zusammen­lagern. Das aber läuft über verschiedene Domänen. Die Dimerisierung erfolgt über SH2-Domänen [Src homology 2; Anm. d. Red.], die Oligomerisierung über spezielle Oligo­merisierungs­domänen. Wenn wir nun Moleküle finden, die genau diese Bindungsstellen blockieren, kann STAT5 zwar weiterhin dimerisieren, aber dann ist Schluss.

Solche Moleküle haben Sie ja bereits gefunden.
Orlova: Das stimmt. Wir konnten bereits in genetischen Modellen und im Versuch mit Mäusen zeigen, dass erste Kandidaten der Oligomerisierungs-Inhibitoren funktionieren. Mit der Firmengründung müssen wir uns noch mehr auf die Entwicklung möglicher Wirkstoffe konzentrieren, also nach weiteren Kandidaten suchen.

Sie suchen mithilfe eines zellbasierten phäno­typischen Screening-Systems, wie Sie schreiben. Wie funktioniert das?
Orlova: Wir nutzen eine bestimmte Zelllinie für das Screening. Die Zellen überleben nur, solange STAT5 oligomerisieren kann. Auf diese Zellen geben wir in einem automatisierten Setup Tausende unterschiedliche Moleküle und Verbindungen. Potenzielle Inhibitoren führen dazu, dass die Zellen sterben. Diese Kandidaten untersuchen wir dann genauer.

Werden Oligo­merisierungs-Inhibitoren irgendwann andere Krebs­therapeutika wie Kinasehemmer ablösen?
Orlova: Ich denke, dass sie sich eher ergänzen. Kinasehemmer sind sehr wirksame und gute Therapeutika. Dennoch entwickeln Patienten häufig Resistenzen und brauchen dann weitere Medikamente. Wenn man nun Kinasehemmer und Oligo­merisierungs-Inhibitoren kombiniert, zielen sie an unterschiedlichen Stellen auf denselben Signalweg ab. Die Tumorzellen haben so nicht mehr die Möglichkeit, sich der Therapie über andere Kinasen zu entziehen, denn spätestens beim Transkriptions­faktor wäre auch dort wieder Schluss. Solche Synergien zu nutzen, ist effizient. Außerdem könnte man von beiden Wirkstoffen deutlich geringe Dosen verwenden, sodass möglicherweise die Nebenwirkungen schwächer ausfallen.

Sie haben RIANA Therapeutics erst dieses Jahr gegründet. Wie viele Menschen arbeiten inzwischen in der Firma?
Orlova: Wir sind eigentlich erst seit April operativ tätig und aktuell zweieinhalb. [Lacht] Wir haben einen Wissenschaftler, Tobias Suske, im Labor und Christine Ruckenbauer, die sich um alle administrativen Dinge kümmert. Alles andere mache ich als CEO.

Was hat es mit dem Namen auf sich, wofür steht RIANA?
Orlova: Ja, der Name, darüber haben wir eine ganze Weile gebrütet. RIANA ist zusammen­gesetzt aus Richard und Anna, also die Namen der zwei wissen­schaftlichen Gründer der Firma. Ganz einfach.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief RIANA Therapeutics
Gründung: 2023
Sitz: Wien (Österreich)
Mitarbeiter: Zweieinhalb
Produkt: Sceening-Plattform für (zukünftig als Krebstherapeutika einsetzbare) Inhibitoren, die eine Oligomerisierung von STAT5 verhindern sollen.

Bild: Pixabay/suju-foto (Cookies) & Thomas Suchanek (Porträt)


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Letzte Änderungen: 24.05.2023