Volkskrankheit Wissenschaftsskepsis
Die ignorierend bis feindliche Haltung gegenüber der Wissenschaft scheint eine Volkskrankheit zu sein. Laut ÖAW-Wissenschaftsbarometer 2022 fehlt es 30 Prozent der Befragten generell an Vertrauen in die Wissenschaft. Wie gut es um den allseits angeführten „Hausverstand“ steht, auf den ganze 37 Prozent bevorzugt vertrauen, zeigt sich im Einzelfall bei der Frage, ob Antibiotika gegen Viren helfen. Erschreckend oft lautet die Antwort „ja“.
Wie klassische Volkskrankheiten auch hat Wissenschaftsskepsis verschiedene Ursachen und betrifft nicht jede(n). Immerhin die Hälfte der Barometer-Befragten sieht sich als „an Wissenschaft und Forschung interessiert“. Wenn man also deren Interesse adressieren bzw. fördern könnte, wäre das schon die halbe Miete.
Zwischenbefunde einer jüngst vom Wissenschaftsministerium in Auftrag gegebenen Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) zu den „Ursachen von Wissenschafts- und Demokratieskepsis in Österreich“ liegen vor. Demnach sei „Desinteresse“ weder gleichzusetzen mit mangelndem Wissenschaftsvertrauen noch mit Wissenschaftsskepsis. Ihre Recherchen brachten die Autoren zur Erkenntnis, dass Fachwelt und Medien sich unklar äußern, was überhaupt unter „Wissenschaftsskepsis“ zu verstehen sei. Ohne Skepsis und kritisches Hinterfragen gäbe es keine neuen Ideen.
Wirtschaftliche Einflussnahme?
Doch Wissenschaftsskepsis im Sinne von „wissenschaftlich geschaffenes Wissen kategorisch ablehnen“ ist fatal. Spätestens dann, wenn man bei einer Virusinfektion auf Antibiotika setzt. Die Skepsis könne, so die Studie, auch vom Verdacht wirtschaftlicher oder politischer Einflussnahme rühren. Internationale Evidenz dazu gibt es zur Genüge (PLoS ONE, 16(6):e0253272).
Dass es laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM (n=933) um das Vertrauen in einzelne österreichische Institutionen eher schlecht bestellt ist, und sogar richtig mies bei Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung ebenso wie bei Regierung und Parlament wird bei all jenen, die Einflussnahme auf die Wissenschaft vermuten, die Skepsis wohl befeuern. Universitäten schnitten bei der Umfrage relativ gut ab, Platz 4. Sie genießen das Vertrauen von 42 Prozent. Ob die übrigen 58 Prozent aktives Misstrauen hegen, geht aus dieser Zahl nicht hervor. Auch ist unklar, ob die Universität als Bildungseinrichtung verstanden wird oder als wissensgenerierende Institution.
Koordinierte Vertrauensförderung
Im Frühjahr 2022 hatten die IHS-Wissenschaftler Johannes Starkbaum und Thomas König zusammen mit dem Wissenschaftsjournalisten Klaus Taschwer einen Policy Brief veröffentlicht: „Impulse für einen Neustart der Wissenschaftskommunikation in Österreich“. Darin stellten sie eine Vielzahl an Einzelaktivitäten/-initiativen von Forschungsinstitutionen zur Interessens- und Vertrauensförderung in die Wissenschaft fest. Koordinierter sollten diese erfolgen, war eine abgeleitete Empfehlung. Zweifelhaft ist, ob das BMBWF (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) mit seinem kürzlich aufgestellten „10-Punkte-Programm zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie“ koordinierend und vertrauensfördernd wirken kann
Skeptisch äußerte sich auch die uniko in ihrem kürzlich veröffentlichten Positionspapier. Das 10-Punkte-Programm sei weder nachvollziehbar noch zielführend, und vieles darin vermengt. Wer ins Programm blickt, versteht die Kritik. Logisch erscheint Programmpunkt Nr. 1, der eine Ursachenstudie vorsieht (eben die eingangs genannte). Einige weitere Programmpunkte haben Substanz (z. B. eine zentrale Anlaufstelle für Wissenschafts- und Demokratievermittlung zu schaffen) – wobei vernetzte separate Anlaufstellen fokussierter und zielführender wären. Insgesamt wirkt das Programm jedoch wie eine unstrukturierte, teils schwammig („dahingegend, entsprechend, verankert…“) formulierte Ideensammlung. Was konkret ist beispielsweise unter Programmpunkt 8 zu verstehen? „Stärkere Verankerung von Wissenschafts- und Demokratievermittlung in allen Curricula: Dazu soll das bisherige Studienangebot an den Universitäten und Hochschulen dahingehend überprüft und entsprechend adaptiert werden. Das Thema Wissenschafts- und Demokratievermittlung soll jedenfalls in den Leistungsvereinbarungen der öffentlichen Universitäten stärker verankert werden.“
Wissenschaft und Demokratie
Die uniko erachtet Freiheit der Wissenschaft und Autonomie der Universitäten sowie deren solide Finanzierung und langfristige Planungsperspektive als eine Grundvoraussetzung für Wissenschaftsvertrauen. Autonomie bedeutet aber auch, sich beim Studienangebot nicht reinreden zu lassen. Bei Wissenschaftsvermittlung lautet die effizienzorientierte Devise: Aufbau auf bestehenden Projekten und Initiativen, Vermeidung von Parallelstrukturen.
Dass Wissenschaft und Demokratie zusammenhängen und Vertrauen eine zentrale Rolle spielt, steht für die uniko außer Frage „Wissenschaft fördert durch die ihr zugrundeliegende kritische Denkweise, das methodische Entwickeln und Hinterfragen von Positionen die Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft. Sie versetzt damit die Individuen in die Lage, als Zivilgesellschaft Diskurse zu reflektieren und sich in politische Prozesse aktiv einzubringen. Insofern ist es sinnvoll, das Verhältnis von Wissenschaft und Demokratie gemeinsam zu thematisieren, um das Vertrauen in beide Bereiche zu stärken.“
Schwachstelle Wissenschaftsjournalismus
Bei der Frage des „Wie?“ sieht die uniko statt 10-Punkte-Programm konkrete Maßnahmen und Handlungsfelder. Ein Defizit im Wissenschaftsjournalismus hatte schon das IHS-Policy-Brief als strukturelle Schwachstelle erkannt und die Bedeutung betont: „Wissenschaftsjournalismus versteht sich neben seiner Vermittlungsfunktion auch als ein kritischer Spiegel und öffentliche Kontrollinstanz für Wissenschaft.“
Die uniko greift Wissenschaftsjournalismus (erneut) in ihren Forderungen auf: „Angesichts einer zunehmenden Polarisierung und Ideologisierung über Fake News und alternative Fakten ist es umso wichtiger, qualitativen, seriösen und unabhängigen Journalismus und hier insbesondere den Wissenschaftsjournalismus als zentrale Demokratie-politische Säule zu stärken und zu fördern. Daher hat die uniko – zusammen mit anderen Wissenschaftsinstitutionen – mehrfach die Aufnahme von Wissenschaftsberichterstattung als ein Kriterium der Medienförderung gefordert. Als ebenso sinnvoll erachtet die uniko die Einrichtung eines Science Media Center nach internationalem Vorbild in Österreich, das Informationen für Journalist:innen zu aktuellen Themen mit Wissenschaftsbezug aufbereitet und den Medien die Expertise von Wissenschaftler:innen zur Verfügung stellt. Derartige Zentren gibt es bereits in einigen Ländern (GB, Australien, Neuseeland, Kanada, Deutschland, Taiwan, USA, Afrika, Spanien).“ Ob eine weitere Forderung „Wissenschaftsberichterstattung als ein Kriterium der Medienförderung“ ein offenes Ohr finden wird, bleibt abzuwarten. Sicher wäre nicht jede Partei d´accord. Ihr gingen die Wählerstimmen einstiger Klimawandelleugner abhanden.
Andrea Pitzschke
Bild: Pixabay/Mitrey
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Letzte Änderungen: 06.04.2023