Editorial

Mikroskop aus der
Hosentasche

(15.03.2023) Für schlappe fünfzig Euro lässt sich ein Smartphone zu einem Fluoreszenz­mikroskop umrüsten, das nicht nur für Mikroskopie­kurse interessant ist.
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Zebrabärbling, mit dem Glowscope aufgenommen

Ich sehe was, was du nicht siehst – und das leuchtet grün. Auf dem Display des Smartphones schlägt das grünfluores­zierende Herz eines Zebra­bärblings. Um es beobachten zu können, ist aber nicht das neueste Nonplusultra-Smartphone-Modell nötig – es genügt dazu ein relativ einfaches Upgrade für ganz normale Smartphones. Jacob Hines’ Team an der Winona State University, USA, entwickelte ein simples und äußerst günstiges Setup aus wenigen Bauteilen, mit dem man ein Smartphone in ein Fluoreszenz­mikroskop verwandeln kann. Das von der Gruppe als Glowscope bezeichnete Smartphone-Mikroskop soll aber nicht nur in Schulen die Begeisterung für Biowissen­schaften wecken. Es könnte auch eine günstige alternative zu Fluoreszenz­mikroskopen in biologischen Praktika sein und ist grundsätzlich auch für Forschungs­zwecke geeignet, die keine starke Vergrößerung erfordern.

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Linse plus Stirnlampe

Moderne Smartphones sind mit erstaunlich guten Kameras ausgestattet – was auf dem Weg zum Fluoreszenz­mikroskop noch fehlt, ist ein höheres Auflösungs­vermögen und die Fähigkeit, Fluoreszenz anregen und erfassen zu können. Die Auflösung lässt sich mit einer kommerziellen Clip-on-Makro-Linse verbessern, die man vor der Kamera-Linse positioniert und mit einem Clip am Gehäuse des Smartphones befestigt. Das Team verwendete eine Clip-on-Makro-Linse, die eine ungefähr fünffache Vergrößerung der Objekte ermöglichte. Bei Versuchen mit Auflösungs­testbildern (USAF-Test-Targets) lieferte die Clip-on-Linse zusammen mit der Kamera des verwendeten iPhone 11 eine Auflösung von knapp zehn Mikrometern.

Für die Fluoreszenz-Anregung besorgte sich die Gruppe eine blaue LED-Stirnlampe, die zum Beispiel auch Angler benutzen. Störendes grünes und gelbes Streulicht blendete sie mit Filterfolien für Bühnen­beleuchtungen aus. Dazu schnitt das Team ein passendes Stück der Folie zu und platzierte es zwischen LED-Licht und Fokussierlinse der Stirnlampe.

… und Filter

Jetzt fehlten nur noch Emissionsfilter, die verhindern, dass unspezifische Fluoreszenz­signale erfasst werden. Auch hierzu eignen sich die Bühnen­beleuchtungs-Folien. Je nach erwarteter Emission wählten Hines’ Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine passende Folie oder kombinierten verschiedene Folien zu einem Filter, den sie über das untersuchte Objekt legten. Als Mikroskop-Tisch, der zum Beispiele eine Petrischale aufnehmen kann, verwendeten sie eine durchsichtige Plexiglas­platte. Aus Sperrholz­platten und Gewinde­stangen bastelte die Gruppe schließlich ein simples Gestell, auf dem das Smartphone fixiert ist. Der Fokus lässt sich durch die höhen­verstellbare Konstruktion individuell einstellen. Die Kamera des Smartphones ist über dem Objekt angeordnet, die LED-Lampe auf der Bodenplatte des Gestells wirft das Licht in einem ungefähren Winkel von 45° aus einer Entfernung von zehn bis sechzehn Zentimetern von unten auf das Objekt.

Mit der richtigen Filter­kombination liefert das Glowscope ein relativ eng begrenztes Anregungs­spektrum, beispielsweise zwischen 460 und 500 Nanometern. Den Forschern und Forscherinnen gelangen damit Aufnahmen von grün- und rotfluores­zierenden Proteinen (GFP, mRFP, DsRed, mCherry). Fluoreszierende Zebra­bärblinge waren im Glowscope zwar nicht so gestochen scharf zu erkennen, wie unter einem echten Fluoreszenz­mikroskop. Die Gruppe konnte mit dem Glowscope aber beispielsweise die Herzkammer­bewegung von Zebra­bärblingen verfolgen, deren Kardio­myocyten das grünfluores­zierende Protein (GFP) exprimierten. Auch die Wirkung Puls-senkender Substanzen (Astemizol) konnte das Team mit dem Glowscope beobachten. Für die Unterscheidung von Vorhof (Atrium) und Ventrikel­kammer nutzte es dabei verschiedene automatisierbare Bildbearbei­tungstricks.

Schmunzelnde Biologielehrer

Das Glowscope lässt sich auch in ein normales Mikroskop verwandeln. Allerdings funktioniert es dann nur mit durchsichtigen Untersuchungs­objekten, beispielsweise Kaulquappen. Die US-Gruppe verwendet dazu einfache LEDs, die etwa in Schränken als Lichtquelle eingebaut werden. Die LEDs positionierte sie mit Klebeband direkt unter der Petrischale oder seitlich davon – je nachdem, wie durchsichtig und dick das Objekt war.

Die Gesamtkosten des Glowscopes von 50 Euro dürften selbst knausrige Biologielehrer zum Schmunzeln bringen. Etwas Vorsicht ist im Umgang mit den blauen LED-Lampen geboten, deren Licht für das Auge nicht ganz ungefährlich ist.

Andrea Pitzschke

Schaefer M. et al. (2023): A low-cost smartphone fluorescence microscope for research, life science education, and STEM outreach. Sci Rep, 13:2722.

Bild: Schaefer et al.



Letzte Änderungen: 15.03.2023