Editorial

Wirkstoff des Monats: Olipudase alfa

von Karin Hollricher (Laborjournal-Ausgabe 5, 2022)


Stichwort

(13.05.2022) Unter der Niemann-Pick-Krankheit werden drei Formen zusammengefasst, wobei nur die Formen A und B durch den – zumindest weitgehenden – Ausfall eines Enzyms ausgelöst werden, das saure Sphingomyelinase (ASM) heißt. Schuld daran ist eine Mutation im codierenden Gen SMPD1.

Mit einer Prävalenz von eins bis zehn unter einer Million Personen in der EU gilt die SMPD1-basierte Niemann-Pick-Krankheit als sehr selten. Sie zählt zu den Speicherkrankheiten: Durch einen teilweise gänzlichen Mangel an ASM sammelt sich das Lipid Sphingomyelin in Lysosomen an. Die Form C kommt häufiger vor, basiert jedoch auf Problemen mit den Genen NPC1 und NPC2.

Die schwerere, neurodegenerative Form A verläuft meist schon innerhalb von etwa zwei bis drei Jahren nach der Geburt tödlich. Betroffene mit der Form B haben dagegen oft eine fast normale Lebenserwartung. Bei diesen Personen ist noch etwas Enzymaktivität vorhanden, wodurch das zentrale Nervensystem vermutlich weniger starken Schaden nimmt. Dennoch entstehen Probleme in vielen anderen Organen, vor allem in Leber, Lunge und Milz. Außerdem entwickelt sich wegen des gestörten Fettsäurestoffwechsels schon früh eine koronare Herzerkrankung. Die Erkrankten haben erhöhte Mengen an Cholesterin und Triglyceriden, und auch ihre Transportvesikel sind im Ungleichgewicht: Während das umgangssprachlich „schlechte“ LDL-Cholesterin vermehrt vorkommt, ist das umgangssprachlich „gute“ HDL-Cholesterin erniedrigt. Bisher gibt es keine Therapie für die Typen A und B oder die Mischform A/B.

Erfreulicherweise lässt sich das Enzym ASM gentechnisch herstellen – was zunächst Genzyme und nach der Firmenübernahme nun Sanofi geglückt ist. Der Wirkstoff hört auf den Namen Olipudase alfa und ermöglicht bei intravenöser Gabe – wie das natürlich vorkommende Enzym – den Abbau von Sphingomyelin zu Ceramid und Phosphocholin. Das kann die Symptome lindern. Einen Haken gibt es dennoch: Das Enzym kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden; Betroffene mit reiner Form A profitieren daher nicht davon.

In den klinischen Prüfungen mit Erwachsenen, Jugendlichen und kleinen Kindern, die keine neurologischen Krankheitssymptome hatten, bewirkte Olipudase alfa eine Schrumpfung der durch die Erkrankung stark vergrößerten Leber. Außerdem verbesserte sich die Lungenfunktion und der Fettmetabolismus normalisierte sich (Genetics in Medicine 23: 1543-50 sowie Firmenangaben). Olipudase alfa befindet sich aktuell im Zulassungsverfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA.