Editorial

Wirkstoff des Monats: Sutimlimab

von Karin Hollricher (Laborjournal-Ausgabe 4, 2022)


Stichwort

(12.04.2022) Menschen mit Kälte-Agglutinin-Krankheit (Cold Agglutinin Disease, CAD) leiden unter der Zerstörung ihrer roten Blutkörperchen, was zu Blutarmut führt. Der Antikörper Sutimlimab von Sanofi kann diese Anämie wirksam unterdrücken und wurde im Februar in den USA zugelassen. In Europa erlangte Sutimlimab bisher lediglich den Orphan-Drug-Status, quasi eine Art vorzeitige Zulassung für Medikamente gegen seltene Krankheiten.

CAD ist eine ebensolche: Pro einer Million Menschen erkranken im Schnitt fünf bis zwanzig Personen an der seltenen Autoimmunerkrankung. Betroffene bilden IgM-Autoantikörper gegen Oberflächenmoleküle von Erythrozyten, und zwar gegen I-Antigene. Das sind aus N-Acetyllaktosaminen bestehende Kohlehydratketten. Die Antikörper haben eine besondere Eigenschaft: Sie binden am besten in kühler Umgebung. Schon ein Eis im Sommer oder kalte Füße im Winter können demnach einen CAD-Schub auslösen. Daher leiden Betroffene bei kühleren klimatischen Bedingungen an schwereren Symptomen, wozu auch chronische Erschöpfung gehört, die die Lebensqualität verschlechtert.

IgM-Antikörper haben zehn Bindungsstellen. Über diese können sie mehrere Erythrozyten binden, sodass Klumpen aus Blutkörperchen entstehen. Dies aktiviert das Komplementsystem und veranlasst die Lyse der Zellen.

Der humanisierte Antikörper Sutimlimab stoppt die Aktivierung des Komplementsystems, indem er die Serinprotease C1s behindert. Sie gehört zum C1-Komplex und startet die Signalkaskade des immunologischen Systems. Der Antikörper behindert das Komplementsystem und stoppt damit die Hämolyse. Das garantiert nicht nur einen guten Sauerstofftransport, sondern ist auch deshalb nützlich, weil sich die Autoantikörper wieder von den Blutkörperchen ablösen können, wenn die Körpertemperatur erneut steigt.

In klinischen Studien (CARDINAL, CADENZA), die Alexander Röth von der Universitätsklinik Duisburg-Essen leitete, stoppte der Protease-Inhibitor das Komplementsystem. In der Folge verbesserten sich bei den Probanden die Hämoglobinwerte, sie ermüdeten nicht mehr so leicht und konnten mehrere Wochen ohne weitere Transfusion auskommen.

Das Komplementsystem gehört zum angeborenen Immunsystem. Es kann aber nicht nur über die Bindung des C1-Komplexes an Antikörper aktiviert werden, sondern auch über den sogenannten Lektin-Weg, der durch die Bindung von Lektinen an Mannose gekennzeichnet ist. C1 ist hier nicht beteiligt. Und weil sich Mannose-Moleküle auf den Oberflächen vieler Pathogene befinden, wird diese Abwehrreaktion durch Sutimlimab nicht gestört.