Editorial

Wirkstoff des Monats: Daridorexant

von Karin Hollricher (Laborjournal-Ausgabe 3, 2022)


Stichwort

(10.03.2022) Zur Behandlung von Schlafstörungen ließ die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) den Wirkstoff Daridorexant von Idorsia Pharmaceuticals US zu. Im Gegensatz zu anderen Schlafmitteln wie Barbituraten und Benzodiazepinen wirkt der Arzneistoff nicht sedierend, sondern verhindert lediglich, dass man wach bleibt. Und zwar indem er die wachmachende Wirkung der Orexin-Neuropeptide unterbindet.

1998 beschrieben gleich zwei Arbeitsgruppen ein Neuropeptid, das seither unter zwei Namen bekannt ist – Orexin und Hypocretin. Das Neuropeptid kommt in zwei Varianten vor, HCRT1=OXA und HCRT2=OXB. Als man entdeckte, dass Menschen, die tagsüber von spontanen nicht kontrollierbaren Schlafanfällen heimgesucht werden (Narkolepsie), zu wenig dieser Neuropeptide produzieren, lag die Vermutung nahe, dass die Moleküle auf den Schlaf-Wach-Rhythmus Einfluss nehmen. Die Wirkung der Peptide wird über G-Protein gekoppelte Rezeptoren vermittelt, die ebenfalls in zwei Varianten vorkommen. Bei Narkolepsie-Patienten arbeiten meist die Orexin produzierenden Neuronen im Hypothalamus nicht, die Rezeptoren hingegen sind intakt. Versuche, die Erkrankung durch Verabreichung der Neuropeptide zu behandeln, waren bisher erfolglos. Erfolgreich verliefen dagegen die Studien von Rezeptor-Antagonisten zur Therapie von Schlafstörungen.

Obwohl sich die beiden Peptide und die zwei Rezeptor-Varianten stark ähneln, sind sie in unterschiedlichen Gehirnregionen aktiv und haben dort vermutlich individuelle Funktionen. Orexine beeinflussen zusätzlich zum Schlaf-Wach-Rhythmus auch das Essverhalten und nehmen Einfluss auf das Belohnungssystem. Bisher ist es noch nicht gelungen, Antagonisten zu entwickeln, die nur eine Rezeptor-Variante binden. Auch Daridorexant dockt an beide Rezeptor-Typen an; genauso wie zwei weitere, schon 2019 in den USA zugelassene Antagonisten – Lemborexant und Suvorexant. In Europa ist noch keiner der Wirkstoffe auf dem Markt, allerdings hat das Pharmaunternehmen Idorsia für Daridorexant bereits eine Zulassung beantragt.