Wirkstoff des Monats: Velmanase alfa

von Ralf Neumann (Laborjournal-Ausgabe 11, 2019)


Editorial
Stichwort

(11.11.2019) Ende September hat die Europäische Kommission die Gewinner des ersten Horizon Impact Awards bekannt gegeben. Dieser Preis ehrt EU-geförderte Forschungsprojekte, die „gesellschaftliche Auswirkungen in ganz Europa und darüber hinaus haben“. Einer von vier Premieren-Siegern: Das deutsche Projekt MANNO-CURE. Dieses habe die erste Langzeitmedikation der seltenen lysosomalen Speicherkrankheit alpha-Mannosidose entwickelt, so die Begründung.

Koordinator von MANNO-CURE war der Biochemiker Paul ­Saftig,­­ der seit mehr als zwanzig Jahren an der Universität Kiel Enzyme erforscht, die den Abbau und das Recycling komplexer Moleküle in den Lysosomen bewerkstelligen. Sind solche Enzyme defekt, resultiert meist eine krankhafte Speicherung dieser großen Moleküle.

Eine dieser Speicherkrankheiten ist die alpha-Mannosidose. Ursache hierfür ist eine Mutation im MAN2B1-Gen, weshalb keine oder nur defekte alpha-Mannosidase gebildet wird. Dadurch sammeln sich Mannose-reiche Zuckerkonjugate in den Lysosomen an, was zu deren Ausfall und letztlich zum Zelltod führt.

Editorial

Weltweit leiden nur etwa 500 Menschen an alpha-Mannosidose. Zu den vielfältigen Symptomen, die ab der frühen Kindheit auftreten, gehören Taubheit, Skelettdeformationen, geistige Behinderung, Organ-Anomalien und chronische Infektionen.

Zwischen 2001 und 2018 förderte die EU Paul Saftig und seine europäischen Partner in mehreren aufeinanderfolgenden Verbundprojekten von der grundlegenden Analyse der alpha-Mannosidase über die Therapieentwicklung bis hin zu klinischen Tests. In dieser Zeit etablierten die Projektpartner die Herstellung einer rekombinanten Form der humanen alpha-Mannosidase namens Velmanase alfa. Dieses testeten Saftig und Co. erfolgreich in einem Mausmodell der alpha-Mannosidose – und schließlich ebenso als Ezymersatz­therapie in klinischen Tests an 25 menschlichen Patienten mit leichten bis mittleren Symptomen. Innerhalb des Testjahres ging deren Gehalt an Serum-Oligosacchariden auf Normalwert zurück, zudem verbesserten sich Organfunktionen und körperliche Leistungsfähigkeit. Keine Veränderung gab es allerdings bei den neurologischen Symptomen, da Velmanase alfa die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann.

Dennoch wurde die Velmanase-alfa-Behandlung im letzten Jahr von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und der EU-Kommission zur Behandlung zugelassen – trotz des kurzen Zeitraums und der geringen Fallzahl des klinischen Tests. Mehr Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit lassen sich bei einer derart seltenen Krank­heit einfach nicht erheben, hielten die Prüfer fest.

Seitdem vertreibt die italienische Firma Chiesi das entsprechende Medikament unter dem Namen Lamzede. Und fast hätte dieses einen weiteren Preis bekommen: Im Oktober wurde Lamzede für die Endrunde um den Galenus-Preis für innovative Arzneimittel 2019 nominiert. Zum finalen Sieg reichte es aber nicht ganz.



Letzte Änderungen: 10.10.2019