Editorial

Tipp 195: Tropfen-Reaktor

Eine neue Elektroporations-Technik funktioniert mit billigen ­Gleichstrom-Netzteilen.

Für die Transfektion von Bakterien, Hefen und Säugerzellen durch Elektroporation benötigt man zumeist einen teuren Pulsgenerator, der über einen eingebauten Kondensator kurze Spannungsstöße von mehreren Kilovolt abfeuert. Die pulsierende Hochspannung wird über zwei Elektroden in die Elektroporationsküvette geleitet, in der die vorgelegten Zellen auf die Spannungs-Pulse warten, die ihre Membranen durchlöchern sollen. Über die perforierten Zellhüllen gelangen schließlich Plasmide oder andere Vektoren und Genfähren in die Zellen.

Es geht aber wesentlich preisgünstiger: mit der Ende letzten Jahres von Akio Mizunos Gruppe von der Toyohashi University of Technology in Japan, vorgestellten Wasser-in-Öl Tropfen Elektroporation (W/O-Elektroporation) erübrigt sich der Kauf eines kostspieligen Pulsgenerators. Ein einfaches und preiswertes Gleichstrom-Netzgerät genügt (Kurita et al., PLoS ONE 10(12): e0144254).

Das Prinzip der W/O-Elektroporation ist clever: In eine mit 200 µl Silikonöl gefüllte 3 ml ­Elektroporationsküvette pipettiert man 3 µl Zellsuspension, die 3.000 bis 10.000 Zellen sowie 0,25 bis 2 µg Plasmid-DNA enthält. Als Elektroden dienen in dem noch recht improvisierten Prototyp der Japaner zwei elektrisch leitende ­Klebebänder, die auf zwei gegenüberliegenden Wandungen der Küvette angebracht sind. Die Klebebandelektroden sind mit einem Gleichstromgenerator verbunden, der zwischen den etwa 10 Millimeter auseinander liegenden Klebebandelektroden ein Gleichstromfeld von mehr als 3.000 Volt pro Zentimeter erzeugt.

Trick 195

Wasser-in-Öl Elektroporation in einer Mikrotiterplatte: Die Zelltropfen bewegen sich zwischen den Elektroden hin und her. Foto: Wikimedia Commens

Da sich die wässrige Zellsuspension nicht mit dem Silikonöl mischt, liegt sie als winziger Tropfen vor, der zunächst durch Coulomb-Kräfte von dem Gleichstromfeld zu einer der beiden Elektroden transportiert wird. Berührt der Tropfen die Elektrode, übernimmt er deren Polarität und bewegt sich im elektrischen Feld augenblicklich zur entgegengesetzt geladenen Elektrode. Dort angekommen wechselt er erneut die Ladung, macht sofort wieder kehrt und wandert zum gegenüberliegenden Pol. Der Tropfen bewegt sich also kontinuierlich zwischen den Elektroden hin und her, bis sich der Experimentator nach einigen Minuten dazu erbarmt, das Netzgerät auszuschalten. Anschließend entnimmt er den Tropfen mit der Pipette und kultiviert die transformierten Zellen in einem entsprechenden Medium.

Ständiger Ladungswechsel

Entscheidend für die Elektroporation ist aber nicht die Bewegung des Tropfens zwischen den Elektroden, sondern der kurze, periodische Kontakt mit ihnen. ­Offensichtlich treten hierbei sehr starke, lokale elektrische Felder auf. Die Japaner vermuten, dass diese, wie bei der Elektroporation mit Pulsgeneratoren, zur vorübergehenden Öffnung von Membranporen führen, wodurch die Aufnahme von Plasmiden sowie anderer Vektoren begünstigt wird. Die Viabilität und Proliferation der Zellen beeinträchtigen die lokalen elektrischen Felder an den Tropfen nicht.

Aber wie auch immer der genaue Mechanismus der Wasser-in-Öl-Tropfen-Elektroporation aussieht – die Methode scheint zu funktionieren. Kurita et al., transformierten mit ihr HEK293-Zellen, SCN-Nervenzellen sowie verschiedene Fibroblastzelllinien. Die Transfektionseffizienz der HEK293-Zellen lag bei etwa 40 Prozent. Auch die Kotransfektion von HEK293 sowie Fibroblasten mit zwei Plasmiden, die verschiedene Fluoreszenzproteine trugen, war mit der W/O-Elektroporation kein Problem.

Inzwischen hat die Gruppe um Mizuno auch eine W/O-Elektroporations-Vorrichtung für 96-Well-Mikrotiterplatten konstruiert, mit der die Elektroporation in acht Näpfchen gleichzeitig möglich ist. Auch diese Apparatur ist äußerst simpel und besteht aus nicht viel mehr als einem Metallstreifen, von dessen Unterseite jeweils zwei Stiftelektroden in die einzelnen Näpfchen einer Platten-Reihe ragen. Der Anschluss des Netzgeräts erfolgt über Kontakte an der Oberseite des Blechstreifens.

Für die Transformation von HEK293-Zellen mit einem Fluoreszenzprotein-Plasmid jagten die Japaner 2.000 Volt durch die Elektroden. Geschadet hat dies den Zellen nicht: in fünf der acht Näpfchen tauchten nach knapp einer Woche ­Fluoreszenzsignale in den Zellen auf.

Die japanische Gruppe verhehlt nicht, dass insbesondere die W/O-Elektroporation in Mikrotiterplatten noch einige Kinderkrankheiten hat. So bleiben die Tropfen hin und wieder an den Wandungen der Wells oder an der Elektrodenoberfläche hängen. Einige platzen auch auf ihrem Weg zwischen den Elektroden in viele winzige Tröpfchen.

Diese technischen Probleme sollten aber mit entsprechend optimierten Elektroden zu lösen sein. Und dann steht der W/O-Elektroporation als brauchbarer Alternative zu herkömmlichen Transformationsverfahren nichts mehr im Weg.

Harald Zähringer



Letzte Änderungen: 01.03.2016