Tipp 239: Lean-Laboratory-Mangement

Editorial

(10.03.2022) In großen Pharma-, Diagnostik- oder Analytik-Laboren werden die Laborabläufe und Routinen häufig mit der sogenannten Lean-Laboratory-Methode optimiert, die ihren Ursprung in der japanischen Automobilindustrie hat. Mit Lean Lab kann man aber auch akademische Forschungslabore auf Vordermann bringen.

In den vergangenen beiden Pandemie-Jahren ist das öffentliche Interesse an Laboren deutlich gestiegen. In den Medien wird über Durchlaufzeiten, Kapazitätsengpässe und Produktivitätssteigerungen von Corona-Testlaboren diskutiert und gefachsimpelt. Auch Forschungs- und Entwicklungslabore sind verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Etwa die von Impfstoff-Entwicklern wie BioNtech, die in „Lichtgeschwindigkeit“ neuartige mRNA-Impfstoffe entwickelt und zur Zulassung gebracht haben.

Zu den schnellen Entwicklungszeiten beigetragen haben brillante Forscher – aber auch schlanke Prozesse und eine optimal auf die Abläufe ausgerichtete Laborinfrastruktur. Erreichen lässt sich Letzteres mit Lean-Management-Techniken, welche die Labor-Mitarbeiter von den „lästigen Dingen“ des Laboralltags befreien, etwa langen Laufwegen, ineffizienten Abläufen, Wiederholungen oder auch Wartezeiten. Sie können sich dadurch auf das Wesentliche ihrer Arbeit konzentrieren und zum Beispiel ein Forschungsprojekt schneller abschließen oder mehr Prüfungen beziehungsweise Verfahren im Labor durchführen. Auch der Wissensverlust durch den Weggang von Gast-Wissenschaftlern, Postdocs oder Doktoranden kann mit Lean-Management-Strategien reduziert werden. Zudem kann auch ein Fachkräftemangel durch die Optimierungen zumindest teilweise abgefedert werden.

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Ein gewisses Maß an Chaos gehört zu einem Forschungslabor dazu. Dennoch ist es keine schlechte Idee, Laborabläufe und Routinen mit Lean-Lab-Techniken zu optimieren, um für die eigentliche Forschung mehr Zeit und Muße zu haben. Foto: NYMU iGem Team

Editorial
Wie effektiv ist Lean Lab?

Lean-Management- beziehungsweise Lean-Lab-Techniken wurden in den vergangenen Jahren zum Standard in der Labor­optimierung. Wer sie in seinem Labor einführen will, fragt sich aber vielleicht dennoch, wie zuverlässig sie die Effizienz, Durchlaufzeit und Qualität optimieren können. Um dies genauer beantworten zu können, haben wir, Wolf-Christian Gerstner von der Labor-Beratungsfirma Geniu, Laura Wehner (Osnabrück University of Applied Sciences) sowie Angelika Dettling (Kühne Logistics University, Hamburg) verschiedene Lean-Lab-Projekte untersucht, die zwischen 2001 und 2021 stattfanden (geniu.com/de/20-jahre-lean-lab).

Für die Studie interviewten wir auch mehrere Lean-Lab-Pioniere, welche die Entwicklung von Lean-Management im Labor über die vergangenen zwei Jahrzehnte miterlebt und maßgeblich beeinflusst haben. In den Gesprächen zeigte sich, dass in den ersten Jahren eine der zentralen Fragen lautete: „Ist die Lean-Lab-Strategie überhaupt in Laboren anwendbar?“ Entsprechend haben wir auch diese Frage mit in die Studie aufgenommen. Die Antwort der Befragten war ein eindeutiges: Ja!

Doch gilt dies auch für Forschungslabore? Auch dieser Frage wurde in einer umfangreichen Meta-Studie nachgegangen. Hierzu werteten wir mehr als hundert Artikel zu Lean Lab im Detail aus, die in den vergangenen zwanzig Jahren veröffentlicht wurden. Die Untersuchung bestätigte, dass das Lean-Management die Arbeitsabläufe in vielen Laboren dramatisch verbesserte. Wenn man es richtig angeht, kann Lean Lab die Produktivität, Durchlaufzeit und Qualität in jedem Labor optimieren – egal ob Routine- oder Entwicklungslabor.

Die Meta-Analyse offenbarte auch die meistgenutzten Lean-Lab-Tools. Dabei kamen einige Klassiker wie Wertstrom- und Verschwendungsanalyse sowie „5S“ ans Licht, die am häufigsten aus den mehr als fünfzig möglichen Lean-Lab-Techniken ausgewählt und angewendet wurden. 5S leitet sich von den japanischen Begriffen seiri, seiton, seiso, seiketsu und shitsuke ab, die man mit sortieren, sichtbare Ordnung, sauber halten, standardisieren sowie Standards einhalten und verbessern übersetzen könnte.

Einige dieser Techniken helfen, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen, etwa die Verkürzung von Durchlaufzeiten sowie die Steigerung der Produktivität. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Auswahl der Lean-Lab-Techniken vor dem speziellen Hintergrund und den individuellen Zielen des jeweiligen Labors erfolgen muss. Es existiert kein allgemeingültiges Patentrezept, das für jedes Labor den gleichen Weg aufzeigt. Aber es gibt einen Weg, um sich systematisch ein individuelles Lean-Lab-Programm zusammenzustellen.

Hilfe bei Automatisierung

Vor allem Forschungslabore, die über Digitalisierung und Automatisierung nachdenken, sollten sich mit Lean-Lab-Techniken vertraut machen. Die Methoden helfen bei der Optimierung automatisierter Laborprozesse und unterstützen notwendige Entscheidungen bei der Einführung von Geräten oder digitalisierten Abläufen durch eine fundierte Faktenbasis.

Wolf-Christian Gerstner


Wolf-Christian Gerstner ist Managing Director des auf Labore spezialisierten Beratungs- und Weiterbildungsunternehmens Geniu aus Hamburg.