Editorial

Der Küggler

Erlebnisse einer TA (120)

Annette Tietz


Die TA

Ich habe da eine Schublade in meinem TA-Hirn, in der tummeln sich Gehirnzellen, die halberledigte Aufgaben abspei­chern und bis auf weiteres darauf warten, wieder aktiviert zu werden. Wenn ich zum Beispiel bei einer Firma ein Ersatzteil bestellen soll und der Sachbearbeiter anbietet zurückzurufen – dann landet dieser Auftrag in dieser speziellen Schublade. Ich hab’ mich ja jetzt erst mal darum gekümmert – jetzt warte ich auf Meldung. Schließlich sollte die entsprechende Gehirnzelle beim ersten Anzeichen, dass es weitergeht, reagieren.

Neulich jedoch war alles anders: Das Telefon klingelte mitten in meinem Experiment. Ich war also in Gedanken ganz weit weg. „Frau Tietz, das Gerät ist wieder bei uns eingetroffen. Können Sie es bitte so bald als möglich abholen?“

Auf dem Display sah ich, dass die hausinterne Gerätetechnik anrief. Da ich mit dieser Meldung aber gar nichts anfangen konnte, öffnete ich beherzt meine Schublade. Meine Gehirnzellen befanden sich allerdings im kollektiven Tiefschlaf. Auch das eindringliche Signal meinerseits, mir doch bitte zu melden, um was es sich hier handeln könnte, beantwor­te­ten sie mir nur mit einem müden Kopfschütteln. Klappt ja prima heute!

Gespannte Hirnzellen

Bevor ich jedoch mein ganzes Konzept über den Haufen werfen musste, fragte ich also erst mal vorsichtig nach, welche Kollegin oder welche Kollege das Gerät denn gebracht hatte. Denn wenn ich meinen Schubladenmitbewohnern Glauben schenken durfte, war ich vielleicht gar nicht diejenige, die irgendetwas zum Reparieren abgegeben hatte.

„Nein, da steht Ihr Name auf dem Auftrag! Ist allerdings schon länger her.“

Mist, das funktionierte also auch nicht. Weder meine kleinen Freunde da oben noch ich konnten uns an einen Reparaturauftrag erinnern. Auch wenn er schon länger her war.

„Es ist ein Küggler!“ Ein WAS? Mittlerweile waren meine kleinen Zellen zwar immer noch ohne Erfolgsmeldung, dafür aber hellwach. Als wenn das Wort Küggler etwas ganz Bedrohliches wäre, standen sie alle in einer Reihe und waren gespannt auf den Ausgang dieses mysteriö­sen Falles. Ich übrigens auch!

„Frau Tietz?“, riss mich die Dame aus meinen Gedanken. „Können Sie den Küggler dann bitte heute noch abholen? Er steht hier nämlich sehr im Weg!“

Oh weh, das wollte ich natürlich nicht, dass jemand Umstände mit meinem Geheimauftrag hatte. Da ich noch immer keinerlei Idee hatte, was ich genau abholen sollte, fragte ich vorsich­tig nach, ob das Gerät auf einen norma­len Transportwagen passen würde. Schließlich schien es ja etwas Größeres zu sein.

„Das weiß ich nicht. Wie haben Sie ihn denn zu uns geschafft?“ Sehr lustig die Dame. Was weiß denn ich?

Ich machte mich also samt meiner bis zum Anschlag gespannten Gehirnzellen und einem Transportwagen auf denWeg zur Gerätetechnik. Was mich schließlich erwartete, war ein relativ großer Karton. Der Inhalt: ein Thermo Cycler. Lässt man das „Thermo” weg und ignoriert sämtliche Englisch-Grundkenntnisse, dann wurde mir auch langsam klar, was ein „Küggler” ist. Übrigens sehr zur Freude meiner kleinen Freunde, die die Story irre komisch fanden.

Da ich mir aber sehr sicher war, den Thermo-Cycler niemals in Reparatur gegeben zu haben, schweifte mein Blick über den Auftrag. Da stand: „In Auftrag gegeben von Abteilung III (Standardkontakt: Tietz, TA).” Das war der Moment, in dem ein erleichtertes Seufzen durch die Schublade hallte.



Letzte Änderungen: 01.08.2018