Editorial

Dunkle Phasen

Erlebnisse einer TA (88)

Annette Tietz


Die TA

Jetzt ist die arbeitnehmerunfreundlichste Zeit des Jahres: Sie kommen morgens ins Labor – dunkel, Sie kommen abends raus – dunkel. Dazwischen meist tiefgrau. Kein Wunder, dass momentan niemand mit vollem Arbeitseifer am Arbeitsplatz erscheint.

Vielleicht hilft der folgende kleine Leitfaden, den Tagesbeginn etwas angenehmer zu gestalten:

Wenn Sie morgens aus dem Dunkel ins Labor kommen, schalten Sie alle Lichtschalter an, die Sie finden können – inklusive den Schalter an der Kaffee­maschine, da leuchtet wenigstens schon mal ein kleines Lämpchen. Danach haben Sie zwei Möglichkeiten: A) Sie sorgen dafür, dass durch Drücken einer weiteren Taste an der Kaffeemaschine nicht nur mehr Lichtlein brennen, sondern auch Koffein ihr Herz erfreut; oder B) Sie riskieren schon mal einen Blick ins Labor, um sich über das heutige Tagesprogramm zu informieren. Es könnte allerdings sein, dass Sie nach B) einen Umweg über A) machen – samt einem kleinen Zwischenstopp bei der Sekretärin, um sicher zu sein, dass auch da alle Lichtlein leuchten.

Nie ohne Protokoll

Danach haben Sie weitere zwei Möglichkeiten: C) Sie machen sich mit Eifer an die Arbeit; oder D) Sie erfreuen die Kollegen mit Koffeinzufuhr und bringen sich dabei auf den neuesten Stand über‘s (nichtwissenschaftliche) Laborgeschehen. Sollten Sie Variante A/D gewählt haben, verknüpft nun das Koffein immer mehr Gehirnzellen – und Sie könnten folgenden Plan versuchen: E) Sie beginnen mit steigender Motivation ihren heutigen Versuch und hoffen, dass Sie bei Tageslicht das Labor ver­lassen können. Oder aber es passiert nichts. Das liegt dann an Ihnen: Sie haben sich auf die Variante B/C verlassen und wundern sich nun über mangelnde Motivation und müde Augen? Haben Sie eventuell auch noch vergessen, die Beleuchtung im Labor einzuschalten? Dann gehen Sie schleunigst über A) nach D) – damit E) in Kraft tritt.

Auch wenn sich das oben beschriebene Szenario einstellt, sollten Sie an Tagen wie diesem dem Chef nicht zu oft über den Weg laufen. Passiert es doch, haben Sie folgende Möglichkeiten: F) Sie versuchen einen möglichst motivierten Blick aufzusetzen, damit der Chef erst gar nicht auf die Idee kommt, dass da etwas anderes im Busch ist; oder G) Sie haben immer ein Protokoll in der Hand, wenn Sie heute über den Laborflur laufen – das sieht immer motiviert aus und Chef traut sich erst gar nicht, Sie aus ihren Gedanken zu reißen.

Wenn Sie also einen erfolgreichen Tagesbeginn verzeichnen können, gilt es, jetzt auch den Nachmittag motiviert anzugehen. Dazu folgende Möglichkeiten: H) Sie genehmigen sich in der Mensa eine Extraportion Nachtisch – nach meiner Erfahrung verknüpft Süßes weitere Gehirnzellen; oder aber I) Sie denken an Ihre lauernden Winterkilos und verzichten somit auf weitere Synapsentätigkeit. Bei Variante I) sollten Sie aber schleunigst den Vorgang A/D wiederholen, um dem Motivationsabsturz entgegenzuwirken!

Wenn das alles nicht hilft, dann setzen Sie sich ganz ruhig an einen unbeobachteten Ort und hoffen, dass auch dieser Tag bald ein Ende nehmen wird. Denken Sie aber trotzdem immer an G)!

Und denken Sie daran, dass vor 2014 Jahren jemand seinen Geburtstag so geschickt legte, dass Sie bald in den Genuss von fünf freien Tagen am Stück kommen – ganz ohne Urlaubszettel.

In diesem Sinne: Prost (A), schöne Weihnachten, genehmigen Sie sich ab und zu was Aufheiterndes (H) und verschwenden Sie möglichst wenig Gedanken an (I) – wenigstens bis zum nächsten Frühjahr.



Letzte Änderungen: 01.08.2018