Editorial

Fragliche Intelligenz

Erlebnisse einer TA (59)

Annette Tietz


Die TA

So langsam müssten wir eigentlich wissen, woran wir sind: Allabendlich spült uns ein Tsunami an TV-Unterhaltungssendungen in die Couchecke, um uns aufzuklären, was das angesagteste Hobby, die neueste Designerdroge und das irrste Outfit sind. Und wen man heiraten sollte, wenn man selbst zu langweilig ist, um irgendetwas davon auszuprobieren. Nach vier Stunden Dauerstarrens wissen wir, wer die Intelligentesten der Nation sind: Metzger oder Ärzte, Alleinerziehende oder Patchwork-Eltern, Brandenburger oder Bayern, Prominente oder doch die ganz Normalen. Zu lernen gibt es jede Menge, fraglich bleibt, ob ich mein Hirn wirklich damit zumüllen will. Vielleicht ist die Antwort darauf das einzig wahre IQ-Maß.

Ehrlicher Arbeiter...

Im Labor stelle ich mir solche Fragerunden hingegen recht witzig vor. Was würden die Kollegen etwa auf folgende Fragen antworten:

Sie möchten die neuesten Testergebnisse mit Ihrem Chef besprechen, treffen ihn aber nicht in seinem Büro an. Wo suchen Sie ihn?

Mögliche Antworten: A: Sie fragen die Sekretärin; B: Sie machen einen Streifzug durch die Labore; C: Sie werfen einen Blick in die Cafeteria; oder Antwort D: Sie setzen sich selbst in die Cafeteria und genehmigen sich ein Käffchen.

Sie wollten Ihr Agarosegel mit der alles entscheidenden PCR fotografieren und mussten feststellen, dass darauf nichts zu sehen ist. Wie verhalten Sie sich?

Antwort A: Sie knipsen acht Mal das UV-Licht an und aus, um sicher zu sein, dass es funktioniert; B: Sie schauen nach, ob Sie das Gel versehentlich neben die Apparatur gelegt haben; C: Sie überprüfen, ob der Netzstecker in der Steckdose steckt (sicher ist sicher); oder D: Sie überlegen, wie Sie möglichst unauffällig die Abteilung verlassen können, ohne den Weg des Chefs zu kreuzen.

Ein WM-Fußballspiel findet während der Arbeitszeit statt. Wie schaffen Sie es, trotzdem das Spiel live mit zu erleben, ohne sich extra frei zu nehmen?

A: Sie täuschen Computerarbeit vor uns verfolgen das Spiel unauffällig im Liveticker, B: Sie laufen vor der Nachbarabteilung auf und ab, wo der Fernseher läuft; C: Sie erfinden einen Termin in der Personalabteilung und schleichen sich in den Hörsaal, wohin das Spiel live übertragen wird; oder D: Sie binden sich Ihren Fanschal um, drücken dem Chef eine Tröte in die Hand und fragen: Kommsch au mit?

Nennen Sie die wichtigste Person in Ihrer Abteilung (Achtung: Fangfrage!).

A: Der Chef natürlich (die sichere Seite, zwei Minuspunkte für Einschleimerei) B: die Sekretärin (sehr geschickt, ein Minuspunkt für Schleimerei); C: die Kollegen (auch geschickt, aber ein Minuspunkt für Heuchelei); oder D: Sie selbst (na endlich!).

Das Budget der Abteilung wird gegen Ende des Jahres knapp. Woran sparen Sie am ehesten?

A: Sie gießen ab sofort nur noch 0,5 %ige Agarosegele; B: Sie verzichten auf die Kontrollen in Ihrer PCR; C: Sie setzen Ihre Zellen auf Diät; oder D: Sie verzichten eine Woche lang auf den Kaffee aus der Abteilungsküche und hoffen, so Ihren Beitrag geleistet zu haben (warum sollen immer andere leiden?).

... oder freizeitsüchtig?

Alles ehrlich beantwortet? Dann wird es jetzt erst so richtig spannend: Sollte es Ihre eigene Intelligenz zugelassen haben, solche Sendungen bis zum Ende durchzuhalten, dürfen Sie sich über jede Menge Graphiken freuen, die Ihnen haarklein erklären, warum Sie und nicht der Kollege aus dem Nachbarlabor die Intelligenzbestie des Instituts sind (oder umgekehrt).

Sollten Sie immer nur Antwort D angekreuzt haben, so darf sich Ihr Chef freuen: über eine fußballbegeisterte TA, die sich gerne ein Kaffeepäuschen genehmigt und ihren Chef, sofern sie ihm nicht aus labortechnischen Gründen gerade aus dem Weg geht, zum Event des Jahres mitnimmt. Ihr Chef wird Ihnen sicher ein Extrabudget für Ihren Kaffeekonsum einrichten und muss sich damit abfinden, dass er Sie wohl nicht so schnell los wird, denn wer Frage vier (nach der wichtigsten Person) mit D beantwortet, hat schon eine feste Stelle.



Letzte Änderungen: 01.08.2018