Editorial

Wettervorhersage

Erlebnisse einer TA (56)

Annette Tietz


Die TA

Wettervorhersagen sind so eine Sache. Jeden Abend starre ich gebannt auf die Europakarte, wo sich die Tiefs und Hochs tummeln, langsam Richtung Deutschland kreiseln und irgendwelche Linien vor sich her schieben. Ganz durchgestiegen bin ich da noch nicht, aber es gibt ja immer eine patente Dame oder einen Herren, der/die einem das bevorstehende Geschehen kommentiert. Am Liebsten sehe ich natürlich viele Sonnen, wenige Wolken und eine orange oder gar rote Deutschlandkarte.

Fällt die Vorhersage am Abend positiv aus, hebt das meine Laune auf den nächsten Tag mächtig. Deprimierend ist die Lage allerdings dann, wenn das Versprochene gute Wetter aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen Deutschland nicht findet oder trotz des Schengenabkommens unerklärlicherweise an der Grenzkontrolle scheitert. Das wirkt sich immer schlecht auf meine Laune aus (im Extremfall sehr schlecht!). An diesen Abenden überlege ich wutschnaubend, ob ich die Zahlung meiner GEZ-Gebühren stornieren soll.

Laborbarometer

Manchmal denke ich mir, es wäre durchaus sinnvoll, eine Art Laborlaunenvorhersage zu bekommen. Ich wüsste schon am Abend vorher, was mich am nächsten Tag im Labor erwarten würde. Ändern könnte ich zwar genauso wenig daran, hätte aber wenigstens die Chance, mich darauf einzustellen, dass sich gerade alle Tiefs dieser Welt über dem Labor vereinigen und es unter Umständen zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen kann.

So wäre ich auch weniger überrascht, wenn sich der Tiefausläufer „PCR-Kontamination“ in die gerade erfolgreiche Hochdruckzone der Single-cell-PCR-Analysen schiebte. Ändern könnte ich es wie gesagt nicht, aber ich könnte einen Tag weiter schauen um festzustellen, wie lange dieses Desaster anhalten soll und ob sich die Tiefs zu einem Hurrikan vereinigen oder von einer angenehmen Schönwetterfront vertrieben werden.

Für die atmosphärische Lage bei einigen Laborkollegen würde sich dagegen eher eine Art 6-Stunden-Vorhersage anbieten, da diese Launen fast komplett von ihren Ergebnissen abhängen. Aber Sie kennen ja diese 6-Stunden-Vorhersagen, auf die man sich bei seinen Grillfesten immer verlässt: „18 Uhr strahlender Sonnenschein, ab 22 Uhr schwere Gewitter“, und Ihr Partner steht um 5 nach 6 mit Shorts und Feinrippunterhemd im Hagel am Holzkohlegrill!

Tiefausläufer in der Chefetage

Die Launenvorhersage bei Chefs könnte sich noch schwieriger gestalten, da hier eine Vielzahl von Einflüssen mitspielt. Während ich im Labor lediglich von eigenen Ergebnissen und Versuchen abhänge und vielleicht noch von dem einen oder anderen Mitarbeiter, kommen bei den Chefs mehrere Faktoren dazu. Zum einen die meist komplexeren Tiefausläufer in Form von Personalabteilungsanfragen, die seltsamerweise immer irgendwo kreisen und für die es wohl nie die richtige Wetterlage gibt. Zum anderen die vielen Tiefs, die mit Finanzierungen, Bewilligungen und sonstigen Anträgen zu tun haben. Oder die ganz gemeinen, die sich mit der Verlängerung von bereits bestehenden Arbeitsverträgen befassen. Diese schieben nicht nur eine Linie vor sich her, sondern ziehen meist eine noch größere hinter sich her.

Die meisten Sekretärinnen stellen in dieser Hinsicht eine Art Echtzeit-Vorhersage dar, wie sie aus der Formel 1 bekannt sind, auf denen man jedes Wölkchen oder auch größeres Unwetter auf dem Schirm sofort erkennt. Insofern sei allen Labormitarbeitern geraten, bei ihr erst einmal ein Bild der aktuellen Chef-Stimmungslagenkarte abzufragen, bevor man noch ein dickes Tiefdruckgebiet draufsetzt und den Chef vor unlösbare laborspezifische Probleme stellt.

Eine gute Strategie, ein Tiefdruckgebiet durch ein kräftiges Hoch zu verdrängen, ist übrigens ein allgemeines Sit-in im Kaffeeraum, bei dem jemand im Optimalfall einen selbstgebackenen Kuchen mitbringt. Das könnte durchaus hilfreich sein in Bezug auf die Wetterlagen­änderung. Und auch wenn das nur ein kleines Zwischenhoch ist – besser als nichts!



Letzte Änderungen: 01.08.2018