Editorial

Die fünfte Jahreszeit

Erlebnisse einer TA (51)

Annette Tietz


Die TA

Soziale Events tragen bekanntlich zur Verbesserung des Arbeitsklimas bei. Ich bin da ja immer für zu haben. Deswegen war ich auch begeistert, als es hieß, wir könnten mal wieder eine Laborparty machen. Jeder bringt was zum Essen mit, der Kaffeeraum wird umfunktioniert und einer stellt seine Musikanlage zur Verfügung. Gleich fanden sich ein paar Kollegen, die sich um die Musikauswahl kümmern wollten. Einer kreierte bereits ein Einladungsplakat.

Dieses Engagement machte mich stutzig. Sollte es dieses Mal etwas Größeres werden?

Ringelpiez im Labor

Richtig misstrauisch wurde ich allerdings bei der Aussage: „Ich kenn da jemanden, der hat ne ganze CD mit Partysongs. Zum Mitmachen und Mitsingen.“ Während ich ratlos vom einen zum anderen sah, schienen meine übrigen Kollegen den geplanten Abend schon vor ihrem geistigen Auge durchzugehen und hatten bereits jetzt jede Menge Spaß.

So langsam dämmerte mir, dass ich wohl etwas Entscheidendes bei der Planung verpasst hatte. Also wagte ich mich vor und fragte ganz vorsichtig: „Was Mitsingen und Mitmachen?“ – „Na, Faschingslieder!“

Grundgütiger. Stimmt ja, diese Sache stand an.

Es nutzte offenbar nichts, dass ich diese gewisse Zeit im Jahr völlig verdrängt und sogar aus meinem Wortschatz getilgt hatte: Für die anderen existierte er trotzdem, Fasching, Karneval oder die fünfte Jahreszeit, wie auch immer Sie es nennen möchten. Ich weiß schon, warum ich nicht im Ruhrpott lebe. Da wäre ich wahrscheinlich die einzige Arbeitnehmerin, die sich freiwillig zum Arbeiten melden würde, um nur ja nichts von der Außenwelt mitzubekommen. Wahrscheinlich würde ich mich in eine Art komaähnlichen Zustand versetzen lassen, sollte mich niemand zum Arbeiten brauchen...

Es half aber alles nichts. Ich war im Hier und Jetzt und wohl die Einzige, die noch nicht mit dem Faschingsvirus angesteckt war. Ich war ganz sicher immun! Die Planungen gingen indes weiter und meine Begeisterung auf einer Skala von 0 bis 100 lag ungefähr bei minus 10. Ich hatte mich mittlerweile damit abgefunden, dass an diesem Abend alle witzig umeinander springen würden, während ich versuchte, mir bei all den Uff-Ta-ta-Liedern nicht die Kante zu geben. „Aber wahrscheinlich wird es ja gar nicht so schlimm“, machte ich mir Mut.

Editorial

Editorial
Lebe die Pipette!

Doch Vorsicht: Schlimmer geht immer! Ein paar Tage vor unserem Event, von dem ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher war, ob es wirklich zur Verbesserung des Laborklimas beitragen würde – zumindest von meiner Seite aus – fragte meine Kollegin in die aufgeweckte Runde: „Gibt es denn nun schon Vorschläge für das Motto?“ Ja, gab es. Sogar massig. Die Mehrheit sei für das Motto „Laborgegenstände“.

Immer noch überzeugt, dass ich einfach so (unverkleidet) kommen und ein bisschen Spaß haben könnte, nahm ich einen weiteren Bissen von meiner Brezel. Wie man sich doch irren kann! „Genau, wir machen an der Abteilungstüre eine Tauglichkeitsprüfung und prämieren das beste Kostüm.“ – Äh, wie bitte? „Soll ich etwa als Pipette kommen?“ fragte ich, in der sicheren Annahme, dass den anderen dabei bewusst würde, wie unmöglich die Umsetzung der Idee war. Weit gefehlt: „Mensch, super Idee! Ich muss mir auch gleich was überlegen!“

Doch kein Reinfall

Um es kurz zu machen: der Abend war lustig. Ich war sehr überrascht, welchen Erfindungsreichtum meine Kollegen an den Tag legten. Ich selbst fühlte mich nur ein bisschen unwohl mit meinem „Spitzenabwurf“ auf dem Kopf, denn andere sahen noch merkwürdiger aus als ich.

Ich werde mir die Party-CD trotzdem nicht ausleihen. Wenn es keine Resistenz gegen das Virus ist, dann ganz sicher eine Mutation im Faschingsgen.



Letzte Änderungen: 01.08.2018