Editorial

Laborumzug

Erlebnisse einer TA (47)

Annette Tietz


Die TA

Sind Sie schon mal umgezogen? Ich schon des Öfteren. Bei jedem Umzug stellte ich fest, dass es immer mehr Kisten wurden, obwohl man sich doch jedes Mal größte Mühe gab, alles durchzuschauen und auszusortieren.

Mit der Zeit entwickelt man ja eine gewisse Routine. Kartons werden gleich mit dem entsprechenden Zimmer beschriftet, jedes IKEA-Regal bekommt eine eigene Tüte mit Schrauben, Bolzen und Griffen; und trotzdem bleibt nach jedem Umzug die Gewissheit: so schnell zieht man HIER nicht wieder aus.

Glücklicherweise steht ein Laborumzug äußerst selten auf dem Programm. Dennoch durfte ich auch diese Erfahrung schon einmal machen. Eigentlich verdient man sich als TA dafür eine extra Auszeichnung! Ich erfuhr vom geplanten Ortswechsel etwa sechs Monate im Voraus. Eigentlich genug Zeit, alles in Ruhe zu organisieren.

Planung und Realität

Allein, das Aussortieren und Einpacken ist im Labor nicht so einfach. Einiges durfte nicht mit oder musste gar entsorgt werden, anderes kam auf die Warteliste, weil nicht klar war, wer es bezahlt hatte. Ich war nur noch von Listen und Telefonnummern umgeben, die jeden Tag bedrohlich länger wurden. Gibt es da nicht diese Fernsehsendung, in welcher Umzugsleute an der Tür klingeln, um mit unzähligen Helfern mal eben den Umzug erledigen? Wo sind die, wenn man sie im wahren Leben braucht?

Seufzend machte ich mich daran, die Stickstofftank-Listen zu sortieren und schaute nach, wieviele Röhrchen von welchen Zellen wir noch eingefroren hatten, um dann von jeder Linie drei für den Transport bereitzustellen. Natürlich nicht in ein und demselben Paket. Nach Übersee könnte schon mal was schief gehen. Ging es auch.

Einmal hatte ich eine Zeile des Versandzettels etwas unleserlich ausgefüllt und das Trockeneispäckchen wurde zur Überprüfung an die Kollegen vom Zoll weitergegeben. Es würde dann Ende der Woche weitergeleitet, erklärte mir der Beamte gelassen. Ich protestierte heftig, denn da drin schmolzen gerade unzählige Stunden Arbeit samt meiner Hoffnung dahin, wenigstens einen Punkt auf meiner „GANZ Wichtig“-Liste abzuhaken.

Editorial

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„Nee, nee, da kenn ich mich nicht so aus, das muss ein Kollege machen und der kommt erst in ein paar Tagen. Aber ich stell so lange das Päckchen in die kühle Lagerhalle, wird schon nix schief gehen.“ Ob ich das Päckchen dann vielleicht morgen wieder bekommen könnte, da der Inhalt wirklich sehr wichtig sei? Und ich würde es dann nächsten Montag mit einem ordentlich ausgefüllten Zettel noch mal probieren…? „Nee, das geht nicht, das ist jetzt schon bei uns registriert.“ Tränen zwickten hinter meinen Lidern. Im Fernsehen wäre das kein Problem. Da wäre einer vom Umzugsteam nach Frankfurt geflogen und hätte das Problem mal eben gelöst.

Der Transport auftauender Zellen in einem warmen Paket Richtung Amerika kostete etwa soviel wie zwei Tage Sprinter mieten für den privaten Umzug. Beim Ausräumen eines Labors stößt man zudem auch noch auf allerhand Laborleichen. Sie wissen schon: Dinge, die man schon längst hätte entsorgen müssen, oder von deren Existenz man gar nichts (mehr) wusste… Dazu öffnete ich jeden Tag neue Kist­chen voll unzähliger beschrifteter Röhrchen mit Konstrukten, Primern und Puffern.

Mittlerweile hatte ich das ganze Labor umgestaltet: Es gab Kühl- und Gefrierschränke, die mit verschiedenen Post-its gekennzeichnet waren: „muss mit“, „bleibt hier“ und „Absprache!“ (was soviel bedeutete wie „ich hab keine Ahnung, aber bevor ich es entsorge, frag ich doch mal lieber nach“). Dazu kamen immer neue „muss-mit-Listen“, die mir mein Chef auf den Schreibtisch legte.

Nach ein paar Monaten war dann plötzlich alles erledigt. Alle Listen abgearbeitet, alle Kisten gepackt, sämtliche Röhrchen beschriftet. Einiges entsorgt, das meiste nach Übersee verschickt, das Labor aufgeräumt und so leer wie mein Kopf.

Ich brauchte dringend Urlaub. Für den nächsten Laborumzug frag ich doch lieber vorher mal beim Fernsehen an und übe bis dahin das Deutlichschreiben.



Letzte Änderungen: 01.08.2018