Editorial

Labor-Navi

Erlebnisse einer TA (30)

Annette Tietz


Die TA

Jeder Besitzer eines Navigationsgeräts weiß die freundliche Frauenstimme zu schätzen, die einen fast immer ans Ziel bringt. Über mehr oder weniger Umwege und mit mehr oder weniger sinnvollen Tipps.

Falls jemand technisch richtig was drauf und viel Zeit hat – bitte bei mir melden. Man könnte zusammen ein Navigationssystem für den Laboralltag erfinden. Ein paar Ideen hätte ich da schon, nur leider fehlt mir das physikalische Verständnis... Sollte die Mission erfolgreich sein, würde sich bestimmt ein riesiger Absatzmarkt finden. Also?

Fremdgesteuert

Ich stelle mir das folgendermaßen vor: Morgens aktiviert man das Navi (okay, zuvor sollte das eigene Gehirn aktiviert werden, dafür habe ich allerdings auch noch kein Patentrezept gefunden) und gibt bei „Zielsetzung“ den heutigen Versuch ein: „FACS-Färbung der Zellkulturzellen“; bei „Zwischenziele“: „Zellzahlbestimmung und anschließende Auswertung der Daten“. Dann könnte man sein eigenes Gehirn wieder runterfahren und auf Standby halten („Einatmen“ – „Ausatmen“). Den Rest erledigt die Maschine. Mit freundlicher Stimme, bei weiblichen Anwendern würde man selbstverständlich die Synchronstimme von Brad Pitt zu hören bekommen, begleitet sie uns durch den Tag.

Bei meinem letzten großen Experiment hätte sich das also ungefähr so angehört: „Bitte entnehmen Sie die geforderte Menge Zellen und achten Sie auf eventuelle Kontaminationsfallen.“ Brav befolgte ich die Anweisungen und arbeitete mich Schritt für Schritt durch den Tag. Leider hauchte Brad mir nicht ins Ohr, dass ich vergessen hatte, den Kammerfaktor in meine Zellzahlberechnung mit einzubeziehen. Man kann ja nicht alles haben.

Hör auf Dein Navi!

Am Nachmittag auf dem Weg zum Analyselabor konnte ich mit der Anweisung „Bei der nächsten Möglichkeit bitte wenden!“ nicht wirklich was anfangen. Hatte Brad jetzt etwa sein Montagnachmittag-Tief? Ich ignorierte Brad. Er wurde etwas penetranter: „Bei der nächsten Möglichkeit bitte wenden!!!“ Mit gefühlten drei Ausrufezeichen. Ich ließ mich nicht beirren und bereitete stur alles für die Analyse vor. Als ich dann die Zellen analysieren wollte, schaltete sich Brad ein letztes Mal ein, und jetzt verstand ich auch warum. Ich hatte die Zellen in der Zentrifuge vergessen.

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Bitte wenden!

Also wendete ich. Ein kleiner Seufzer war aus meinem Navi zu hören. Irgendwie war mir das schon etwas peinlich, aber wahrscheinlich werde ich ihn nie persönlich kennen lernen, also brauchte ich mir auch weiterhin keine Sorgen machen, wenn ich mich seinen Aufforderungen widersetzte.

Ich nahm meine Zellen aus der Zentrifuge und setzte mich wieder Richtung Analyselabor in Bewegung. Jetzt konnte ja nix mehr schief gehen (aber wie oft habe ich das schon auf der Autobahn gedacht, selbst beim dritten Stau war ich noch voll der Hoffnung…). Und richtig: Als ich gerade loslegen wollte und das erste Röhrchen in der Hand hatte ,ertönte plötzlich: „Achtung!“. Ich stellte das Röhrchen wieder zurück auf Eis und wartete auf weitere Anweisungen. Es kam nichts. Also startete ich einen zweiten Versuch, und wieder: „Achtung!“

Kommunikationstief

So langsam wurde ich sauer. Konnte sich ein Mann nicht mal klar und deutlich ausdrücken? Ich ignorierte ihn und machte weiter. Analysegerät an und... Endlich sah ich, was Brad meinte: Mein Analysegerät verlangte nach seinem Service-Techniker (mit einem roten Ausrufezeichen)!

Ich war verwundert, wie einfach die Welt sein konnte, wenn man nur seine Augen aufmacht. Vor meinem geistigen Auge schickte Brad gerade ein Stoßgebet Richtung Himmel und wünschte sich, er könnte mit was anderem sein Geld verdienen, vielleicht Schauspielerei ...



Letzte Änderungen: 01.08.2018