Editorial

Himmel und Hölle

Erlebnisse einer TA (23)

Annette Tietz


Die TA

Neulich im Labor... Heute stand ein großer Versuch an. Ich hatte mir schon am Tag vorher sämtliche Röhrchen beschriftet, und um es mir etwas einfacher zu machen, auch schon das gesamte Protokoll auf den heutigen Versuch zurechtgeschustert. Ich pipettierte also schon eine paar Stunden munter vor mich hin: Zellzahlen umrechnen, Antikörperverdünnungen ausrechnen, wieder pipettieren, verdünnen, Waschpuffer drauf, zentrifugieren, auf Eis, wieder verdünnen... tralala...

Blockadeverdruss

Erst lief alles wie geplant. Bis mir plötzlich das Röhrchen mit dem Blockierungsantikörper auffiel, das noch immer in meinem Eisbad stand und irgendwie noch unbenutzt aussah, obwohl ich mit meinen Zellen schon beim nächsten Schritt war – der eigentlichen Färbung. Schluck. Ich wünschte mir an dieser Stelle eine Rückwärts-Taste in meinem Gehirn, um nachsehen zu können, ob ich tatsächlich vergessen hatte die Zellen zu blockieren, oder ob ich mich einfach nicht mehr daran erinnern konnte. So ein Mist.

Mein 007-Masterplan sah folgendermaßen aus: Aufstehen, zum Fenster laufen und dann wieder zurück zum Tisch und hoffen, dass das Gehirn eine erfreuliche Meldung parat hat? Ich verhielt mich ganz nach Plan, aber leider funkte mein Gehirn keine Erfolgsmeldung. Ich konnte mich nicht mehr erinnern.

Was nun? 007 hätte bestimmt sofort Plan B in petto gehabt. Ich nicht. Schließlich hatte ich ja schon meine Färbelösung zu meinen Zellen pipettiert, und falls ich tatsächlich vergessen hätte zu blockieren… ich wollte gar nicht weiter denken. Stattdessen stand ich völlig reglos mitten im Labor und fixierte meine Röhrchen.

„Lass gut sein, merkt doch eh keiner!“ säuselte verschwörerisch ein kleines Teufelchen, das auf meiner linken Schulter saß. „Nee, so kannst Du das nicht lassen! Denk doch mal nach: wenn jetzt der ganze Versuch im Eimer ist, musst Du das doch Deinem Chef sagen!“. Auch das noch. Das Engelchen auf meiner rechten Schulter zwinkerte mir aufmunternd zu. Ich kämpfte mit mir und meinem schlechten Gewissen. Wenn ich die Zellen blockiert hatte, wäre ja alles in Ordnung, wenn nicht, wäre es echt schlecht. Alles neu ansetzen konnte ich nicht, dazu hatte ich zu wenige Zellen. Sollte ich es drauf ankommen lassen, und erst mal die Färbung anschauen, bevor ich beichten gehe?

„Schwamm drüber! Wenn Du’s nicht sagst, erfährt es keiner!“. Gerade wollte ich dem Teufelchen nachgeben (es rieb sich vor Begeisterung schon die Hände), da hörte ich von meiner rechten Seite: “Du wirst doch nicht...! Denk doch mal über die Konsequenzen nach!“ Weiter kam Engelchen nicht, denn in diesem Moment zog ihm das Teufelchen mit der Pipette eins über, so dass der Heiligenschein anfing zu wackeln. Das war auch nicht ganz fair.

Bevor ich versuchen konnte, zwischen den beiden zu schlichten, kam meine Kollegin ins Labor. „Was ist denn mit Dir los?! Du siehst aus, als würdest Du auf eine göttliche Eingebung warten.“ Sie konnte ja nicht ahnen, wie Recht sie damit hatte. Um nicht in der Nachbarabteilung (Psychiatrie) zu landen, erzählte ich ihr nichts von meinen beiden Schulterfreunden.

Schulterfreundschaften

Ich kam nicht dazu, einen neuen Masterplan zu entwickeln, da ich Engelchen davon abhalten musste, Teufelchen eine Filterspitze ins Ohr zu bohren.

In diesem Moment ging wieder die Labortür auf, und die gleiche Kollegin von vorhin ließ mich wissen: „Du, ich hab mir vor einer Stunde Deine Blockierlösung ausgeliehen und hab sie in Dein Eisbad gestellt. Ich wusste nicht genau, wohin damit!“ In diesem Moment sah ich nur noch aus dem Augenwinkel wie Engelchen und Teufelchen sich abklatschten und „give me five“ riefen. Na wenigstens in diesem Punkt waren sie sich einig.

P.S.: Zu Risiken und Nebenwirkungen Ihres nächsten großen Versuchs fragen Sie doch einfach Ihren Arzt oder Apotheker!



Letzte Änderungen: 01.08.2018