Editorial

Klonierungswahnsinn

Erlebnisse einer TA (17)

Annette Tietz


Die TA

Klonierung, am Rande des Wahnsinns - kennen Sie den Spaß? Eigentlich ganz einfach: Man nimmt ein Plasmid, schneidet das gewünschte Insert heraus und ligiert es in ein anderes Plasmid wieder rein. Fertig. Wie gesagt, ganz einfach. Zumindest die Theorie. In der Realität sieht das dann so aus:

Man traut sich morgens schon gar nicht, den Bakterienbrutschrank zu öffnen, in dem sich die Ampicillinplatten mit der gestrigen Transformation befinden. Nach Zusammennahme allen Mutes und dem ersten Stoßgebet gen Himmel öffnet man die Türe dann doch und wird belohnt: Das erste Lächeln des Tages erscheint angesichts einer ganzen Platte voll Kolonien. Es verschwindet allerdings sofort wieder, sobald man die dazu gehörige Beschriftung gelesen hat: „Vektorkontrolle“.

Die positive Einstellung kramphaft festhaltend besieht man sich die Ligationsplatte. Jede zusätzliche Kolonie darauf führt zum ersten Freudentanz des Tages. Gut, dass morgens kaum jemand in der Abteilung ist. Hoffnungsvoll werden die Kolonien der beiden Platten gezählt und eine vorläufige Hochrechnung erstellt, die ergibt, dass die Wahrscheinlichkeit eher gering ist, eine positive Kolonie sein Eigen nennen zu dürfen.

Man lässt sich aber durch so was nicht entmutigen und stürzt sich in die Arbeit. Da die Plasmidisolierung heute nicht mehr möglich ist, widmet man sich den angeimpften Kulturen vom Vortag. Im Gegensatz zu der heutigen Ausbeute sah es gestern wesentlich besser aus. Voller Tatendrang pipettiert, lysiert und präzipitiert man, bis man endlich die gewünschten Plasmide, nummeriert von 1 bis 20, in den Händen hält. Dann beginnt die Suche nach den geeigneten Enzymen.

Nach ungefähr zwanzig Minuten intensiven Grübelns über einer Tabelle unaussprechlicher Enzymnamen (wer bitte hat sich denn solche Namen ausgedacht?) schwirrt mir der Kopf von SacI, SalI, XmnI oder EcoRV. Natürlich (war ja klar) vertragen sich manche Enzyme puffer-technisch nicht, leichte Nervosität macht sich bemerkbar. Auch noch Ansprüche stellen… Die einen mit BSA, die anderen ohne, diese in Puffer 1, jene in Puffer 3, manche bei 25°C, die meisten wieder bei 37°C. Nur Extrawünsche. Nach langer Suche fanden sich zwei Enzyme bereit, in einer Suppe von Puffer 3 und BSA miteinander auf die Jagd nach Schnittstellen zu gehen. Warum nicht gleich so? Ich gebe ihnen extra Zeit, denn eines der beiden wollte auch nur zu 75 Prozent in Puffer 3 schneiden. Ich lege sogar noch meine Mittagspause oben drauf. Das war der Extrabonus für heute. Jeden Tag eine gute Tat, das sollte für heute ausreichen.

Später belädt man das Gel, mit allen dazugehörigen Kontrollen, damit der Chef nicht fragen kann: „Und wie sieht das unverdaut aus und hast Du auch ’ne positive Kontrolle?“ Vorsorge ist alles! Wenn man dann nach einer gefühlten Ewigkeit das Gel fotografiert, sieht das Foto so aus, als hätte man alle verfügbaren Marker nebeneinander aufgetragen. Nein halt - die eine Spur sieht sogar so aus, als wäre das die gewünschte Bandenkombination!

Auf dem Rückweg ins Labor laufe ich meinem Chef über den Weg. Bevor er allerdings fragen kann: „Und wie sieht’s aus, hast Du positive Klone?“, komme ich ihm zuvor: „Ich sag Dir gleich Bescheid!“. Wie ich das Grinsen interpretieren soll, weiß ich noch nicht, aber ich mache mich lieber mal an die Auswertung. Immer wenn ich kurz davor bin, den Banden auf dem Gel ihre Größe zuzuordnen und sie mit meinem Ausdruck vergleichen will, kommt was dazwischen und ich fange wieder von vorne an. Nach der dritten Markerbande noch ein Stück weiter runter und dann zwei drüber noch eine Bande, und die oberste unter der schwachen Markerbande unter den drei die da gleich nebeneinander liegen und da sollte dann… und dann klingelt das Telefon. Macht ja nix, fange ich also wieder von vorne an: Nach der dritten Markerbande noch ein Stück weiter runter und dann zwei drüber noch eine Bande, und die oberste...

Jetzt war der Zeitpunkt für Freudentanz Nr.2 gekommen: Mein Klon mit der Nummer 13 hat die volle Punktzahl, alle Neune, Hipp Hipp Hurra! Hab ich eigentlich erwähnt, dass Klonieren zu eventuellen Nebenwirkungen führen kann?



Letzte Änderungen: 01.08.2018