Editorial

Persönliche Beratung

Erlebnisse einer TA (10)

Annette Tietz


Die TA

Ich kramte alles aus der Verpackung: die bestellte Substanz, Lieferschein, Styroporkugeln, noch mehr Styroporkugeln und unter einem weiteren Haufen Styroporkugeln die Artikelbeschreibung. Na also! Eifrig studierte ich die vielen Symbole, die darauf abgedruckt waren, bis mir der Totenkopf auffiel. Mist! Also doch. Aber wann ist das Ganze giftig? In Pulverform oder flüssig? Zumindest wollte ich wissen, ob es schon beim Einatmen oder erst beim Verschlucken oder wann auch immer welchen Schaden anrichtet. Keine Angaben. Ich gab mich nicht geschlagen und kramte den Katalog der Firma heraus, bei der ich die Substanz bestellt hatte. Wozu gibt es schließlich Hotlines, Services und die ganzen anderen Dienstleistungen, die die Firmen auf ihren Katalogen anpreisen?

Drücken Sie bitte die Zwei ...

Ich hatte auch sofort die Wahl zwischen Customer Service, Product Hotline und Information Hotline. Meine Wahl fiel auf Product Hotline. Bewaffnet mit Artikelbeschreibung und Katalog wartete ich auf ein Freizeichen. Zunächst bat mich eine Computerstimme, mich zwischen Englisch und Deutsch durch Drücken der Tasten 1 oder 2 zu entscheiden. Ok, das war nicht so schwierig. Die nächste Computerstimme forderte mich auf, zwischen Customer Service, Product Hotline und Information Hotline zu entscheiden. Da drängt sich glatt die Frage auf, warum ich vorher schon eine Wahl treffen musste, aber ok, wenn’s hilft. Ich drückte wieder die Nummer für die Product Hotline in der Hoffnung, dass die Computerstimme nun durch einen netten Mitarbeiter ersetzt wurde.

... und geben sich der Oper hin!

Zunächst durfte ich mir aber erst mal ein Stück aus der Oper Carmen anhören, ehe mich ein freundlicher Mitarbeiter mit den Worten „Was kann ich für sie tun?“ begrüßte. Als ich ihn mit meiner Frage konfrontierte, erntete ich erst mal nur Schweigen. Dann kam der befürchtete Satz: „Da muss ich Sie mit einem Kollegen verbinden, da sind Sie hier falsch.“ Na gut, vielleicht hatte ich die vielen Services und Hotlines nicht richtig verstanden, also dudelte mir wieder irgendeine Oper ins Ohr, bis sich der nächste Mitarbeiter mit den schon bekannten Worten meldete. Wusste er nun schon, worum es geht, oder sollte ich noch mal mein Anliegen schildern? Ich begann noch mal von vorn. Netterweise verwies mich dieser Mitarbeiter nicht weiter, sondern fragte nach der Produktnummer und schaute in seinem Computer nach. Nach einiger Zeit des Schweigens meinte er, er sei noch dran, nicht dass ich dächte, er sei in die Mittagspause gegangen. Das nenn ich Service!

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Kurz darauf kam ein: „Jetzt hab ich’s! Das Produkt ist giftig!“ Gut, dass er meinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Ich erklärte noch einmal, dass ich eben das schon weiß. Nur wüsste ich gerne, in welcher Form oder Konzentration es giftig ist und ob es bereits beim Einatmen Schäden verursacht. „Ach so!“ kam es aus der Leitung. „Ja, kleinen Moment.“ Ok, ich wartete. Er fragte mich, ob ich wieder Musik hören möchte, bis er die Informationen findet. Ich dankte ihm für das Angebot, lehnte aber entschieden ab. So lange könne das ja nicht dauern, und meine Liebe zu Opernmusik hält sich zudem in Grenzen.

Hier spricht der Klapperstorch

Ich lauschte dem Klicken der Tasten seines Computers und schaute aus dem Fenster. „Sind Sie schwanger?“ Völlig verwirrt schaute ich aufs Telefon: Hat es etwa eine integrierte Kamera? Ok, die Winterkilos saßen immer noch auf meinen Rippen, aber so schlimm war es nun auch wieder nicht! Da ich nicht so schnell antwortete, fragte er einfach weiter: „Oder planen Sie, in der nächsten Zeit schwanger zu werden?“ Wie bitte? Hatte er mich aus Versehen in der Zwischenzeit mit der Familienberatungsstelle der Firma verbunden? „Sollten Sie im ersten Quartal der Schwangerschaft sein, würde ich Ihnen dringend abraten, mit der Substanz zu arbeiten.“ Aha. Und wenn ich weder schwanger bin, es nicht plane und mich nicht im ersten Quartal befinde, was würden Sie mir dann raten? „Mhm, also wenn ich an Ihrer Stelle wäre, also eine Frau, die eventuell noch irgendwann Kinder bekommen will, würde ich damit gar nicht arbeiten.“

Vielleicht hätte ich doch lieber Opernmusik hören sollen?



Letzte Änderungen: 01.08.2018