Editorial

Die OBENwelt

Erlebnisse einer TA (3)

Annette Tietz


Die TA

Ich hätte nie gedacht, dass ich mir einen Beruf ausgesucht habe, bei dem es so viele Missverständnisse und falsche Vorstellungen gibt, wie bei dem der MTA. Wann immer man mit jemandem über seinen Beruf redet, erfährt man erstaunlich viel Neues über sein eigenes Berufsbild.

Blut und so

Zwangsläufig kommt man in einem Ge-spräch mit Leuten, die man gerade erst kennen gelernt hat, zu dem Thema Arbeit. Wenn ich dann erst einmal die Frage geklärt habe, ob ich auch mit so richtig gefährlichen Sachen wie Vogelgrippe arbeite, und diese Frage dann zum Entsetzen des Anderen verneinen muss, folgt unweigerlich die Frage, ob es dann nicht ein wenig langweilig sei, jeden Tag Menschenproben, also „Blut und so“, zu untersuchen.

Manche fragen aber erst gar nicht, was man arbeitet sondern gleich: Und? Wo arbeitest Du so? Meistens antworte ich darauf: Ich arbeite an der Uni in einem Forschungslabor. Nicht selten bekomme ich dann zu hören: Aha, dann bist Du also auch da OBEN. Was soll mir das jetzt sagen? Ist das gleichbedeutend mit: dann bist Du also auch einer von DENEN, was auch immer man damit meint...?

Berg-TAs

Oder ist die Uni in jeder Stadt grundsätzlich OBEN? Also am Berg? Wurde das früher beim Bau einer Universität berücksichtigt, damit es die Leute Jahrzehnte später einfacher haben und immer von da OBEN reden können? Die Reaktion: Dann arbeitest Du also den ganzen Tag in einem Labor und hast einen weißen Kittel an? Bin ich ja schon gewohnt, aber dass man als TA immer da OBEN arbeitet, war mir bis vor kurzem neu.

Aber es kam noch besser: Auf die Erkenntnis, dass ich also da OBEN arbeite, folgte neulich ein erfreutes Gesicht mit der Frage, ob ich dann auch den Michael kennen würde? Der arbeitet nämlich auch da OBEN. Wie soll ich mir das vorstellen? Denken die Leute, nur weil anscheinend jede Uni da OBEN ist, dass wir da OBEN dann alle in einem einzigen Labor zusammen arbeiten und uns dementsprechend auch alle kennen?

Nachdem ich nicht den Anschein machte, als würde ich den Michael tatsächlich kennen, gab mein Gesprächspartner noch lange nicht auf. Folgender Zusatz sollte dann meinem Gehirn auf die Sprünge helfen: Also der Michael arbeitet da bei einem Professor, der ist sogar Doktor und Professor! Ah, jetzt, klar! Sachen gibt’s! Noch etwas verwirrt von dieser Aussage lächle ich und versuche zu erklären, dass ich auch diesen Professor Doktor (!) nicht kenne und somit auch nicht den Michael. Um das Ganze noch etwas deutlicher zu machen erkläre ich, dass es da OBEN sogar mehrere Professoren (an dieser Stelle habe ich das „Doktor“ weggelassen) gibt, und es durchaus sein kann, dass ich den einen oder anderen Professor wirklich noch nie gesehen habe.

Michaels Mäuse

Da sich somit die Sache wohl erledigt hat, und ich Michael wohl auch nie kennen lernen werde, will ich gerade das Thema wechseln, als mein Gesprächspartner noch eins draufsetzt in der Hoffnung, dass ich mich nun doch noch an den Michael erinnern werde: Der arbeitet da mit so Mäusen!

Okay, lassen Sie mich das Gespräch also folgendermaßen zusammenfassen: Wir da OBEN an der Uni arbeiten alle zusammen in zwei Laboren, A und B. Mit von der Partie ist ein Professor Doktor (habe ich schon erwähnt, dass es sogar Professor Doktor Doktors gibt?), der uns weißbekittelte Schäfchen zusammenhält. Unter den Schäfchen gibt es solche und solche. Nämlich die im Labor A, die arbeiten mit so Mäusen und unterscheiden sich somit von denen in Labor B, die nicht mit so Mäusen arbeiten. Und immer ist da ein Michael dabei.



Letzte Änderungen: 01.08.2018