Vertretervielfalt

Erlebnisse einer TA (141)

Maike Ruprecht


Editorial

Die TA

„Ich schicke Ihnen die Gebietsmanagerin“, verspricht mir die Dame am Telefon.

Ich bin verwirrt.

„Wen wollen Sie schicken?“

„Na, die für Ihr Gebiet zuständige Vertreterin.“

„Ach so, alles klar!“

„Sag‘s doch einfach gleich“, denke ich und lege auf.

Inzwischen bin ich daran gewöhnt, dass Firmenvertreter, die gelegentlich bei uns im Labor vorbeischauen, teilweise abenteuerliche Berufsbezeichnungen haben.

„Vertreter“ ist in der heutigen Zeit wohl zu unhip, deshalb prangen geradezu fabulöse Wortschöpfungen auf den Visitenkarten. Zumeist in englischer Sprache. Nach 15 Jahren als TA verfüge ich über eine erkleckliche Sammlung dieser kleinen Kärtchen mit aufgedruckten Berufsbezeichnungen wie:

Editorial

  • Account Manager
  • Sales Specialist
  • Sales Accountant
  • Sales Manager
  • Sales Representative
  • Territory Manager
  • Product Specialist
  • Area Manager
  • Life Science Specialist
  • Technical Sales Representative
  • Sales Specialist Consumables

Was man alles werden kann heutzutage. „Gebietsmanagerin“ ist allerdings neu! Möglicherweise ein Versuch, ebenso vielfältige wie klangvolle Berufsbezeichnungen auf Deutsch zu kreieren. Dürfte interessant werden...

Ab und zu spiele ich zur Entspannung eine Runde Visitenkarten-Domino mit mir selbst. An den Sales Specialist lege ich den Sales Manager, daran den Accountant Manager und so weiter.

Zu große Vielfalt kann jedoch mitunter auch ein zwiespältiger Segen sein. Wenn ich beispielsweise wissen möchte, wann ein von mir bestelltes Produkt denn nun geliefert wird, frage ich da unseren Sales Manager oder den Account Manager der betreffenden Firma? Und ist der Account Manager beleidigt, wenn ich ihn zugunsten des Sales Managers übergehe? Kann er mir meine Frage überhaupt beantworten? Düpiere ich den Sales Representative, wenn ich mich direkt an den Sales Manager wende? Am Ende wird der Sales Representative arbeitslos – und ich bin schuld. Verzwickte Sache das!

Früher schickte jede Firma einen einzigen Vertreter und gut war‘s. Der hatte die Handlungshoheit über alle Gebiete… äh... Territories, natürlich.

Neulich waren zwei Vertreter... äh, Manager bei mir. Es handelte sich um unseren aktuellen Sales Manager und seinen Nachfolger. Über diesen Besuch habe ich mich wirklich gefreut, denn sonst erfährt man ja meist erst dann von einem Vertreterwechsel, wenn man – nachdem eine E-Mail an den bisherigen Vertreter seit zwei Wochen unbeantwortet geblieben ist – letztlich genervt in der Firmenzentrale anruft.

„Herr Müller? Der ist schon seit sechs Monaten nicht mehr bei uns.“

So ein kurzer Übergabebesuch ist da viel kundenorientierter, und der Senior Sales Manager half mir sogar noch aus meiner Vertreter-Zwickmühle.

„Richten Sie Ihre Anfragen einfach an uns, wir leiten dann alles weiter.“

Unterm Strich ist also trotz aller Diversifizierung nur ein einziger Vertreter... äh, Manager für meine Belange zuständig.

Gut zu wissen. Es kann halt nur einen geben.



Letzte Änderungen: 11.11.2020